Parken ohne Rücksicht

Nicht nur im Steinweg und in der Hofgartenstrasse. Im ganzen Stadtgebiet kommt es flächendeckend zu krassen Verstössen gegen die Regeln beim Parken. Das musste das Team Valentino bei der Überprüfung von fast drei Dutzend Beschwerden aus der Bad Kreuznacher Bevölkerung in den vergangenen zwei Monaten feststellen. 

Geparkt wird auf dem Gehweg, wie hier in der Viktoriastrasse, so dass Fussgänger auf die Fahrbahn in den Autoverkehr ausweichen müssen. Geparkt wird vor privaten Grundstückseinfahrten, im absoluten Halteverbot, in Kreuzungsbereichen und leider auch so, dass die Rettungsdienste behindert werden.

Wie hier in der Ambrosiusgasse Ecke Hochstrasse am Sonntag den 10.6.18. Ein Grossfahrzeug der Feuerwehr wäre nicht durchgekommen, um zu helfen. So werden Menschenleben gefährdet, weil AutofahrerInnen zu faul sind auf einen freien Parkplatz nur 20 Meter weiter zu fahren. Denn das würde ja auch 20 Meter (40 Meter hin und zurück) mehr zu Fuss bedeuten. In beiden rechtswidrig geparkten Fahrzeugen lag übrigens kein Sonderparkausweis für Gehbehinderte aus. Es sind also körperlich gesunde Zeitgenossen, die primitivegoistisch nur an ihre Bedürfnisse denken – und von der Staatsmacht nicht eines Besseren belehrt werden.

Aus der Kahlenberger Strasse müssen sich Anwohner zeitraubend und vorsichtig auf die stark befahrene Rüdesheimer Strasse “hineintasten”, weil regelmässig Autos im Kreuzungsbereich abgestellt werden. Auch an anderer Stelle erleben Bürgerinnen und Bürger die Kontrollkräfte des Ordnungsamtes als ohnmächtig – oder untätig.

So wurden in der Rossstrasse gegenüber der Sparkasse am Mühlenteich einige 30-Minuten-Kurzzeitparkplätze eingerichtet. Ein guter Ansatz: schnell Karten im Kino abholen oder eine eilige Besorgung machen. Leider praktisch ohne Wirkung. Denn die Kurzzeitplätze werden von Dauerparkern oft stundenlang blockiert…  Mehrere EinwohnerInnen haben das Team Valentino mit dem Hinweis zu erheitern versucht, dass eine effektivere Kontrolle des ruhenden Verkehrs der Stadtkasse mehr Geld einbringen würde, als der Tourismusbeitrag. Erstaunlich ist das Fehlverhalten vieler Autofahrer, weil im Stadtgebiet ausreichend Parkplätze zur Verfügung stehen und es keine Notwendigkeit zum “Notfalschparken” gibt.

Zudem zeigt ein augenfälliges Parkleitsystem an, wo sich die freien Parkplätze befinden. Eine aufwändige Suche, wir sie früher als Ausrede fürs Falschparken gern angeführt wurde, ist heute nicht mehr nötig.

Antrag für 11.6. ist gestellt 

Wenn Rechtsanwalt Thomas Scheffler am Montag den 11. Juni 2018 um 22 Uhr erklärt, wie auch zur Nachtzeit eine städtische Grünanlage rechtskonform betreten werden darf, geht alles mit rechten Dingen zu. Dafür hat das Team Valentino am Freitag den 8.6.18 gesorgt. An diesem Tag erfolgte die amtliche Bekanntmachung der Stadt. Die Satzung gilt also ab diesem Zeitpunkt. Um 5 vor 12 reichten Antonio Valentino, Gabriele Stroh und Daniela Foos den nach § 6 nötigen Antrag bei der Stadtverwaltung ein.

Der Treffpunkt der Open-Air-Veranstaltung, die bei jedem Wetter stattfindet, an der Ecke Kirschsteinanlage / Mühlenstrasse vor dem Jugendzentrum liegt ausserhalb des Geltungsbereiches der Satzung. Aber die praktischen Übungen sollen ja in der Grünanlage stattfinden. Und durch den Antrag ist jetzt sichergestellt, dass alle TeilnehmerInnen des Grundkurses “zügiges Durchschreiten” ordnungsgemäss handeln. Wer sich vorab schon mal über den Wortlaut der brandneuen Satzung informieren möchte, findet diese auf der Stadtseite bad-kreuznach.de NICHT unter (rot-weiss) “Politik und Verwaltung” – Punkt “Stadtverwaltung”, Pfeil “Ortsrecht” (wo sie hingehören würde), sondern unter (rot-weiss) “Politik und Verwaltung”, Punkt “Politik (Stadtrat und Gremien)”, Pfeil “Sitzungen des Stadtrates”, “Sitzung am Donnerstag, 24. Mai 18″, ” Pfeil “Beschlussvorlagen” und dort TOP 10. Das Beweisfoto für die Antragstellung ist übrigens nicht gestellt. Es entstand im Vorzimmer der Oberbürgermeisterin, direkt nachdem die Kopie des Antrages mit Eingangsstempel gefertigt worden war … 

Das Personal des Tiefbauamtes, das laut Satzung für derartige Anträge zuständig ist, nahm am Abgabetag an einer Informationsveranstaltung in Mainz teil, war aber dank einer Rufumleitung erreichbar (praktische Bürgerfreundlichkeit – es geht also). Daher wandte sich das Team Valentino an die Poststelle der Stadtverwaltung. Die verwies an das Vorzimmer der Oberbürgermeisterin. Der Antrag vom 6.6.18, abgegeben am 8.6.18 nachdem die amtliche Bekanntmachung in der Presse erfolgt war, im Wortlaut: 

“Stadtverwaltung Bad Kreuznach, Abteilung 660 Tiefbau und Grünflächen, Abteilungsleiterin Frau Corinna Peerdeman o.V.i.A., Viktoriastr. 13, 55543 Bad Kreuznach

Antrag nach § 6 der Satzung über die Benutzung der Grünanlagen der Stadt Bad Kreuznach (Grünanlagensatzung) vom 24.5.18

Sehr geehrte Damen und Herren, für eine Veranstaltung am 11. Juni 2018 (Details unter tourismusbeitrag-so-nicht.de) stelle ich hiermit nach § 6 (Bewilligung von Ausnahmen) der Satzung über die Benutzung der Grünanlagen der Stadt Bad Kreuznach (Grünanlagensatzung) vom 24.5.18 den Antrag für den Zeitraum von 22 Uhr bis 24 Uhr abweichend von § 2, Absatz 2, Ziffer 2

a. Fahrräder für die Dauer der Veranstaltung abstellen zu dürfen, ohne dadurch Einrichtungen zu beschädigen,

b. Roller mitführen zu dürfen und

c. organisatorische Massnahmen jedlicher Art von erheblichem Aufwand und Umfang durchführen und eine Menschenansammlung herbeiführen zu dürfen (ohne allerdings die Anlagenzwecke nach § 1 Abs 4 und 5 zu beeinträchtigen) und ggf eine Sammlung und Filmaufnahmen auch für gewerbliche Zwecke durchführen zu dürfen.

Wir laden einen Mitarbeiter Ihres Amtes ein der Veranstaltung beizuwohnen, um die Einhaltung der übrigen Satzungsbestimmungen zu überwachen. Kopie geht an die Polizeiinspektion Bad Kreuznach und das Ordnungsamt, damit diese Vorkehrungen treffen können. Mit freundlichen Grüssen Antonio Valentino”



11. Juni um 22 Uhr “zügig Durchqueren”   

Der Tourismusbeitrag ist nicht das einzige Possenspiel, das die Stadtverwaltung bietet. Die neueste Inszenierung heisst “Zügig Durchqueren”. Aufführungsort: die städtischen Parks- und Grünanlagen. Regie: Stadtrechtsdirektorin Heiderose Häußermann. In der Rolle der Guten: die Kontrollkräfte des Ordnungsamtes und die Polizei. Und die Schurkentruppe bilden wir, die Bürgerinnen und Bürger der Stadt. Natürlich nicht alle. Nur jener Teil, zu dessen Verhaltensauffälligkeiten ein abendlicher oder sogar nächtlicher Aufenthalt in öffentlichem Grün gehört. 

Die Handlung ist schnell erzählt. Weil Mitmenschen ohne eigenen Garten und mit nur begrenzter Einsicht in für das gedeihliche Zusammenleben erforderliche Verhaltensweisen im Sommer 2017 die Kirschsteinanlage für teilweise lautstarke Ruhestörung in der Nacht missbrauchten und den Ordnungskräften viel Arbeit machten, schlägt die Staatsmacht 10 Monate später gnadenlos zurück. Per Satzung. Die verbietet dort, gegenüber am Fischerplatz und im Schlosspark ab 22 Uhr und auf der Roseninsel und im Kurpark ab 24 Uhr den Aufenthalt. Aber nach den Worten der Verantwortlichen nicht so ganz ernst gemeint. Denn es soll keiner fortgejagt werden, der leise und brav ist. Aber juristisch schon eindeutig. Denn auch leise und brav ist künftig in städtischen Grünanlagen ganz offiziell nächtens verboten. Erlaubt ist wortwörtlich nur noch eines: zügiges Durchqueren. Sonst droht ein Bussgeld bis 5.000 Euro.

 

Strafe aus Unwissenheit

Aber was ist das? Zügiges Durchqueren? Wohl ein Fall für Interpretationsspezialisten, Improvisationskünstler und Bewegungsdynamiker. Die Stadtverwaltung, die ihr Obermodell Dr. Heike Kaster-Meurer alltäglich bei Allmöglichem abgelichtet präsentiert, hat versäumt auf der Stadtseite ein Mustervideo mit ihr einzustellen, auf dem die korrekten und die verbotenen Varianten des Durchquerens anschaulich gemacht werden. Daher besteht die Gefahr, dass auch ganz rechtstreue Bürgerinnen und Bürger aus reiner Unwissenheit ordnungswidrig handeln. Unwissenheit schützt aber nicht vor Strafe. Um die vermeiden zu helfen haben wir weder Mühen noch Kosten gescheut und bieten einen Grundkurs “Zügiges Durchqueren” an.

 

Rechtsanwalt Scheffler hilft

Termin ist der Montag, 11. Juni 2018 um 22 Uhr (zweiundzwanzig Uhr abends). Treffpunkt ist die Kirschsteinanlage Nähe Jugendzentrum Die Mühle ganz egal bei welchem Wetter. Denn auch ein Gewitter ist ja mal vorbei. Bitte wettergemässe Kleidung – idealerweise bequeme Freizeit- oder sogar Sportbekleidung –  tragen. Als Referent steht Herr Rechtsanwalt Thomas Scheffler zur Verfügung. Der Grundkurs dauert max. 60 Minuten. Kursinhalt: Begriffsdefinitionen, rechtliche Erklärung, wie Ausnahmeanträge nach § 4 der Satzung zu stellen sind usw.

 

 

 

Im Wortlaut: die Presseerklärung vom 6. Juni 2018

P R E S S E E R K L Ä R U N G

6.6.18

 

Bezug: Pressemitteilung Nr. 102 / 101 der Stadt Bad Kreuznach vom 5. Juni 2018

 

Antonio Valentino freut sich auf die Beschwerde

Ich begrüsse es ausdrücklich, dass die Stadt Bad Kreuznach die GuT veranlasst gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes vom 28. Mai 2018 Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz einzulegen. Schon dieses Entscheidung zeigt, wie auch der Inhalt der Presseerklärung, dass die Stadt bis heute immer noch nicht erkannt hat, wie ernst ihre Lage ist.

Auch Nichtjuristen müssten doch verstehen, was das Verwaltungsgericht wörtlich ausgeführt hat: “Aus diesem Grund war die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Tourismusbeitragsvorausleistungsbescheid vom 22.11.17 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.5.18 anzuordnen, ohne dass es auf die zahlreichen weiteren Rügen des Antragstellers gegen die Satzung sowie die von der Antragsgegnerin vorgenommene Schätzung seines Umsatzes noch entscheidungserheblich ankam“.

Das Gericht stellt also klar, dass es “zahlreiche weitere Rügen” und die “Schätzung” gar nicht zu bewerten hatte, weil ihm ein von mir schon am 15.1.18 vorgelegtes Argument reichte. Damit haben die Koblenzer Richter der Stadt eine goldene Brücke zu einer erträglichen Niederlage gebaut: nämlich eine Niederlage “nur” durch einen formalen Fehler statt eine Niederlage durch einen qualifizierten Grundrechtsverstoss. Zum Glück für alle Widerspruchsführer versteht das in der Stadtverwaltung keiner. Denn nun muss das OVG im zweiten Anlauf in der Sache mehr klären.

Ich habe von Anfang an, seit 2015, mit offenen Karten gespielt. Ich habe zB nie gesagt, dass ich nichts bezahlen möchte. Ich habe immer anerkannt, dass jene, die von steuerfinanzierten Werbemassnahmen profitieren auch etwas zurückgeben sollen. Denn warum sollten Michelinarbeiter, Arzthelferinnen und Verkäuferinnen mit ihrer Steuer anteilig die Gewinne von Hotels subventionieren? Aber es muss doch die Relation stimmen. Es gibt Gastronomiebetriebe, denen die Stadt im fussläufigen Bereich eine Sauna und eine Kurtherme hinstellt samt Eintritts-Sonderkonditionen, einen Sole-Zerstäuber, einen Park und vieles mehr. Diese Häuser werben sogar mit diesen Annehmlichkeiten. Und es gibt wie in den Stadtteilen Winzenheim, Planig, Bosenheim und Ippesheim eine dreistellige Zahl von Gastronomiebetrieben, die bekommen NICHTS. Nicht nur nichts vergleichbares. Nicht nur nicht fussläufig entfernt. Sondern einfach nichts. Und trotzdem sollen alle auf den Euro Umsatz den exakt selben Beitrag bezahlen. Das lehne ich ab.

Und auch jetzt sage ich ganz offen, wie ich die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes verstehe. Mein deutsch mag nicht so gut sein, wie ich koche. Aber ich kann einigermassen lesen. Und in der Selbstdarstellung des Verwaltungsgerichtes lese ich: “Das Verwaltungsgericht – der Mittler zwischen Staat und Bürger. Verfahren vor dem Verwaltungsgericht betreffen die Rechtsbeziehungen des Staates zu seinen Bürgern. Es handelt sich also um Auseinandersetzungen zwischen natürlichen Personen – dem einzelnen Bürger – und juristischen Personen einerseits und den Behörden andererseits.”

Ich verstehe das so: das Verwaltungsgericht soll – anders als zB die Zivilgerichte – Brücken bauen. Auch mal einen Wink mit dem Zaunpfahl geben. In jedem Fall aber ermöglichen, dass BürgerInnen und Kommunen besser miteinander auskommen. Das bedeutet für mich: wenn ein Verwaltungsgericht eine Möglichkeit sieht eine Kommune nicht ganz so krass verlieren zu lassen, dann wird es diese Möglichkeit wählen. Und genau das hat die Kammer unter dem Vorsitzenden Richter Holly getan. Vielleicht hat es deshalb auch so lange gedauert, bis sie den Weg gefunden haben: eine goldene Brücke in Form einer Niederlage mit dem geringst möglichen Schaden.

Was wird nun im Beschwerdeverfahren geschehen? Die Stadtverwaltung tut so, als müsse sie nur die Kalkulationsunterlagen nachreichen und dann wäre alles gut. Welch eine grandiose Fehleinschätzung. Selbst wenn es der Stadt gelingen würde dem OVG eine Kalkulation glaubhaft zu machen (da müsste die Stadt aber noch ein paar hohe Hürden nehmen). Dann hätte sie eines ihrer 24 Probleme in dieser Sache gelöst. Bleiben noch 23. Und das OVG ist gezwungen die alle eins nach dem anderen durchzugehen. Diese 23 Probleme teilen sich in zwei Gruppen. In das Thema “Schätzung” und in 22 Probleme, die zur Bewertung “rechtswidrig” führen können, also die jeweilige Satzung und die Umsetzung betreffen.

Kommt das OVG beim Thema Schätzung auch nur zu ähnlichen Ergebnissen wie mein Steuerberater bedeutet dies doch eine beispiellose Blamage für die Stadt. Dann müsste das OVG einer 38-Millionen-Euro-Profiverwaltung sagen: ein Gastronom weiss es besser als ihr. Also nicht wie man eine torta Saint Honoré kreiert. Sondern wie man einen Beitragsbescheid schätzt. Wie man es nicht machen darf habe ich der GuT bereits am 28.11.17 geschrieben. Wenn es so käme, wenn also ein Gastronom hochspezifische Verwaltungstätigkeiten fachlich besser beurteilt, als die dafür ausgebildeten und hochbezahlten Fachjuristen: wie soll die Bevölkerung diese Leute danach noch ernst nehmen, wenn bei anderen Vorschlägen aus der Bürgerschaft deren Zeigefinger hochschnellt? Also unterstellen wir für heute einfach, dass das OVG sich in bester Absicht nicht die Schätzung greift.

Sondern den Gleichheitssatz (mit 14 relevanten Unterfällen). Oder das Äquivalenzprinzip. Oder das Rückwirkungsverbot. Oder den Grundsatz der konkreten Vollständigkeit. Oder den der Abgabengerechtigkeit. Oder den der relativen Binnengerechtigkeit. Und und und. Eben all die Vorschriften für grundgesetzlich geschützte Güter. Das OVG muss dann also urteilen, ob und wie die Stadtverwaltung die elementarsten Rechtsgüter verletzt hat – und stellt dann die Rechtswidrigkeit der Satzungen fest. Schon dieses Urteil für sich wird wegen der grossen Zahl der Bürgerinnen und Bürger, die von Anfang an Zweifel angemeldet haben, hohe Wellen schlagen. Aber dabei bleibt es nicht: Mit dem Beschluss des OVG im Beschwerdeverfahren steht dann bereits im Herbst 2018, also viel viel schneller als im Normenkontrollverfahren oder in den Hauptsacheklagen fest, was die Stadt gravierend falsch gemacht hat. Und das ist dann nicht mehr irgend eine gerichtliche Entscheidung, bei der die Stadt auf eine Erlösung hoffen darf durch den Papst, den Ausserfriesischen oder das sprichwörtliche Loch im Boden.

Daher hat mir mein Steuerberater am 1.6.18 sinngemäss gesagt: “Antonio, wenn die einen guten Berater haben, dann werden diese Beschlüsse rechtskräftig. Und wenn die wollen, dass Du ein ganz Grosser wirst, dann gehen die ins Beschwerdeverfahren”. Ich wusste sofort: die Stadt meint es gut mit mir.

 

Antonio Valentino

P.S. Ach so, noch schnell zur Presseerklärung der Verwaltung. Absatz 2 Satz 1: es gibt kein Normenkontrollverfahren der Stadt. Es gibt zwei Normenkontrollverfahren gegen die Satzung vom 15.12.16 (und keines gegen die vom 15.10.15). Absatz 2 Satz 2: Das Gericht hat (siehe oben) ausdrücklich festgestellt, dass es sich mit den “zahlreichen weiteren Rügen” und der “Schätzung” gar nicht beschäftigen musste. Nur daher beurteilte es meine Argumente nicht. Absatz 2 Satz 3: Es gibt auch nicht nur eine Klage beim Verwaltungsgericht, es sind zwei. Absatz 3 Satz 1: Der Tourismusbeitrag wird erst ab dem 1.1.17 erhoben. Also wenn es jemals dazu kommt. Denn wie sie selbst berichtet haben wird er derzeit nicht erhoben. Daher kann nur geschätzt werden, wie hoch die Einnahmen werden können. Meine Rechnung liegt beim Gericht. Selbst wenn es eine Kalkulation für den Tourismusbeitrag gäbe, wo ist die für den Fremdenverkehrsbeitrag (Veranlagungszeitraum bis 31.12.16)?  Fazit: die Presseerklärung ist genau so lieblos zusammengekloppt wie die Satzungen.

Verletzungsgefahr beseitigt 

Das Tiefbauamt ist nicht nur beim Ausbau des Kornmarkts voll im Zeitplan. Auch bei der Herstellung von Verkehrssicherheit geht es flott voran. Noch am 3.6.18 meldete diese Seite eine Gefahrenstelle zwischen Kino und Stadtbibliothek durch ein tiefhängendes und scharfkantiges Schild. Keine 24 Stunden später war es demontiert. 

Antonio Valentino, der sich gleich nach der Sitzung des Hauptausschusses am Abend des 4.6.18 von der Sicherheitsmassnahme überzeugte, freut das: “Teile der Verwaltung funktionieren eben und sind wirklich für die BürgerInnen da”.  Damit die jüngeren Passanten künftig nicht nur sicher sondern auch besser lesbar auf das Angebot des Jugendzentrums hingwiesen werden spricht sich das Team Valentino dafür aus an dem nur noch auf die Feuerwehrzufahrt hinweisenden Halter zwischen den Trägern ein Schild zu befestigten. Dafür stehen je nach Befestigungssystem zwischen 60 cm und 72 cm Breite und bis zu 2,12 Meter Höhe zur Verfügung. “Viel Platz für augenfällige (und nicht augengefährdende) Werbung” meint Valentino. Seine Idee: das Schild könnte im Jugendzentrum selbst gestaltet werden.

 

“Gut lesen können die schlecht”

Der Tourismusbeitrag stand nicht auf der Tagesordnung. Aber weil der Öffentliche Anzeiger am 5.6.18 unter der Überschrift “Gericht kassiert Abgabe erst einmal wieder ein” berichtet hatte, liess Bürgermeister Heinrich nichts unversucht die Stadtverwaltung im Finanzausschuss ins rechte Licht zu rücken. Eigentlich wollte er aus “prozesstaktischen Gründen” nichts sagen. Und verteilte die Presseerklärung der Stadt. Aber dann brach es doch aus ihm heraus. “Ich bin sehr guten Mutes, dass wir obsiegen werden”.

 

“weitermachen wie bisher”

Heinrich, selbst Jurist, hat im Beschluss des Verwaltungsgerichtes (dieses Seite berichtete am 1.6.18 unter der Überschrift “Sieg! Verwaltungsgericht stoppt GuT”) “etliche Rechtsfehler” entdeckt. Und sieht daher “sehr gute Erfolgsaussichten” für die angekündigte Beschwerde. Bis über die vom OVG entschieden ist werde die GuT “weitermachen, als wäre nichts geschehen. Wir werden das weiter so durchziehen, wie bisher, weil das rechtmässig ist” kündigte Heinrich an. Bescheide würden weiter verschickt “und auch vollstreckt”. Kritikern aus den Reihen der CDU-Fraktion warf der Bürgermeister vor, “Sie wissen nicht, was sie wollen”. Die Christdemokraten hätten die Satzungen mit beschlossen und stellten diese nun in Frage.

 

Experte Menger

Als Experte für Verwaltungsgerichtsbeschlüsse outete sich Erich Menger. Der Genosse hat beim Lesen festgestellt, dass das Gericht die Bad Kreuznacher Satzungen “in keiner Passage in Frage gestellt hat”. Da konnte sich Antonio Valentino, der bei den Ausführungen des Bürgermeisters noch entspannt gelächelt hatte, einen Kommentar nicht verkneifen: “Gut lesen können die schlecht”. So muss es wohl sein. Denn wörtlich führte das Gericht aus: “Aus diesem Grund war die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Tourismusbeitragsvorausleistungsbescheid vom 22.11.17 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.5.18 anzuordnen, ohne dass es auf die zahlreichen weiteren Rügen des Antragstellers gegen die Satzung sowie die von der Antragsgegnerin vorgenommene Schätzung seines Umsatzes noch entscheidungserheblich ankam”.

 

Valentino begrüsst Beschwerde

Das Gericht stellt also klar, dass es “zahlreiche weitere Rügen” und die “Schätzung” gar nicht zu bewerten hatte, weil ihm ein von Valentino schon am 15.1.18 vorgelegtes Argument reichte. Damit haben die Koblenzer Richter der Stadt eine goldene Brücke zu einer erträglichen Niederlage gebaut: nämlich eine “nur” durch einen formalen Fehler statt durch einen qualifizierten Grundrechtsverstoss. “Zum Glück versteht das in der Stadtverwaltung keiner” freut sich Valentino. Er begrüsst, dass die GuT Beschwerde einlegt. Valentino weiss: wenn jetzt im Beschwerdeverfahren das Kalkulationsproblem von der GuT ausgeräumt werden würde, müssen die OVG-Richter seine anderen Argumente prüfen. Und abgesehen von der Kritik an der Art und Weise zu schätzen kann die Stadt dann nur noch verlieren, weil das OVG die Rechtswidrigkeit der Satzungen feststellt. “Damit steht dann schon im Herbst 2018, also viel viel schneller als im Normenkontrollverfahren oder in den Hauptsacheklagen fest, was die Stadt gravierend falsch gemacht hat”.

 

Schwarze-Peter-Spiel

Solch komplexe Überlegungen, zu denen ein Gastronom wohl nur in der Lage ist, weil er Tag für Tag unzählige differenzierte Einzelfallentscheidungen zu treffen hat, sind den Mitgliedern des Finanzausschusses grösstenteils fremd. Lediglich Wolfgang Kleudgen konnte im Umdenken bei der CDU etwas Wertvolles entdecken. Linken-Stadtrat Jürgen Locher ahnt, dass es im Falle eines weiteren Valentino-Sieges zu einem Schwarze-Peter-Spiel kommen wird und baute dafür schon mal vor: “Wir haben zugestimmt, weil die Satzung vom Städtebund abgesegnet war. Wir haben nichts schuldhaft verursacht”. Daher müsse man die Ergebnisse der Rechtsauseinandersetzungen abwarten. Für SPD-Fraktionschef Henschel hat sich “politisch nichts geändert”. Und juristisch könne man das im Ausschuss gar nicht diskutieren.

 

Dr. Drumm: “hoch schätzen!”

Dr. Drumm lobte die Fremdenverkehrsabgabe als “ehrlichsten Beitrag überhaupt”. Er wusste auch, wie man widerspenstigen Zeitgenossen, die wie Valentino keine Umsatzangaben machen, den Spass an ihrem Treiben nimmt: “Die müssen geschätzt werden, so hoch, dass die sich doch von sich aus melden”. Bürgermeister Heinrich wurde da noch blasser und versuchte mit dem Hinweis darauf, dass Strafschätzungen unzulässig sind, weitere Eigentore der kommunalen Selbstverwaltung zu vermeiden. SPD-Ortsparteichef Günter Meurer stellte fest, dass Emotionen beim Tourismusbeitrag fehl am Platze sind. Er glaubt nicht daran, “dass da einer was falsch gemacht hat”. Bisher habe kein Gericht gesagt, dass der Tourismusbeitrag in Bad Kreuznach fehlerhaft ist. Immerhin fiel ihm auf, dass die Richter mehr als vier Monate für ihre Entscheidung brauchten “warum auch immer”.

 

Meurer: “intimer Bereich”

Er sah einen “sogenannten Teilerfolg” nur deshalb, weil dem Gericht für eine andere Beurteilung des Falles “etwas gefehlt” habe. Immerhin räumte er ein, dass es für einen Unternehmer “schwierig” sei seine Umsatzzahlen zu nennen, weil das ein “intimer Bereich” ist. Bürgermeister Heinrich redet sich die Lage der Stadt mit einem Vergleich auf die Wegeausbaubeitragssatzung schön. Diese betreffend habe es vom OVG freundliche Hinweise gegeben “was eingebaut werden muss”. Bad Münsters Ortsvorsteherin Dr. Bettina Mackeprang betonte, der Erfolg Valentinos sei ein Einzelfall, der keine Aussage zulasse über die Satzung. Sie habe sich bei der Entscheidung über die Satzung im Stadtrat seinerzeit enthalten.

 

Dritter Weg ging unter

Zudem sei die Akzeptanz des Tourismusbeitrages im Stadtteil ganz anders (besser) als erwartet. Diesen Umstand konnte Dr. Michael Vesper leicht erklären. Der GuT-Geschäftsführer nahm als Auskunftsperson an der Finanzausschusssitzung teil und erklärte den nur geringen Widerstand in BME durch die langjährige Erhebung vor der Eingemeindung und die örtliche Anpassung an die “Kur- und Tourismusmonostruktur”. Sein Hinweis darauf, dass nicht alle Widerspruchsführer gegen die Abgabe selbst sind, sondern die Art und Weise der Erhebung und die Belastungsstruktur ablehnen, ging ebenso im wechselseitigen Schulterklopfern der Befürworter unter, wie der von ihm angedeutete “dritte Weg” als Kompromis zum Abwarten auf ein rechtskräftiges gerichtliches Ergebnis.

“Populistische Frechheit” im Finanzausschuss

Es ging um Fettabscheider. Und es wurde eklig. Schwer vorstellbar, dass Werner Klopfer und Wolfgang Heinrich noch einmal gute Freunde werden. Der CDU-Fraktionsvorsitzende bezeichnete am 5.6.18 im Finanzausschuss den von der Stadt bezahlten Mülldetektiv unter Namensnennung als “dubiose Figur”, warf der Verwaltung vor “Bürger durch Aktivitäten zu verunsichern” und die Aufgabe “nicht ordentlich abzuarbeiten”. Der Konter kam umgehend. Bürgermeister Heinrich verwahrte sich vehement gegen aus seiner Sicht grundlose Beschuldigungen gegen ihm unterstellte Mitarbeiter, personenbezogene Angriffe und drohte Klopfer den Rauswurf aus der Sitzung an.

 

“Unverschämtheit”

Dazu kam es aber nicht, weil der sich zurücknahm und die minutenlangen Belehrungen Heinrichs einfach an sich abprallen ließ. Klopfer musste sich anhören den Tatbetand der “populistischen Frechheit” verwirklicht zu haben, “unwürdig für ein Ratsmitglied”. Klopfers Angriffe seien eine “Unverschämtheit” und würden Konsequenzen haben. Der Bürgermeister verschwieg auch die Erklärung nicht, die er sich als Motivation für dessen “Aufregung und Bohei” zusammenreimte: “Wenn man andere Themen hat regt man sich nicht auf und lässt die Verwaltung arbeiten”. Klopfer verbat sich Unterstellungen und erklärte mehr Vertrauen zum Amtsleiter (Rainer Gerlach) als zu dessen Dezernenten (Bürgermeister Heinrich) zu haben.

 

“Sauerei”

Da war es 19.13 Uhr und Wolfgang Kleudgen mochte nicht mehr. Das Stadtratsmitglied verließ kopfschüttelnd die Sitzung. Heinrich war da aber immer noch voll in Fahrt und ließ Klopfer wissen “Sie haben es immer noch nicht verstanden, Sie wollen immer nur Ihre Klientel schützen”. Ein Geschäftsordnungsantrag beendete nach rund 45 Minuten die Wortschlacht. Dadurch sah sich Ratsmitglied Dr. Drumm benachteiligt. “Sauerei” schimpfte der Physiker, weil seine vor dem Antrag angezeigte Wortmeldung von Heinrich nicht anerkannt wurde. Zuvor hatte Dr. Drumm sich bereits mit Klopfer und dieser mit Erich Menger verbale Scharmützel geliefert, die durchaus Unterhaltungswert hatten, wenngleich die Kontrahenten bierernst und verbissen aufeinander losgingen.

 

“kein Schmerzensgeld”

“Ich brauche den Scheiss nicht, ich probiere einen Sachbeitrag zu liefern und werde unterbrochen” klagte Menger, nachdem ihn mehrere Kollegen wegen einer Wiederholung per Zwischenruf rügten. Als Menger dann beim Thema Fettabscheider eine zweite Wortmeldung machen durfte bevor Klopfer drankam, mutierte dieser zum Sitzungsleiter und rief “der Menger ist jetzt nicht dran”. Den Genossen aus Bad Münster schüchterte das nicht ein und er bestand auf seinem Wortbeitrag, was von Klopfer mit dem Kommentar versehen wurde “ja wenn sein Freund ihm das Wort gibt”, mit dem er auf den Übertritt des Bürgermeisters zur SPD anspielte. Da war es dann 19.16 Uhr und Wilhelm Zimmerlin ging. Nicht ohne die PressevertreterInnen mit dem Hinweis zu erfreuen “Schmerzensgeld gibt es keines”.

 

neu: gewerbliche Nutzung

In diesem rhetorisch-glitschigen Umfeld geriet das Sachanliegen mehrfach in den Hintergrund. Die Verwaltung überraschte die Ausschussmitglieder mit einer eilig zusammengeschusterten Tischvorlage vom 4.6.18 ohne Drucksachen-Nummer (die im Internet nicht veröffentlicht, aber den Zuhörern – wenn auch erst auf Nachfrage – zur Verfügung gestellt wurde). Bei deren kurzer Erläuterung zeigte sich eine breite Übereinstimmung im Ausschuss. Die entscheidende Änderung in der Satzung ist der Zusatz, dass die Pflicht zum Einbau von Fettabscheidern künftig auf Grundstücke mit “gewerblicher oder industrieller Nutzung” beschränkt werden soll. Die gültige Satzung kennt diese Einschränkung nicht, was in der Bevölkerung zu u.a. der Frage führte, warum eine Gaststätte mit 20 Sitzplätzen ein Gerät benötigt – und ein 60-Mietparteien Hochhaus mit vielfach höherem Fett- und Öleintrag nicht.

 

Normenkontrolle droht

Konkret warnte der Bürgermeister davor “Fallgruben” in die Abwassersatzung einzubauen. Er dachte an Ausnahmebestimmungen. Dabei könnte sich nun die bei einer Enthaltung einmütig verabschiedete Regel als solche erweisen. Denn die neu als Bedingung für den Fettabscheidereinbau vorgesehene “gewerbliche Nutzung” schützt zwar jetzt konkret private Haushalte. Aber damit werden künftig beispielsweise auch Häuser mit Ferienwohnungen fettabscheiderpflichtig (wie alle anderen gewerblichen Vermietungen auch von Wohnraum). Setzt die Stadt gegen diese und andere gewerbliche Nutzungen ihre neue Satzung nicht durch liegt ein Verstoss gegen den Gleichheitssatz vor. Und die neue Satzung macht es bis zu 12 Monate nach ihrer amtlichen Bekanntmachung möglich, diesen auf dem Weg über ein Normenkontrollverfahren gerichtlich bewerten zu lassen.

 

“Böhle” eliminiert

So könnte die kleinkarierte Klientelpolitik des Hotel- und Gaststättenverbandes zum Schutz “schwarzer Schafe” und / oder die Männerfreundschaft zwischen Bürgermeister Heinrich und DEHOGA-Chef Haumann für fast 30.000 Haushalte eine ganz konkrete Auswirkung nach sich ziehen. Aber kommt Zeit kommt Rat. Eilig ist die Sache jetzt nicht mehr. Während sich noch im April 2018 SPD, CDU, FDP, Gastronomieverband und andere im Stundentakt mit Anträgen, Kommentaren und Stellungnahmen zu Wort meldeten, räumte Heinrich schon eingangs des Tagesordnungspunktes ein, “wir haben das nicht hinbekommen – was kein Mensch kann – die Satzung komplett zu überarbeiten”. Die Verwaltung peilt daher das Jahresende 2018 als Frist für den entscheidenden Stadtratsbeschluss an. Bis dann fliesst noch viel Fett und Öl die Kanäle runter zum Klärwerk. Und der Beschluss vom 5.6.18 ist sicher schon Makulatur. So wie die “Böhle”, eine Wortschöpfung des Rechtsamtes, die in die Eilvorlage hineingerutscht war, aber rechtzeitig vor der Beschlussfassung eliminiert wurde. 

Stadtratssitzungen online? (II)

Keiner hat klar “Nein” gesagt. Ein uneingeschränktes “Ja” gab es aber auch nicht. Ausser von der Verwaltung. Die meint es offenbar ernst und möchte tatsächlich ermöglichen, dass Bürgerinnen und Bürger Sitzungen des Rates der Stadt und seiner Ausschüsse mit- bzw nachhören können. Das käme einem kommunalpolitischen Quantensprung gleich. Zwar gilt seit zwei Jahren das Landestransparenzgesetz und damit der Grundsatz der Öffentlichkeit für fast alle Sitzungen. Aber dort sind die Akteure oft unter sich. Manchmal beobachtet von Pressevertretern.

Mehr Information

Denen steht für eine mehrstündige Sitzung nur ein sehr begrenzer Platz für Berichterstattung zur Verfügung. Massenhaft interessante Details, Wortmeldungen, Kommentare und Verhaltensweisen der gewählten Mandatsträger werden daher den Bürgerinnen und Bürgern vorenthalten. Die haben zwar formal alle das Recht an den Sitzungen teilzunehmen. Aber wenn schon nur 15 der 50.000 Berechtigten kommen gibts keine Sitzplätze mehr. Der Antrag von Gaessjer FM die Sitzungen aufzuzeichnen und dann online für alle zum Anhören anzubieten (diese Seite berichtete am 1.6.18) stellt also eine echte Lösung für mehr Information dar. Und das für ganz wenig Geld.

“als Depp oder Idiot dastehen”

Doch statt heller Freude rief die Initiative der engagierten Mitbürger Marc Bremmer und Yuliyan Ilev
, aus dessen WG-Zimmer in der Engelsgasse gesendet wird, im Hauptausschuss am 4.6.18 die Bedenkenträger auf den Plan. SPD-Fraktionschef Andreas Henschel sprach sich zwar für das Projekt aus (“ich persönlich habe kein Problem damit”), brachte aber zum Ausdruck, dass die Meinungsbildung in der Genossen-Fraktion noch ausstehe. Wohin die laufen könnte sprach er offen aus: “Wir sind alle keine Profis und müssen dann gut überlegen, bevor man da als Depp oder Idiot dasteht”.

Erst in 2 Jahren?

Linken-Stadtrat Jürgen Locher machte Bedenken dagegen geltend nur mit Gaessjer FM zusammenzuarbeiten. Er schlug vor, dass die Stadt die Aufzeichnungen selbst fertigt und dann zur Verbreitung zur Verfügung stellt. Dagegen regte sich Widerspruch, weil das zwangsläufig mit erheblichen Kosten verbunden ist. Spontane Zustimmung erntete Locher dagegen für seine Anregung aus Gründen der Tonqualität die Mitschnitte erst im neuen Sitzungssaal zu ermöglichen. Dem widersprach nur das Ausschussmitglied Karl-Heinz Delaveaux. Der wiess darauf hin, dass es dann mit den Übertragungen ja noch “zwei Jahre” dauern könne, weil das Casinogebäude sich im Sanierungsumbau befindet.

Hauptsatzung ändern

Hermann Blaesius (Grüne) hält aus Datenschutzgründen Regelungen für die Einwohnerfragestunde und Verwaltungsmitarbeiter für erforderlich. Jürgen Eitel (FDP) sprach offen aus, was sich alle wünschten, denen die Dokumentation ihres kommunalpolitischen Schaffens suspekt erscheint: er regte, wie zuvor andere Redner, an sich Zeit zu nehmen und eine Arbeitsgruppe zu der Frage einzusetzen. Was das bedeutet weiss Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer und stellte zur Eindämmung weiterer Verzögerungsvorschläge klar: “Sie machen hier keinen Beschluss, dass Sie ab morgen abgehört werden!”. Und so wurde die Vorlage schliesslich bei 2 Enthaltungen angenommen: “Der Hauptausschuss bittet die Verwaltung 1. eine entsprechende Änderung der Hauptsatzung vorzubereiten, 2. mit den Verantwortlichen von Gaessjer FM ein Projekt auszuarbeiten”.

Um die dunkelsten Punkte bereinigt

Eine handvoll Zuhörer der Hauptausschusssitzung diskutierte nach dem Ende des öffentlichen Teils noch lange, was von den einzelnen Wortmeldungen zu halten ist. “Die machen sich Gedanken, wie sie in der Tonkonserve rüberkommen und bezeichnen sich diesbezüglich als “keine Profis” – treffen aber millionenschwere Entscheidungen, als ob sie das gelernt hätten”, war einer der Kommentare. Und in der Tat. Von der Chance die eigene Sachkompetenz via Aufzeichnung vielen Bürgerinnen und Bürger zu vermitteln, hatte kein einziges Ausschussmitglied gesprochen. Und davon – zumindest bei einer ganzen Reihe von Themen – schlicht überfordert zu sein natürlich auch nicht. Nur die Selbstdarstellung zählt. Aber nicht wie von GaessjerFM angekündigt “unkommentiert und uneditiert”, sondern dann doch lieber mit kleinen Lobhudeleien versehen, mindestens aber um die dunkelsten Punkte bereinigt.

Aus der Stein- in die Neuzeit

So klare Zustimmung wird im Hauptausschuss selten formuliert: “Längst längst überfällig” freute sich Mirko Kohl (CDU). Und Erich Menger (SPD) merkte an, “das könnte schon seit 10, 15 Jahren so sein”. Einstimmig votierte das Gremium am 4.6.18 für ein elektronisches Zeiterfassungssystem für die Stadtverwaltung. Bis heute dokumentieren die MitarbeiterInnen ihre Arbeitszeit manuell. “Steinzeit” lautete der Zwischenruf, als ITler-Chef Christian Burghard das jahrzehntelang praktizierte Verfahren beschrieb. Aus der tritt die Verwaltung nun direkt ein in die Neuzeit. 

Natürlich nicht von heute auf morgen. Und auch nicht alle auf einmal. Die erforderliche Hard- und Software wird erst einmal von rund 50 MitarbeiterInnen der Personal- und Hauptverwaltung getestet. Ein Vierteljahr lang wird sowohl manuell als auch elektronisch erfasst. “Verläuft die Testphase erfolgreich beabsichtigen wir einen Echtbetrieb des Systems und im Anschluss eine stufenweise Erweiterung der elektronischen Zeiterfassung auf weitere Dienststellen”, wird dazu in der Beschlussvorlage erklärt. Das werde rund 100.000 Euro kosten, die sich auf 3 Jahre verteilen.

 

Überwachung durch Vorgesetzte

Aber auch Einsparungen werden in Aussicht gestellt. 90.000 Euro koste die manuelle Erfassung bisher (“Es kommt einiges an Zeiterfassungszeit zusammen”), für die elektronische sollen es nur noch 22.000 Euro sein. Die Korrektheit der Angaben wird weiterhin durch die Vorgesetzten überwacht. Der Schritt vom Manuellen hin zum Digitalen könnte auch zu mehr Gerechtigkeit führen wünscht sich Andrea Manz (Grüne). Die frühere ehrenamtliche Beigeordnete hat aus dieser Tätigkeit konkrete Einblicke in interne Verwaltungsabläufe und weiss daher, dass Raucherpausen bisher nicht erfasst wurden und sprach diesen Punkt offen an.

Bad Kreuznacher Klagemauer

Auch in Bad Kreuznach steht eine Klagemauer. Dass heisst teilweise hängt sie. Ohne Stütze würde sie vielleicht schon liegen. Und genau das ist der Grund für die Klagen. Erst beim Landgericht hier in der Kreisstadt. Und jetzt beim Oberlandesgericht in Koblenz.

Geklagt hat der Eigentümer des grössten Teils des heute noch sichtbaren Mauerwerks. Und zwar gegen seinen Miteigentümer. Denn der soll Urheber des offensichtlich schlechten Zustandes der Mauer sein. Was dieser bestreitet. Anders als in Jerusalem hat die örtliche Klagemauer keine Jahrtausende alte Geschichte (das zugehörige Gebäude entstand in den dreiziger Jahren des letzten Jahrhunderts). Und es handelt sich auch nicht um einen Sakralbau, sondern um ein Wohnhaus mit früherer Gewerbeeinheit im Erdgeschoss. Ähnlich wie im Nahen Osten ist allerdings die Nutzung: die Mauer darf nur noch von aussen betrachtet werden. Das Betreten und Nutzen des Gebäudes ist seit Jahren baupolizeilich verboten.