“Gut lesen können die schlecht”

Der Tourismusbeitrag stand nicht auf der Tagesordnung. Aber weil der Öffentliche Anzeiger am 5.6.18 unter der Überschrift “Gericht kassiert Abgabe erst einmal wieder ein” berichtet hatte, liess Bürgermeister Heinrich nichts unversucht die Stadtverwaltung im Finanzausschuss ins rechte Licht zu rücken. Eigentlich wollte er aus “prozesstaktischen Gründen” nichts sagen. Und verteilte die Presseerklärung der Stadt. Aber dann brach es doch aus ihm heraus. “Ich bin sehr guten Mutes, dass wir obsiegen werden”.

 

“weitermachen wie bisher”

Heinrich, selbst Jurist, hat im Beschluss des Verwaltungsgerichtes (dieses Seite berichtete am 1.6.18 unter der Überschrift “Sieg! Verwaltungsgericht stoppt GuT”) “etliche Rechtsfehler” entdeckt. Und sieht daher “sehr gute Erfolgsaussichten” für die angekündigte Beschwerde. Bis über die vom OVG entschieden ist werde die GuT “weitermachen, als wäre nichts geschehen. Wir werden das weiter so durchziehen, wie bisher, weil das rechtmässig ist” kündigte Heinrich an. Bescheide würden weiter verschickt “und auch vollstreckt”. Kritikern aus den Reihen der CDU-Fraktion warf der Bürgermeister vor, “Sie wissen nicht, was sie wollen”. Die Christdemokraten hätten die Satzungen mit beschlossen und stellten diese nun in Frage.

 

Experte Menger

Als Experte für Verwaltungsgerichtsbeschlüsse outete sich Erich Menger. Der Genosse hat beim Lesen festgestellt, dass das Gericht die Bad Kreuznacher Satzungen “in keiner Passage in Frage gestellt hat”. Da konnte sich Antonio Valentino, der bei den Ausführungen des Bürgermeisters noch entspannt gelächelt hatte, einen Kommentar nicht verkneifen: “Gut lesen können die schlecht”. So muss es wohl sein. Denn wörtlich führte das Gericht aus: “Aus diesem Grund war die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Tourismusbeitragsvorausleistungsbescheid vom 22.11.17 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.5.18 anzuordnen, ohne dass es auf die zahlreichen weiteren Rügen des Antragstellers gegen die Satzung sowie die von der Antragsgegnerin vorgenommene Schätzung seines Umsatzes noch entscheidungserheblich ankam”.

 

Valentino begrüsst Beschwerde

Das Gericht stellt also klar, dass es “zahlreiche weitere Rügen” und die “Schätzung” gar nicht zu bewerten hatte, weil ihm ein von Valentino schon am 15.1.18 vorgelegtes Argument reichte. Damit haben die Koblenzer Richter der Stadt eine goldene Brücke zu einer erträglichen Niederlage gebaut: nämlich eine “nur” durch einen formalen Fehler statt durch einen qualifizierten Grundrechtsverstoss. “Zum Glück versteht das in der Stadtverwaltung keiner” freut sich Valentino. Er begrüsst, dass die GuT Beschwerde einlegt. Valentino weiss: wenn jetzt im Beschwerdeverfahren das Kalkulationsproblem von der GuT ausgeräumt werden würde, müssen die OVG-Richter seine anderen Argumente prüfen. Und abgesehen von der Kritik an der Art und Weise zu schätzen kann die Stadt dann nur noch verlieren, weil das OVG die Rechtswidrigkeit der Satzungen feststellt. “Damit steht dann schon im Herbst 2018, also viel viel schneller als im Normenkontrollverfahren oder in den Hauptsacheklagen fest, was die Stadt gravierend falsch gemacht hat”.

 

Schwarze-Peter-Spiel

Solch komplexe Überlegungen, zu denen ein Gastronom wohl nur in der Lage ist, weil er Tag für Tag unzählige differenzierte Einzelfallentscheidungen zu treffen hat, sind den Mitgliedern des Finanzausschusses grösstenteils fremd. Lediglich Wolfgang Kleudgen konnte im Umdenken bei der CDU etwas Wertvolles entdecken. Linken-Stadtrat Jürgen Locher ahnt, dass es im Falle eines weiteren Valentino-Sieges zu einem Schwarze-Peter-Spiel kommen wird und baute dafür schon mal vor: “Wir haben zugestimmt, weil die Satzung vom Städtebund abgesegnet war. Wir haben nichts schuldhaft verursacht”. Daher müsse man die Ergebnisse der Rechtsauseinandersetzungen abwarten. Für SPD-Fraktionschef Henschel hat sich “politisch nichts geändert”. Und juristisch könne man das im Ausschuss gar nicht diskutieren.

 

Dr. Drumm: “hoch schätzen!”

Dr. Drumm lobte die Fremdenverkehrsabgabe als “ehrlichsten Beitrag überhaupt”. Er wusste auch, wie man widerspenstigen Zeitgenossen, die wie Valentino keine Umsatzangaben machen, den Spass an ihrem Treiben nimmt: “Die müssen geschätzt werden, so hoch, dass die sich doch von sich aus melden”. Bürgermeister Heinrich wurde da noch blasser und versuchte mit dem Hinweis darauf, dass Strafschätzungen unzulässig sind, weitere Eigentore der kommunalen Selbstverwaltung zu vermeiden. SPD-Ortsparteichef Günter Meurer stellte fest, dass Emotionen beim Tourismusbeitrag fehl am Platze sind. Er glaubt nicht daran, “dass da einer was falsch gemacht hat”. Bisher habe kein Gericht gesagt, dass der Tourismusbeitrag in Bad Kreuznach fehlerhaft ist. Immerhin fiel ihm auf, dass die Richter mehr als vier Monate für ihre Entscheidung brauchten “warum auch immer”.

 

Meurer: “intimer Bereich”

Er sah einen “sogenannten Teilerfolg” nur deshalb, weil dem Gericht für eine andere Beurteilung des Falles “etwas gefehlt” habe. Immerhin räumte er ein, dass es für einen Unternehmer “schwierig” sei seine Umsatzzahlen zu nennen, weil das ein “intimer Bereich” ist. Bürgermeister Heinrich redet sich die Lage der Stadt mit einem Vergleich auf die Wegeausbaubeitragssatzung schön. Diese betreffend habe es vom OVG freundliche Hinweise gegeben “was eingebaut werden muss”. Bad Münsters Ortsvorsteherin Dr. Bettina Mackeprang betonte, der Erfolg Valentinos sei ein Einzelfall, der keine Aussage zulasse über die Satzung. Sie habe sich bei der Entscheidung über die Satzung im Stadtrat seinerzeit enthalten.

 

Dritter Weg ging unter

Zudem sei die Akzeptanz des Tourismusbeitrages im Stadtteil ganz anders (besser) als erwartet. Diesen Umstand konnte Dr. Michael Vesper leicht erklären. Der GuT-Geschäftsführer nahm als Auskunftsperson an der Finanzausschusssitzung teil und erklärte den nur geringen Widerstand in BME durch die langjährige Erhebung vor der Eingemeindung und die örtliche Anpassung an die “Kur- und Tourismusmonostruktur”. Sein Hinweis darauf, dass nicht alle Widerspruchsführer gegen die Abgabe selbst sind, sondern die Art und Weise der Erhebung und die Belastungsstruktur ablehnen, ging ebenso im wechselseitigen Schulterklopfern der Befürworter unter, wie der von ihm angedeutete “dritte Weg” als Kompromis zum Abwarten auf ein rechtskräftiges gerichtliches Ergebnis.