“Populistische Frechheit” im Finanzausschuss

Es ging um Fettabscheider. Und es wurde eklig. Schwer vorstellbar, dass Werner Klopfer und Wolfgang Heinrich noch einmal gute Freunde werden. Der CDU-Fraktionsvorsitzende bezeichnete am 5.6.18 im Finanzausschuss den von der Stadt bezahlten Mülldetektiv unter Namensnennung als “dubiose Figur”, warf der Verwaltung vor “Bürger durch Aktivitäten zu verunsichern” und die Aufgabe “nicht ordentlich abzuarbeiten”. Der Konter kam umgehend. Bürgermeister Heinrich verwahrte sich vehement gegen aus seiner Sicht grundlose Beschuldigungen gegen ihm unterstellte Mitarbeiter, personenbezogene Angriffe und drohte Klopfer den Rauswurf aus der Sitzung an.

 

“Unverschämtheit”

Dazu kam es aber nicht, weil der sich zurücknahm und die minutenlangen Belehrungen Heinrichs einfach an sich abprallen ließ. Klopfer musste sich anhören den Tatbetand der “populistischen Frechheit” verwirklicht zu haben, “unwürdig für ein Ratsmitglied”. Klopfers Angriffe seien eine “Unverschämtheit” und würden Konsequenzen haben. Der Bürgermeister verschwieg auch die Erklärung nicht, die er sich als Motivation für dessen “Aufregung und Bohei” zusammenreimte: “Wenn man andere Themen hat regt man sich nicht auf und lässt die Verwaltung arbeiten”. Klopfer verbat sich Unterstellungen und erklärte mehr Vertrauen zum Amtsleiter (Rainer Gerlach) als zu dessen Dezernenten (Bürgermeister Heinrich) zu haben.

 

“Sauerei”

Da war es 19.13 Uhr und Wolfgang Kleudgen mochte nicht mehr. Das Stadtratsmitglied verließ kopfschüttelnd die Sitzung. Heinrich war da aber immer noch voll in Fahrt und ließ Klopfer wissen “Sie haben es immer noch nicht verstanden, Sie wollen immer nur Ihre Klientel schützen”. Ein Geschäftsordnungsantrag beendete nach rund 45 Minuten die Wortschlacht. Dadurch sah sich Ratsmitglied Dr. Drumm benachteiligt. “Sauerei” schimpfte der Physiker, weil seine vor dem Antrag angezeigte Wortmeldung von Heinrich nicht anerkannt wurde. Zuvor hatte Dr. Drumm sich bereits mit Klopfer und dieser mit Erich Menger verbale Scharmützel geliefert, die durchaus Unterhaltungswert hatten, wenngleich die Kontrahenten bierernst und verbissen aufeinander losgingen.

 

“kein Schmerzensgeld”

“Ich brauche den Scheiss nicht, ich probiere einen Sachbeitrag zu liefern und werde unterbrochen” klagte Menger, nachdem ihn mehrere Kollegen wegen einer Wiederholung per Zwischenruf rügten. Als Menger dann beim Thema Fettabscheider eine zweite Wortmeldung machen durfte bevor Klopfer drankam, mutierte dieser zum Sitzungsleiter und rief “der Menger ist jetzt nicht dran”. Den Genossen aus Bad Münster schüchterte das nicht ein und er bestand auf seinem Wortbeitrag, was von Klopfer mit dem Kommentar versehen wurde “ja wenn sein Freund ihm das Wort gibt”, mit dem er auf den Übertritt des Bürgermeisters zur SPD anspielte. Da war es dann 19.16 Uhr und Wilhelm Zimmerlin ging. Nicht ohne die PressevertreterInnen mit dem Hinweis zu erfreuen “Schmerzensgeld gibt es keines”.

 

neu: gewerbliche Nutzung

In diesem rhetorisch-glitschigen Umfeld geriet das Sachanliegen mehrfach in den Hintergrund. Die Verwaltung überraschte die Ausschussmitglieder mit einer eilig zusammengeschusterten Tischvorlage vom 4.6.18 ohne Drucksachen-Nummer (die im Internet nicht veröffentlicht, aber den Zuhörern – wenn auch erst auf Nachfrage – zur Verfügung gestellt wurde). Bei deren kurzer Erläuterung zeigte sich eine breite Übereinstimmung im Ausschuss. Die entscheidende Änderung in der Satzung ist der Zusatz, dass die Pflicht zum Einbau von Fettabscheidern künftig auf Grundstücke mit “gewerblicher oder industrieller Nutzung” beschränkt werden soll. Die gültige Satzung kennt diese Einschränkung nicht, was in der Bevölkerung zu u.a. der Frage führte, warum eine Gaststätte mit 20 Sitzplätzen ein Gerät benötigt – und ein 60-Mietparteien Hochhaus mit vielfach höherem Fett- und Öleintrag nicht.

 

Normenkontrolle droht

Konkret warnte der Bürgermeister davor “Fallgruben” in die Abwassersatzung einzubauen. Er dachte an Ausnahmebestimmungen. Dabei könnte sich nun die bei einer Enthaltung einmütig verabschiedete Regel als solche erweisen. Denn die neu als Bedingung für den Fettabscheidereinbau vorgesehene “gewerbliche Nutzung” schützt zwar jetzt konkret private Haushalte. Aber damit werden künftig beispielsweise auch Häuser mit Ferienwohnungen fettabscheiderpflichtig (wie alle anderen gewerblichen Vermietungen auch von Wohnraum). Setzt die Stadt gegen diese und andere gewerbliche Nutzungen ihre neue Satzung nicht durch liegt ein Verstoss gegen den Gleichheitssatz vor. Und die neue Satzung macht es bis zu 12 Monate nach ihrer amtlichen Bekanntmachung möglich, diesen auf dem Weg über ein Normenkontrollverfahren gerichtlich bewerten zu lassen.

 

“Böhle” eliminiert

So könnte die kleinkarierte Klientelpolitik des Hotel- und Gaststättenverbandes zum Schutz “schwarzer Schafe” und / oder die Männerfreundschaft zwischen Bürgermeister Heinrich und DEHOGA-Chef Haumann für fast 30.000 Haushalte eine ganz konkrete Auswirkung nach sich ziehen. Aber kommt Zeit kommt Rat. Eilig ist die Sache jetzt nicht mehr. Während sich noch im April 2018 SPD, CDU, FDP, Gastronomieverband und andere im Stundentakt mit Anträgen, Kommentaren und Stellungnahmen zu Wort meldeten, räumte Heinrich schon eingangs des Tagesordnungspunktes ein, “wir haben das nicht hinbekommen – was kein Mensch kann – die Satzung komplett zu überarbeiten”. Die Verwaltung peilt daher das Jahresende 2018 als Frist für den entscheidenden Stadtratsbeschluss an. Bis dann fliesst noch viel Fett und Öl die Kanäle runter zum Klärwerk. Und der Beschluss vom 5.6.18 ist sicher schon Makulatur. So wie die “Böhle”, eine Wortschöpfung des Rechtsamtes, die in die Eilvorlage hineingerutscht war, aber rechtzeitig vor der Beschlussfassung eliminiert wurde.