P R E S S E E R K L Ä R U N G
6.6.18
Bezug: Pressemitteilung Nr. 102 / 101 der Stadt Bad Kreuznach vom 5. Juni 2018
Antonio Valentino freut sich auf die Beschwerde
Ich begrüsse es ausdrücklich, dass die Stadt Bad Kreuznach die GuT veranlasst gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes vom 28. Mai 2018 Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz einzulegen. Schon dieses Entscheidung zeigt, wie auch der Inhalt der Presseerklärung, dass die Stadt bis heute immer noch nicht erkannt hat, wie ernst ihre Lage ist.
Auch Nichtjuristen müssten doch verstehen, was das Verwaltungsgericht wörtlich ausgeführt hat: “Aus diesem Grund war die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Tourismusbeitragsvorausleistungsbescheid vom 22.11.17 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.5.18 anzuordnen, ohne dass es auf die zahlreichen weiteren Rügen des Antragstellers gegen die Satzung sowie die von der Antragsgegnerin vorgenommene Schätzung seines Umsatzes noch entscheidungserheblich ankam“.
Das Gericht stellt also klar, dass es “zahlreiche weitere Rügen” und die “Schätzung” gar nicht zu bewerten hatte, weil ihm ein von mir schon am 15.1.18 vorgelegtes Argument reichte. Damit haben die Koblenzer Richter der Stadt eine goldene Brücke zu einer erträglichen Niederlage gebaut: nämlich eine Niederlage “nur” durch einen formalen Fehler statt eine Niederlage durch einen qualifizierten Grundrechtsverstoss. Zum Glück für alle Widerspruchsführer versteht das in der Stadtverwaltung keiner. Denn nun muss das OVG im zweiten Anlauf in der Sache mehr klären.
Ich habe von Anfang an, seit 2015, mit offenen Karten gespielt. Ich habe zB nie gesagt, dass ich nichts bezahlen möchte. Ich habe immer anerkannt, dass jene, die von steuerfinanzierten Werbemassnahmen profitieren auch etwas zurückgeben sollen. Denn warum sollten Michelinarbeiter, Arzthelferinnen und Verkäuferinnen mit ihrer Steuer anteilig die Gewinne von Hotels subventionieren? Aber es muss doch die Relation stimmen. Es gibt Gastronomiebetriebe, denen die Stadt im fussläufigen Bereich eine Sauna und eine Kurtherme hinstellt samt Eintritts-Sonderkonditionen, einen Sole-Zerstäuber, einen Park und vieles mehr. Diese Häuser werben sogar mit diesen Annehmlichkeiten. Und es gibt wie in den Stadtteilen Winzenheim, Planig, Bosenheim und Ippesheim eine dreistellige Zahl von Gastronomiebetrieben, die bekommen NICHTS. Nicht nur nichts vergleichbares. Nicht nur nicht fussläufig entfernt. Sondern einfach nichts. Und trotzdem sollen alle auf den Euro Umsatz den exakt selben Beitrag bezahlen. Das lehne ich ab.
Und auch jetzt sage ich ganz offen, wie ich die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes verstehe. Mein deutsch mag nicht so gut sein, wie ich koche. Aber ich kann einigermassen lesen. Und in der Selbstdarstellung des Verwaltungsgerichtes lese ich: “Das Verwaltungsgericht – der Mittler zwischen Staat und Bürger. Verfahren vor dem Verwaltungsgericht betreffen die Rechtsbeziehungen des Staates zu seinen Bürgern. Es handelt sich also um Auseinandersetzungen zwischen natürlichen Personen – dem einzelnen Bürger – und juristischen Personen einerseits und den Behörden andererseits.”
Ich verstehe das so: das Verwaltungsgericht soll – anders als zB die Zivilgerichte – Brücken bauen. Auch mal einen Wink mit dem Zaunpfahl geben. In jedem Fall aber ermöglichen, dass BürgerInnen und Kommunen besser miteinander auskommen. Das bedeutet für mich: wenn ein Verwaltungsgericht eine Möglichkeit sieht eine Kommune nicht ganz so krass verlieren zu lassen, dann wird es diese Möglichkeit wählen. Und genau das hat die Kammer unter dem Vorsitzenden Richter Holly getan. Vielleicht hat es deshalb auch so lange gedauert, bis sie den Weg gefunden haben: eine goldene Brücke in Form einer Niederlage mit dem geringst möglichen Schaden.
Was wird nun im Beschwerdeverfahren geschehen? Die Stadtverwaltung tut so, als müsse sie nur die Kalkulationsunterlagen nachreichen und dann wäre alles gut. Welch eine grandiose Fehleinschätzung. Selbst wenn es der Stadt gelingen würde dem OVG eine Kalkulation glaubhaft zu machen (da müsste die Stadt aber noch ein paar hohe Hürden nehmen). Dann hätte sie eines ihrer 24 Probleme in dieser Sache gelöst. Bleiben noch 23. Und das OVG ist gezwungen die alle eins nach dem anderen durchzugehen. Diese 23 Probleme teilen sich in zwei Gruppen. In das Thema “Schätzung” und in 22 Probleme, die zur Bewertung “rechtswidrig” führen können, also die jeweilige Satzung und die Umsetzung betreffen.
Kommt das OVG beim Thema Schätzung auch nur zu ähnlichen Ergebnissen wie mein Steuerberater bedeutet dies doch eine beispiellose Blamage für die Stadt. Dann müsste das OVG einer 38-Millionen-Euro-Profiverwaltung sagen: ein Gastronom weiss es besser als ihr. Also nicht wie man eine torta Saint Honoré kreiert. Sondern wie man einen Beitragsbescheid schätzt. Wie man es nicht machen darf habe ich der GuT bereits am 28.11.17 geschrieben. Wenn es so käme, wenn also ein Gastronom hochspezifische Verwaltungstätigkeiten fachlich besser beurteilt, als die dafür ausgebildeten und hochbezahlten Fachjuristen: wie soll die Bevölkerung diese Leute danach noch ernst nehmen, wenn bei anderen Vorschlägen aus der Bürgerschaft deren Zeigefinger hochschnellt? Also unterstellen wir für heute einfach, dass das OVG sich in bester Absicht nicht die Schätzung greift.
Sondern den Gleichheitssatz (mit 14 relevanten Unterfällen). Oder das Äquivalenzprinzip. Oder das Rückwirkungsverbot. Oder den Grundsatz der konkreten Vollständigkeit. Oder den der Abgabengerechtigkeit. Oder den der relativen Binnengerechtigkeit. Und und und. Eben all die Vorschriften für grundgesetzlich geschützte Güter. Das OVG muss dann also urteilen, ob und wie die Stadtverwaltung die elementarsten Rechtsgüter verletzt hat – und stellt dann die Rechtswidrigkeit der Satzungen fest. Schon dieses Urteil für sich wird wegen der grossen Zahl der Bürgerinnen und Bürger, die von Anfang an Zweifel angemeldet haben, hohe Wellen schlagen. Aber dabei bleibt es nicht: Mit dem Beschluss des OVG im Beschwerdeverfahren steht dann bereits im Herbst 2018, also viel viel schneller als im Normenkontrollverfahren oder in den Hauptsacheklagen fest, was die Stadt gravierend falsch gemacht hat. Und das ist dann nicht mehr irgend eine gerichtliche Entscheidung, bei der die Stadt auf eine Erlösung hoffen darf durch den Papst, den Ausserfriesischen oder das sprichwörtliche Loch im Boden.
Daher hat mir mein Steuerberater am 1.6.18 sinngemäss gesagt: “Antonio, wenn die einen guten Berater haben, dann werden diese Beschlüsse rechtskräftig. Und wenn die wollen, dass Du ein ganz Grosser wirst, dann gehen die ins Beschwerdeverfahren”. Ich wusste sofort: die Stadt meint es gut mit mir.
Antonio Valentino
P.S. Ach so, noch schnell zur Presseerklärung der Verwaltung. Absatz 2 Satz 1: es gibt kein Normenkontrollverfahren der Stadt. Es gibt zwei Normenkontrollverfahren gegen die Satzung vom 15.12.16 (und keines gegen die vom 15.10.15). Absatz 2 Satz 2: Das Gericht hat (siehe oben) ausdrücklich festgestellt, dass es sich mit den “zahlreichen weiteren Rügen” und der “Schätzung” gar nicht beschäftigen musste. Nur daher beurteilte es meine Argumente nicht. Absatz 2 Satz 3: Es gibt auch nicht nur eine Klage beim Verwaltungsgericht, es sind zwei. Absatz 3 Satz 1: Der Tourismusbeitrag wird erst ab dem 1.1.17 erhoben. Also wenn es jemals dazu kommt. Denn wie sie selbst berichtet haben wird er derzeit nicht erhoben. Daher kann nur geschätzt werden, wie hoch die Einnahmen werden können. Meine Rechnung liegt beim Gericht. Selbst wenn es eine Kalkulation für den Tourismusbeitrag gäbe, wo ist die für den Fremdenverkehrsbeitrag (Veranlagungszeitraum bis 31.12.16)? Fazit: die Presseerklärung ist genau so lieblos zusammengekloppt wie die Satzungen.