Stadt hat Kahlschlag auf der Schanze als “Verkehrssicherungsmaßnahme” getarnt

Ins Bild gesetzt und kommentiert von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Der Kahlschlag an mehreren Stellen im Salinental hat zu einem Massenprotest in der Bürgerschaft geführt. Dabei ist dort zumindest teilweise etwas gemacht worden, was schon vor Jahren transparent beraten und beschlossen wurde. Die lokalen Medien haben das damals auch berichtet. Trotzdem haben die kommunalpolitischen Gegner der Bau- und Baumfällmassnahmen seinerzeit keine aktive Unterstützung aus der Bürgerschaft erhalten. Offensichtlich empören sich durchschnittliche Wutbürger*Innen eben lieber über in den Brunnen gefallene Kinder, statt deren Sturz rechtzeitig durch eigenes Handeln zu verhindern. Diesen Vorwurf müssen sich jene, die heute kritisieren, schon gefallen lassen:

Wo bis zur letzten Woche noch viele Bäume und dichtes Buschwerk standen, ist es jetzt kahl. Kaum ein Grashalm steht noch, weil schwere Maschinen alles abgeholzt und plattgewalzt haben.

An keiner einzigen öffentlichen Sitzung, in der das alles bekannt gemacht wurde, hat auch nur eine(r) von ihnen teilgenommen. Dabei fand ein Teil davon wegen Corona sogar digital statt. Man / frau hätte also nur am Smartphone mithören müssen … Ganz anders liegt der Fall mit dem Kahlschlag auf der Schanze der historischen Stadtmauer zwischen Hochstrassenparkplatz und Casinogarten. Auch hier gab es auf den t-s-n-Exklusivbericht zahllose emotionale Reaktionen. Die einhellig das Plattmachen dutzender Bäume und Gehölze verurteilen. Diese Erregung ist nicht nur in der Sache, sondern auch wegen der Verfahrensweise sehr berechtigt.

Der Auszug aus der Denkmaltopografie beweist: Stadtmauer und Schanze stehen unter Denkmalschutz. Leider nur auf dem Papier. In der Praxis wurde die Abholzung vieler hundert Quadratmeter Wald und Büsche genehmigt.

Denn die Stadtverwaltung hat ihr Vorhaben dort – anders als im Salinental – weder angekündigt noch vorgestellt. Es gibt keinerlei Beschlüsse eines zuständigen städtischen Gremiums (Planungsausschuss, Stadtrat). Nicht einmal Planunterlagen. Wie schwer sich die Stadtverwaltung damit tut, diesen Kahlschlag zu erklären, wird daran deutlich, dass die entsprechende Presseanfrage dieser Seite seit vier Tagen unbeantwortet ist. Auskunftsfreudiger als die Stadt- ist die Kreisverwaltung. Auch die ist in das Vorgehen der Stadt verstrickt. Weil dort der Denkmalschutz angesiedelt ist. Was selbst viele Stadtratsmitglieder nicht wussten:

Jahrzehntelang war dieser Blick gar nicht möglich, weil die früher vom Rechtsamt der Stadt genutzte Baracke bis zu ihrem Abriss dies verhinderte. Dabei ermöglicht die jetzt freie Sicht- anders als der auf der Ostseite – wertvolle Erkenntnisse auf die unterschiedlichen Bauphasen der historischen Stadtmauer. Leider hat es die Stadtverwaltung (trotz eines schriftlichen Hinweises der Redaktion dieser Seite) bis heute nicht geschafft wenigstens per Schild auf die Bedeutung dieser Örtlichkeit hinzuweisen.

Nicht nur die Stadtmauer, auch die nördlich an ihr vor hunderten von Jahren als Wehranlage aufgeschüttete “Schanz” ist denkmalgeschützt. Als “bauliche Gesamtanlage”. Was bedeutet: auch Baumfällarbeiten durften dort ohne Genehmigung nicht durchgeführt werden. Eine solche hat die Stadtverwaltung auch beantragt. Mit einer Begründung, die eigentlich in der Bevölkerung zu einem Aufruhr und in der öffentlichen Stadtratssitzung am kommenden Donnerstag (29.2.2024, 17:30 Uhr) zu einem Proteststurm führen müsste. Wie die Kreisverwaltung der Redaktion dieser Seite schriftlich mitgeteilt hat, wurde die Notwendigkeit für das Kettensägenmassaker allen Ernstes als “Verkehrssicherungsmaßnahme” beschrieben.

Dr. Marlene Marthaler und Wilfried Maus vom Verein Denk-mal: Bad Kreuznach e.V. für Denkmal- und Umweltschutz werben für eine Sichtbar- und Zugänglichkeitsmachung der Stadtmauer. Auf dem Grünstreifen südlich der Stadtmauer wurden Bäume gefällt bzw stark gekürzt. Das verbessert allerdings nicht den Blick auf die Mauer, sondern nur den von auf der Mauer über das Stadtgebiet. Und hat mit Verkehrssicherung nullkommanichts zu tun. Aber Papier ist ja geduldig…

Die wenigen Personen, die sich wie unser Fotograf (dieser im Jahr 2021) durch das dichte Gestrüpp auf der “Schanz” durchgeschlagen haben, wissen: abgesehen von sehr privaten tête-à-tête’s hat es dort schon wegen dem dichten Bewuchs zu keiner Zeit Verkehr im Sinne der Strassenverkehrsordnung pp gegeben. Es handelte sich viel mehr um ein viele hundert Quadratmeter grosses Wäldchen mit dichtem Busch- und Gehölzbewuchs. Den Kahlschlag dort als “Verkehrssicherungsmaßnahme” zu kaschieren, übertrifft in seiner Dreistigkeit noch die Lügen der russischen Regierung zu Folter und Mord an Alexej Nawalny.

Ihre Genehmigung erklärt die Kreisverwaltung weiter wie folgt: “das Gartengelände unterliegt als Teil der im 16. Jahrhundert erweiterten Stadtbefestigung den Regelungen des Denkmalschutzes. In der von der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz geführten Denkmalliste wird in der Beschreibung zur Stadtbefestigung von Bad Kreuznach erläutert, dass von der Ringmauer um die Neustadt u.a. das Mauerstück der „Schanz“ mit Graben erhalten ist und somit ein geschütztes Kulturdenkmal im Sinne des Denkmalschutzgesetzes darstellt.

Die Stadtverwaltung Bad Kreuznach hat die untere Denkmalschutzbehörde im Vorfeld der Rodungsmaßnahme darüber informiert, das im Rahmen notwendiger Verkehrssicherungsmaßnahmen abgestorbene oder kranke Bäume entfernt werden. Aus Sicht der unteren Denkmalschutzbehörde führen die Verkehrssicherungsmaßnahmen nicht zu einer Beeinträchtigung des Denkmalwertes des Reststückes der im 16. Jahrhundert errichteten bzw erweiterten Stadtbefestigung „Mauerstück mit Schanz und Graben“. Daher bestanden aus denkmalschutzrechtlicher Sicht keine Bedenken gegen die Maßnahme”.

Das ganze Areal (Parkplatz Hochstrasse, altes Jugendamtsgebäude, historische Stadtmauer, Casinogebäude, die “Schanz”, Privatparkplatz der Stadtverwaltung, Else-Liebler-Haus und der Casinogarten) ist öffentlich zugänglich. So dass alle, die sich dafür interessieren, sich etwa am Wochenende beim Sonntagsspaziergang ein eigenes Bild von der Lage machen können. Zu Wort gemeldet haben sich auch die tatsächlichen Denkmalschützer vom Verein Denk-mal: Bad Kreuznach e.V. für Denkmal- und Umweltschutz. Der von Dr. Marlene Marthaler und Wilfried Maus geführte ehrenamtlich tätige Verein ist den Freunden historischer Bausubstanz erstmals 2019 durch sein Engagement für die Villa Streicher bekannt geworden.

In den Jahren 2021 und 2022 setzte sich die Gruppe für die Zugänglichmachung der Stadtmauer-Reste am gleichnamigen Gymnasium ein. Und erreichte erstmals seit Jahrzehnten das Zugeständnis des Landkreises als Grundstückseigentümer auf Zugänglichmachung der rund 800 Jahre alten mittelalterlichen Verteidigungsanlage. Im selben Jahr war es der Denk-mal-Verein, der die Entdeckung des “Dicken Turmes” in der Baugrube Salinen- Ecke Schlossstrasse öffentlich machte. Und auch auf die dort freigelegten neolithischen Funde aus der Jungsteinzeit hinwies. Dr. Marlene Marthaler und Wilfried Maus ist es ein Herzensanliegen, die noch vorhandenen Relikte der Stadtgeschichte für nachfolgende Generationen zu erhalten.

Die historische Stadtmauer, deren Reste an vielen Stellen im Stadtgebiet verteilt noch heute sichtbar sind (u.a. Mühlenstrasse, Gymnasium an der Stadtmauer, Schlosspark Nähe Zwingel, Matthäushof und eben der Mauerrest zwischen Casinogebäude und Jahnhalle in der Hochstrasse) ist in den Augen der engagierten Denkmalschützer ein vorzüglich geeigneter Gegenstand, um Geschichte sichtbar und erlebbar zu machen. Seit Jahren weisen Marthaler und Maus darauf hin, dass wichtig wäre, die bisher an verschiedenen Stellen vorhandenen Informationen und Dokumente zusammenzuführen. Und sowohl der Bevölkerung als auch den Touristen zugänglich zu machen.

Und zwar über die aktuell bereits von der GuT (Gesundheit und Tourismus für Bad Kreuznach GmbH) hinaus angebotenen Führungen hinaus. Nämlich als jederzeit für Einheimische und Gäste verfügbare digitale Variante, wie sie etwa von dem Unternehmen “Lauschtour” angeboten wird: “Ein guter Audioguide lenkt den Blick auf spannende Details, vermittelt Wissen und weckt Neugier. Eine Bereicherung für neugierige Entdecker!” Ausdrücklich loben Dr. Marlene Marthaler und Wilfried Maus den Heimatforscher Steffen Kaul, der mit seinem Engagement viel dafür geleistet habe, dass immerhin ein Teil der ortsansässigen Bevölkerung über diese Aspekte der Stadtgeschichte informiert ist.

Ihre Ideen und Anregungen auch zur Stadtmauer am Hochstrassenparkplatz haben Marthaler und Maus der Stadtverwaltung mehrfach, zuletzt mit Schreiben vom 8. Januar 2023, mitgeteilt. Trotz verschiedentlicher Erinnerungen hat sich seit dem nichts getan. Eine schriftliche Antwort gibt es bis heute nicht. Woran das liegen könnte, macht folgender Sachverhalt deutlich. Nicht an den Denk-mal e.V., sondern an den Altstadtverein ist eine Einladung des Stadtbauamtes gerichtet. Dessen Leiter Eduard Schuckmann trifft sich am heutigen Freitag (23.2.2024) mit Altstadt-Vereins-Vorsitzender Mariana Ruhl und anderen Neustadt-Förderern.

Thema ist u.a. die “Schanz” und was aus ihr werden soll / könnte. Während also jene, die der Stadtverwaltung konkrete fachlich fundierte Vorschläge gemacht haben, von dieser nicht als gesprächswürdig erachtet werden, erfolgt hinter dem Rücken der städtischen Gremien eine Kontaktaufnahme mit Dritten. Verantwortlicher Baudezernent ist Oberbürgermeister Emanuel Letz, bis zum Sommer 2022 Vorsitzender des FDP-Stadtverbandes. Mariana Ruhl ist Vorsitzende der FDP-Stadtratsfraktion. Vermutlich haben jene, die da eine parteipolitische Liaison vermuten, einfach nur viel zu viel Fantasie. Und all das hat mit der Kommunalwahl am 9. Juni 2024 natürlich gar nichts zu tun …