Stadtrat besetzt Ausschüsse und Aufsichtsräte neu

Der Versuch einer Erklärung unseres Redakteurs
Claus Jotzo

Für die Spitzen der acht Fraktionen im Rat der Stadt beginnt die Sitzung heute schon eine Stunde früher. Grund ist ein “Vorgespräch”, zu dem Oberbürgermeister Emanuel Letz geladen hat. Nichtöffentlich. Einziges Thema: die “bessere Planung der Stadtratssitzung”. Eine öffentliche Sitzung wird also nichtöffentlich vorbereitet. Von einer Gesprächsrunde, die es nach der rheinland-pfälzischen Gemeindeordnung (GemO) gar nicht gibt. Ein Rechtsbruch gleich im doppelten Sinne. Tatsächlich, das ergibt sich aus dem von Hauptamtsmitarbeiter Jürgen Cron “im Auftrag” unterzeichneten Schreiben, geht es allein die Neubesetzung der Ausschüsse und Aufsichtsräte.

Verlangt wird diese vom Gesetz. Für viele der 44 wahlberechtigten Stadtratsmitglieder (der OB hat dabei kein Stimmrecht) handelt es sich um eine unbeliebte Pflichtübung. Und daher wurden bereits in der offiziell für die Vorbereitung stattgefundenen Sitzung des Hauptausschusses am 19. Februar mehrere Modelle angeführt, wie diese Neuwahl durchgeführt werden kann. Stadtratsmitglied Mirko Helmut Kohl (CDU) war vor 10 Tagen der erste, der die rechtlich drei möglichen Varianten in der konkreten Beratungssituation korrekt definierte: eine Neuwahl auf dem Weg eines “gemeinsamen Wahlvorschlages”, der die aktuelle Besetzung einmütig bestätigt.

Die zweite Variante besteht in Form eines “gemeinsamen Wahlvorschlages”, der die der AfD zustehenden Sitzgewinne einmütig berücksichtigt. Und schliesslich eine Wahlhandlung, bei der Gremium für Gremium in der Weise neu besetzt wird, in dem die elf Wahlvorschlagsträger der Kommunalwahl 2019 (CDU, SPD, Grüne, AfD, FDP, Linke, Freie Wähler, Faire Liste, FWG, PBK und BüFEP) Vorschläge machen dürfen. Und darüber abgestimmt wird. Die Sitzverteilung richtet sich dann nicht nach dem Stärkeverhältnis bei der Kommunalwahl vom 26. Mai 2019. Sondern ausschliesslich nach den heute jeweils abgegebenen und ausgezählten Stimmen.

Stadtratsmitglieder, die heute nicht anwesend sind, können keine Stimme abgeben. Die fehlt demzufolge jener Partei oder Wählervereinigung, der sie angehören oder die sie unterstützen. Eine weiterer Problemfaktor ist: nur die elf Wahlvorschlagsträger dürfen Vorschläge machen. Nicht vorschlagsberechtigt sind z.B. Bianca Steimle, die bei den Linken aus- und beim Bündnis Sahra Wagenknecht eingetreten ist, Jürgen Eitel (der von der FDP zu den Freien Wählern wechselte) und Wolfgang Bouffleur (der zunächst von der SPD zur FDP wechselte und seit Monatsbeginn parteilos ist). Wählen darf allerdings jeder jeden.

Das ist deshalb von Bedeutung, weil es insbesondere für die drei grossen Parteien CDU, SPD und Grüne bei bestimmten Anwesenheitszahlen nicht darauf ankommt, ob sie eine Stimme mehr oder weniger bekommen. Der frühere SPD-Co-Fraktionsvorsitzende Holger Grumbach hat das bei der letzten Ausschussneuwahl vorgemacht. Seine damalige Partei benötigte seine Stimme nicht. Weshalb er für die Grünen votierte und denen damit einen Gremiensitz sicherte, der so nicht an andere gehen konnte. In der selben Situation befinden sich Karl-Heinz Delaveaux (FWG) und Stefan Butz (PBK). Sie sind Stadtrats-Solitäre und gehören keiner Fraktion an. Und mit nur ihrer jeweils eigenen Stimme können sie einen eigene Wahlvorschlag, zu dem beide berechtigt sind, nicht erfolgreich machen.

Denn mit einer einzelnen Stimme im Stadtrat gibt es normalerweise in keinem Ausschuss oder Aufsichtsrat einen Sitz. Aber beide können Absprachen treffen nach dem Motto: “Du wählst mich da, ich wähle Dich dort”. Und damit ganz legal Ausschusssitze erlangen, die sonst anderen kommunalpolitischen Mitbewerbern zufallen würden. Welche Optionen praktisch bestehen, steht aus den angedeuteten Gründen erst fest, wenn die Anwesenheit beim entsprechenden Tagesordnungspunkt feststeht. Die vom Gesetz vorgesehene Wahl ist also ein Vorgang mit vielen Fragezeichen und Risiken. Was erklärt, warum daran kaum jemand Interesse hat. Und viele einen “gemeinsamen Wahlvorschlag” wünschen. Nach dem Motto “lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach”.

Die Einladung der Stadtverwaltung für die Geheimsitzung im Wortlaut:

“Sehr geehrte Damen und Herren, beigefügt erhalten Sie nochmals eine Übersicht der Änderungen der Sitzverteilungen in den städtischen Ausschüssen und Aufsichtsräten. Diese soll dazu dienen, einen gemeinsamen Wahlvorschlag aller politischen Gruppierungen im Stadtrat zu ermöglichen. Nach Rücksprache mit dem Fraktionsvorsitzenden der AfD, Herrn Fechner, hat dieser mitgeteilt, einem einheitlichen Wahlvorschlag zuzustimmen, wenn die AfD die in den beigefügten Entwürfen zustehenden Sitze erhält.

Damit die anderen Ausschüsse besetzt werden können, sind entsprechende Gespräche der anderen Fraktionen im Stadtrat untereinander notwendig. Hierfür wurden Anmerkungen der Verwaltung bei den einzelnen Ausschüssen gefertigt. Ebenfalls aufgeführt sind die bis heute bekannten geplanten Sitzungstermine der Ausschüsse. So finden nach heutigem Stand, in 6 Ausschüssen überhaupt keine Sitzungen mehr bis 30.06. statt. Hier wäre es hilfreich, wenn man sich darauf einigt, in diesen Ausschüssen keine Veränderungen vorzunehmen. Die Verwaltung benötigt in jedem Fall eine Liste aller politischen Gruppierungen über die geplanten Ausschussbesetzungen.

Bei Einigkeit untereinander, können das natürlich die bisherigen Ausschussmitglieder sein. Zu besseren Planung der Stadtratssitzung, lädt der Oberbürgermeister alle obigen Adressaten (oder deren Vertreter) zu einem Vorgespräch am Donnerstag, 29.02.2024 um 16.30 Uhr in den Raum 2.65 im Kornmarkt 5 ein. Der Zugang zum Besprechungsraum befindet sich auch über den Eingang zum Ratssaal im Kornmarkt. Für weitere Fragen, stehen wir selbstverständlich gerne zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen Im Auftrag Jürgen Cron”

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