Gewobau zahlte Mondpreis für Grundstück und fordert jetzt Entschädigung von der Stadt

Kommentiert von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Der Tagesordnungspunkt in der nichtöffentlichen Sitzung des Grundstücksausschusses am morgigen Montag (5.1.2024) liest sich unverdächtig: “Erwerb eines Grundstücks in der Gemarkung Bad Kreuznach, Flur 45, Flurstück 150, von der Gewobau”. Entsprechende Geschäfte zwischen der Stadt und ihrer eigenen Wohnungsbaugesellschaft werden mehrfach im Jahr abgewickelt. Die Begründung macht dann deutlich, das an diesem Kaufgeschäft allerdings nichts normal ist. Der Hintergrund der aktuellen Problematik reicht Jahrzehnte zurück. Schon damals war die Stadtkasse leer.

Die damaligen Mehrheitsfraktionen von CDU und SPD entwickelten daher Ende des vergangenen Jahrtausends die Idee, durch die Schaffung zusätzlichen Wohnraumes vor allem durch den Neubau von Einfamilien-, Reihenhäusern und Eigentumswohnungen einkommensstarke neue Einwohner*Innen nach Bad Kreuznach zu locken. Und so dauerhaft höhere Steuereinnahmen zu erzielen. Als neue Wohngebietsentwicklungsfläche wurde der Galgenberg ins Auge gefasst. Schnell wurde klar: die Erschliessung dort wird teuer. Wegen der Hanglage. Und wegen mehrerer Grundwasseradern, die dicht unter der Oberfläche verlaufen.

Zudem würden die Steuereinnahmen ja erst in Jahren fliessen. Das Geld brauchte die Stadt aber sofort. Daher wurden dort belegene Grundstücke im Millionenwert an die Gewobau verkauft. Und die Wohnungsbaugesellschaft zum Erschliessungsträger mutiert. Nachdem der erste Bauabschnitt erfolgreich abgewickelt war, erfolgte im Jahr 2015 der Abschluss des Erschließungsvertrages für den zweiten Bauabschnitt. In der Beschlussvorlage für den Grundstücksausschuss wird das wie folgt dargestellt: “die Gewobau verpflichtete sich, die Erschließungsanlagen in dem Umfang, der sich aus der von der Stadt genehmigten Ausbauplanung ergibt, mangelfrei herzustellen.

Zu den Erschließungsanlagen zählen u.a. das Regenrückhaltebecken sowie das Kanalsystem”. Und dann wird der entscheidende Sachverhalt fast schon verharmlosend dargestellt: “die Ankäufe der notwendigen Grundstücke gestalteten sich schwieriger als gedacht”. Immerhin wird der Grund dafür konkret benannt: die privaten “Eigentümer haben aus den nicht öffentlichen Sitzungen der städtischen Gremien die Quadratmeterpreise für die Bauplätze erfahren”. Daher habe “die Stadt aufgrund der hohen Forderungen der privaten Eigentümer einige Grundstücke nicht erwerben” können.

Darunter auch das jetzt in Rede stehende Flurstück Nr. 150. Der Eigentümer, ein bekannter Winzer, wusste: sein Grundstück war von großer Bedeutung, “da dieses zwingend zur Entwässerung benötigt wurde”. Dann folgt die Erklärung, die jeder Steuerzahlerin die Zornesröte in Gesicht treiben müsste: statt den stadtschädlichen Verschwiegenheitsbruch öffentlich zu machen und eine alternative abwassertechnische Lösung zu suchen, “hat die Gewobau das Grundstück zu einem deutlich höheren Kaufpreis (199.647 Euro) erworben”. Verantwortlicher Geschäftsführer dort war damals (wie heute) Karl-Heinz Seeger.

Als Vorsitzende des Gewobau-Aufsichtsrates fungierte die damalige Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer. Jetzt, Jahre später, fordert die Gewobau “eine Entschädigung / Rückzahlung der damaligen Grunderwerbskosten”, teilt die Stadtverwaltung dem Grundstücksausschuss mit. Obwohl diese sowohl für die Ausgangslage verantwortlich ist als auch den konkreten finanziellen Druckvorgang durch Verstösse gegen die Vorschriften der Gemeindeordnung begünstigt hat, macht die sich jetzt einen schlanken Fuss. Und stellt fest:

“Nach eingehenden Verhandlungen kann die Stadt lediglich den zu dem Stichtag 5.3.2016 ermittelten Verkehrswert in Höhe von rund 94.328 Euro (28 €/m²) + 1.574 Euro Entschädigung wegen Rebaufwuchs und 4.021,83 Euro Erwerbsverlust durch vorzeitige Pachtaufhebung) an die Gewobau zahlen. Diesen Kaufpreis hat die Stadt damals auch dem privaten Eigentümer geboten”. Um Licht in das Dunkel dieses Grundstücksgeschäftes zu bringen, hat die Redaktion dieser Seite sowohl der Stadtverwaltung als auch der Gewobau eine Reihe von Fragen vorgelegt.

Auch wenn viele Fragen – bisher – unbeantwortet bleiben: darin gibt die Stadt in ihrer Antwort immerhin an, warum sie aktuell das Grundstück von der Gewobau erwerben möchte: “in dem Grundstück wurde ein Entwässerungskanal verlegt. Das Grundstück wird Eigentum der Stadt zur Sicherung der Abwasseranlagen. Es wurde ein Wirtschaftsweg darauf hergestellt und der landespflegerische Ausgleich der Baumaßnahme”. Damit ist auch klar: der Kaufpreis wird nicht aus allgemeinen Deckungsmitteln der Stadtkasse, sondern dem Gebührenhaushalt der Abwassereinrichtung bezahlt.

Dieser Umstand erklärt auch, warum die Stadtverwaltung wegen “nur” gut 100.000 Euro (an beispielsweise die städtische BGK GmbH fliessen Millionen) sogar einen Rechtsstreit mit ihrer eigenen Tochter-GmbH riskiert. Denn im Beitragsrecht haben die Beitragszahler Prüf- und Mitspracherechte. Mitarbeiter der Stadtverwaltung können sich unter Umständen wegen Untreue pp sogar strafbar machen, wenn sie Beitragsmittel allzu sorglos raushauen – wie dies bei den allgemeinen Deckungsmitteln leider immer wieder vorkommt. Die Gewobau teilt zu den Umständen des Grundstücksgeschäftes mit:

“Der Aufsichtsrat hat dem Ankauf des Grundstücks zum Bau der Kanaltrasse am 23. Oktober 2017 zugestimmt. Die Veräußerung des Grundstücks an die Stadt bedarf keiner Zustimmung des Aufsichtsrats”. Die Frage nach dem Zeitpunkt der Entfernung des Rebaufwuchs und der Dauer und Aufhebung des Pachtvertrages beantwortet die Gewobau wie folgt: “der Pachtvertrag sollte bis Ende 2020 laufen. Ein vorzeitiges Ende zum 15. Februar 2019 wurde vereinbart. Der Rebaufwuchs wurde noch in laufender Pachtzeit entfernt”, schreibt Rik Mayer, der Assistent der Geschäftsführung.