Stadt verstösst gegen Recht und Gesetz: kein Nachtragshaushalt in Sicht

Recherchiert und kommentiert
von Claus Jotzo

Laut dem Gesetz ist die Rechtslage eindeutig: “die Gemeinde hat unverzüglich eine Nachtragshaushaltssatzung zu erlassen, wenn sich zeigt, dass im Ergebnishaushalt ein erheblicher Fehlbetrag entstehen wird”, bestimmt § 98 Abssatz 2 der Gemeindeordnung (GemO). Genau dieser Fall liegt in Bad Kreuznach vor. Denn statt der im Stadthaushalt für 2024 vorgesehenen 35 Millionen Euro Einnahme aus der Gewerbesteuer liegt das Anordnungssoll bei nur 29,8 Millionen Euro: ein Loch von über 5,2 Millionen Euro in der Stadtkasse (diese Seite berichtete).

Würden in Bad Kreuznach Recht und Gesetz ernst genommen, müsste unverzüglich (= sofort, ohne schuldhafte Verzögerung) ein sogenannter Nachtragshaushalt beraten und verabschiedet werden. Auch für den gilt die gesetzliche Vorschrift, dass die Einnahmen so hoch sein müssen, wie die Ausgaben. Was bedeutet: entweder müssten die vorgesehenen Ausgaben um Millionenbeträge gekürzt werden. Oder die Grundsteuer und andere kommunale Steuern müssten erhöht werden. Beide Entscheidungen würden selbstredend zu Reaktionen bei den Betroffenen führen.

Kein Zweifel besteht daran, dass diese Einwohner*Innen bei der Kommunalwahl in gut zwei Monaten Denkzettel verteilen würden. Daher geschieht in Bad Kreuznach … nichts. Der dramatische Einbruch bei der Gewerbesteuer wird zwar pflichtschuldig als Mitteilungsvorlage bekanntgegeben. Aber von der gesetzlich geforderten Beratung eines Nachtragshaushaltes ist in den Unterlagen für die heutige Sitzung des Finanzausschusses (3.4.2024, 17:30 Uhr, Sitzungssaal im Verwaltungsgebäude Brückes 2 – 8) mit keinem Wort die Rede.

Die Ausrede der Nachtrags-Verweigerer ist schnell berichtet: die aktuell bekanntgegebene Gewerbesteuer-Sollstellung (29,8 Millionen am, 22.3.204) liegt zwar 5,2 Millionen Euro unter dem Haushaltsansatz. Aber das könne sich in den Sommermonaten ja noch ändern. Theoretisch stimmt das. Aber aus vielen guten Gründen schützt der Landesgesetzgeber die nachfolgenden Generationen vor den allzu optimistischen Hoffnungen der aktuell Verantwortlichen. Die schon aufgrund ihres Wiederwahl-Interesses mehr ans Heute als ans Morgen denken. Und bestimmt daher:

“Der Haushaltsplan ist nach den Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit aufzustellen und auszuführen”. Auch gilt der Grundsatz der Haushaltswahrheit und Klarheit. Das in Bad Kreuznach beliebte Schuldenmachen ist grundsätzlich unerwünscht. Zumal mittlerweile wieder erhebliche Schuldzinsen zu zahlen sind. Und damit steigende Schulden zu höheren Zinskosten führen. Und immer mehr des verfügbaren Stadtgeldes für Zins- und Tilgung ausgegeben werden muss. Auch andere Fakten sprechen für die schnellstmögliche Verabschiebung eines Nachtragshaushaltes.

Die aktuell Verantwortlichen sollten ihren Wähler*Innen reinen Wein einschenken. Und ihnen vor dem Kommunalwahl am 9.6.2024 die Wahrheit zu den desolaten Stadtfinanzen sagen. Der Versuch, sich mit finanzpolitsichen Lügen über den Wahltermin zu retten, sichert dem ein oder der anderen zwar möglicherweise ein Stadtratsmandat. Aber auf Kosten der Glaubwürdigkeit der Kommunalpolitik insgesamt. Die Kluft zwischen den Menschen und denen in den Ämtern und Verwaltungen wird immer grösser werden. Mit allen negativen Folgen.

Denn wie sollen diese Menschen zum Mitmachen in und Mitgestalten der Stadtgesellschaft und ehrenamtlichem Engagement motiviert werden, wenn sie vorher für den ein oder anderen Posten verraten und verkauft wurden? Noch eine ganze Reihe anderer Argumente sprechen für einen sofortigen Einstieg in Nachtragsberatungen. Diese nehmen wegen der gesetzlichen Anforderungen mehrere Wochen in Anspruch. Frühestens in der Stadtratssitzung Ende Mai kann der Nachtrag beschlossen werden. Da eine weitere Erhöhung der Gewerbesteuer kaum in Frage kommen dürfte, steht für siebenstellige Mehreinnahmen nur eine Erhöhung der Grundsteuer zur Verfügung.

Damit die in 2024 zu Mehreinnahmen führt, muss sie bis zum 30.6.2024 beschlossen werden. Aber auch der grundsätzliche Sinn eines Nachtragshaushaltes auf der Ausgabenseite, nämlich Einsparungen, kann nur erreicht werden, wenn eine sofortige Ausgabensperre erfolgt. Würde der Nachtrag erst vom neuen Stadtrat beraten und beschlossen, wäre dies erst nach der Sommerpause möglich. Beratung im September, Stadtratsbeschluss im Oktober. Bis dahin haben die Fachämter der Stadtverwaltung die per aktuell noch gültigem Haushaltsplan zur Verfügung stehenden Mittel längst verausgabt. Oder durch Verträge und Aufträge verbindliche, unkündbare Zahlungsverpflichtungen begründet.

Einsparungen sind dann nicht mehr möglich. Um den Haushaltsausgleich dann noch zu schaffen, wären noch deutlichere Steuererhöhungen erforderlich. Auch aus einem anderen Grund ist die Behauptung, man müsse noch ein oder zwei Monate abwarten, um einen gravierenden Einnahemausfall sicher beurteilen und feststellen zu können, unehrlich. Denn ganz sicher kann man natürlich nur im Nachhinein sein. Wer definitive, endgültige Daten möchte, sollte den Stadthaushalt des Jahres 2024 im Jahr 2026 beraten und beschliessen. Die von den Nachtrags-Verweigerern verlangte Sicherheit über den Einnahmeausfall ist nichts anderes, als eine billige Ausrede, um ihr Versagen zu tarnen.

Ein kommunalpolitischer Taschenspielertrick, um ein paar Wochen Zeit zu gewinnen. Bis die Wahl rum ist. Dieser Verweigerungshaltung kann übrigens auch ein weiteres wertvolles Argument entgegengehalten werden. Würde durch einen Nachtragshaushalt im Mai oder Juni gespart und / oder andere Einnahmen beschlossen – und im Herbst würde die Gewerbesteuer bis in Höhe des alten Ansatzes wieder sprudeln, kann mit diesem Geld der Stadthaushalt für 2025 gerettet werden. Oder, daran denken die Schuldenmmacher von heute leider gar nicht, die Verschuldung der Stadt (und damit ihrer Einwohner*Innen) reduziert werden.

Käme es also so, wie die Verweigerer es hoffen, entsteht kein Problem. Vielmehr würde ein jetzt schon absehbares Problem rechtzeitig (teil-)gelöst. Kommt es aber nicht so, liegen also ohne Nachtrag die Einnahmen aus der Gewerbesteuer um Millionbeträge unter Plan, ist der Handlungsspielraum für die kommenden Jahre gleich null. Denn dann darf die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) nicht noch einmal den Stadthaushalt ohne Prüfung dessen Plausiblität einfach so durchwinken, wie dies für 2024 geschah. Schon jetzt, bei auf dem Papier ausgeglichenem Etat, wurden die Investitionen von der ADD um 1/3 gekürzt.

Wenn nicht einmal der formale Haushaltausgleich erreicht wird und keine Abführung des Verwaltungs- in den Vermögenshaushalt stattfindet, darf die ADD nur noch existenzwichtige Investitionen genehmigen. Ade Sanierung der Sportanlagen. Das Casinogebädue wird eine millionenschwere Investitionsruine bleiben. Der Erhalt der Gradierwerke im derzeitigen Umfang ist ausgeschlossen. Usw. Die Programme der aktuellen Stadtratsfraktionen sehen Investionen in Höhe von 40 Millionen Euro vor. So gut wie nichts davon wird dann Realität werden. Ohne einen schnellstmöglich beschlossenen Nachtragshaushalt wird ein erheblicher Schaden für die Stadt entstehen.

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02.04.2024 – “Minus von über 5 Millionen bei der Gewerbesteuer bedroht den Stadthaushalt 2024”