Wirtschaftsförderungsausschuss: Kommunikation wie in einem Entwicklungsland

Kommentiert von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Noch ist Bad Kreuznach der Standort von mehreren europa- und sogar weltweit erfolgreichen Unternehmen. Für die ist Kommunikation entscheidend. Betriebsintern. Mit Lieferanten, Partnerunternehmen und Kund*Innen. Und das klappt. Bei Michelin gelingen Videokonferenzen staatsgrenzenüberschreitend mit der Zentrale in Clermont-Ferrand (Frankreich). Die Farbenwerke Meffert halten via Internet Kontakt zu ihren deutschen Standorten und den Tochter- bzw Schwesterfirmen u.a. in Litauen, Ungarn und Italien. KHS unterhält Produktions-Standorte in den USA, Mexiko, Brasilien, Indien und China. Mit einem 24/7-Service. Seit über einem Jahrzehnt.

Beigeordneter Markus Schlosser (links) stellte über sein Handy die Tonverbindung her. Amtsleiter Michael Fluhr (rechts) hatte zuvor in der laufenden Sitzung erfolglos versucht dem Westconnect-Sprecher das Einschalten der Tonverbindung zu erklären.

Bei der Bad Kreuznacher Stadtverwaltung brachte erst der Corona-Ausbruch im März 2020 einen quälend langsamen Prozess in Richtung Videokonfrenzen in Gang. Ende 2020 dann der erste Versuch. Als die Seuche Anfang 2022 auf dem Rückzug war, klappte es noch immer nicht. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Jüngstes und krasses Beispiel lieferte am Mittwoch (14.3.2024) der heute zu Ende gehenden Woche die Sitzung des Ausschusses für Wirtschaftsförderung. Sinnigerweise beim Thema Glasfaserausbau. Beim Tagesordnungspunkt zwei ging es um die Frage, wann endlich der seit Jahren angekündigte Ausbau in den Stadtteilen Bad Münster und Winzenheim passiert.

Nach unzähligen entsprechenden Forderungen aus den beiden Ortsbezirken hatte der Stadtrat rund eineinhalb Jahre nach der Vereinbarung für die Kernstadt am 14.12.2023 dem Ausbauvorhaben durch die Firma Westconnect GmbH zugestimmt. Während im WWW alles blitzschnell geht, wenn man erst mal drin ist, passierte in Sachen Gasfaserausbau trotzdem erst mal nichts. Um die Gründe dafür zu erklären – und um mitzuteilen, wann es endlich losgeht – wurde für die Gremiensitzung ein Westconnect-Sprecher angekündigt. Wer naiv daran glaubte, dieser bemühe sich wegen einer solchen Banalität persönlich zu den Verantwortungsträgern vor Ort, sah sich vom eigenen Glauben an das Gute getäuscht.

Denn Auge in Auge mit den Bürgervertretern könnten ja kritische Fragen gestellt und nachgehakt werden. Interferenzen, Strom- und Leitungsausfälle können im direkten Umgang nicht simuliert werden. Um derart unangenehme Konfrontationen von vorneherein auszuschliessen, wurde der Westconnect-Sprecher digital zugeschaltet. Obs an der Stadtverwaltung lag – oder an Westconnect: das Bild wurde zwar übertragen. Nicht aber der Ton. Amtsleiter Michael Fluhr versuchte den Westconnect-Spezialisten mit Tipps und Ratschlägen zum Einschalten der Tonleitung zu bewegen. Erfolglos. Beigeordneter Markus Schlosser stellte handlungsschnell eine Handyverbindung zum Referenten her.

Der, dadurch sichtlich überrumpelt, nahm das Gespräch an. Und gab dann seinen Bericht. Der von Schlossers Handy statt ins Ohr des Beigeordneten analog in die Mikro- und Lautsprecheranlage der Stadt eingespeist wurde. Und dann mehr oder weniger deutlich im Raum zu verstehen war. Kommunikation wie in Randgebieten eines Entwicklungslandes. Ausschussmitglied Alfons Sassenroth bewertete die surreale Szenie mit einem Zwischenruf zutreffend. Für die im Sitzungssaal Anwesenden eine schwer erträgliche Situation. Die aber ihren Zweck erfüllte. Nachfragen gabs kaum. Früher sagte man: Papier ist geduldig. Hat aber auch einen Nachteil.

Schriftlich fixierte Aussagen können später beweiskräftig eingesetzt werden. Da plappert man halt lieber in Videokonfrenzen. Am liebsten Bild und Ton getrennt, so dass ohne Errötung akustische Missverständnisse als Grund für gebrochene Zusagen dienen können. Übrigens. Im rheinland-pfälzischen Partnerland Ruanda gibts mittlerweile flächendeckend schnelles Internet. Sogar mit gleichzeitiger Bild und Tonübertragung über eine Verbindung! Dort war vor Jahren eine Delegation der Stadtverwaltung zu Besuch. Auf von den Steuerzahler*Innen bezahlter Dienstreise. Um zu helfen. Die OBin, die damalige Stadtrechtsdirektorin und andere hätten dort besser gelernt, wie Digitalisierung geht.