Kahlschlag auf der Schanze: fiktiver Verkehr wird geschützt – die Stadtmauer nicht

Zusammengefasst und kommentiert von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Es sind nicht mehr viele Reste, die heute noch von der teilweise bis zu 800 Jahre alten Stadtmauer im Stadtgebiet zu sehen und öffentlich zugänglich sind. Die meisten befinden sich in Privatbesitz. Oder, wie auf dem Grundstück des Gymnasiums, dem die Stadtmauer den Namen gab, im Eigentum des Landkreises. Andere Städte und Gemeinden wissen um die Bedeutung derartiger Relikte ihrer Geschichte. Und wertschätzen steinerne Zeugen aus ihrer Vergangenheit. Um die eigene Entwicklung und die heutige Identität prägende Sachverhalte für die akuelle und künftige Generationen aufzuzeigen und zu sichern. Nicht so die Stadtverwaltung Bad Kreuznach. Diese tut praktisch nichts für ihr mittelalterliches Erbe.

Dieser Blick war jahrzehntelang durch einen Barackenbau verhindert. Dabei ist gerade hier die Veränderung der Stadtmauer im Laufe der Jahrhunderte gut aufzuzeigen.

Der längste im städtischen Besitz befindliche historische Mauerrest ist dafür der beste Beweis. Ein für Historiker, Heimatforscher und Archäologen hochinteressanter Mauerteil war jahrzehntelang wegen einer absperrenden Bebauung mit der früheren Rechtsamtsbaracke unzugänglich. Seit deren Abriss ist – trotz entsprechender Schreiben der Redaktion dieser Seite bereits an die frühere Oberbürgermeisterin und Vorsprachen den Denkmal-Vereines beim neuen – nichts geschehen. Es wäre ein Fehler, die Verantwortung dafür dem Haus der Stadtgeschichte oder der für Tourismus zuständigen GuT GmbH zuzuschieben. Beide Strukturen sind bereits mit den ihnen übergebenen Aufgaben und Zuständigkeiten überlastet.

Und leisten angesichts der personellen Ausstattung vergleichbar mehr, als andere Verwaltungsteile (bei der GuT ist die Erhebung des Tourismusbeitrages natürlich von dieser positiven Feststellung ausgenommen). Sarkastisch gesagt, hatte der Baracken-Bau sogar einen Vorteil. Ohne Luft und Licht wurde das alte Gemäuer vor einem seiner Todfeinde geschützt. Nein, damit sind weder französische noch schwedische Truppen gemeint, die der historischen Stadtmauer in der Vergangenheit übel zusetzten. Sondern der Gemeine Efeu (Hedera helix). Der heisst wirklich so. Gemein ist das immergrüne Klettergehölz vor allem zu altem Mauerwerk.

Denn seine Haftwurzeln dringen in dessen kleine Spalten und Risse ein. Und sprengen mit ihrem Dickenwachstum das Gemäuer auf. Anderenorts werden historische Mauern daher vor dem Efeu geschützt. Der darf in Bad Kreuznach nach Lust und Laune wuchern. Hier lässt die Stadtverwaltung Bäume und Büsche wegmachen (diese Seite berichtete). Nicht um den Blick auf die Stadtmauer zu erleichtern. Sondern den Blick von ihr herab. Gerade so, als ob es in Bad Kreuznach nicht vielfältige fantastische Aussichtpunkte gäbe, von denen aus das Stadtgebiet und die Region einzusehen sind:

Die Kauzenburg, der Bosenberg, der Galgenberg, der Kuhberg (Hochseilgarten), der Rheingrafenstein, der Rotenfels und der Parkplatz am Hungrigen Wolf. Um nur einige zu nennen. Statt diese für Einheimische und Touristen attraktiver zu gestalten, besser auszuschildern und mit Informationsmöglichkeiten auszustatten, wird ein weiteres Projekt angefangen. Ohne Abstimmung in den kommunalen Gremien. Und einmal mehr ohne nachhaltige Einbeziehung der Bevölkerung. Bäume und Büsche sind gefällt. Der Efeu wuchert weiter. Und die Selbstbeschäftigung in Teilen der Stadtverwaltung.

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