Fraktion Faire Liste/BüFEP stellt Fragen zum Kahlschlag auf der Schanze

Vor gut drei Wochen hat tourismusbeitrag-so-nicht.de die ersten Bilder vom Kahlschlag auf der historischen Wehr-Schanze an der Stadtmauer aus dem Mittelalter veröffentlicht. Die Stadtverwaltung hat ihre Vorgehensweise verteidigt. Und als “Verkehrssicherungspflicht” dargestellt. In den Sozialen Medien gab es Proteste. Von den Stadtrats-Grünen Zustimmung (Berichterstattung und Kommentar dazu folgen noch). Kritisch nachgefragt hat nur eine der acht Stadtratsfraktionen: Faire Liste / BüFEP.

 

So sieht es heute auf der historischen Schanze aus. Die Gebäude im Hintergrund gehören zum Matthäushof.

Deren Mitglieder Wilhelm Zimmerlin und Gerhard Merkelbach “hegen erhebliche Zweifel, dass die von der Verwaltung gegebene Begründung der Verkehrssicherungspflicht glaubhaft ist. Der Kahlschlag steht nach unserer Auffassung in einem eklatanten Widerspruch zur Landschaftsplanung gemäß dem derzeit geltenden Flächennnutzungsplan”. Daher haben die beiden Kommunalpolitiker eine umfangreiche Anfrage an die Stadtverwaltung gerichtet. Wegen der Bedeutung der Sache drucken wir diese nachstehend im Wortlaut ab.

Das Bild vom Geoportal des Landes zeigt den Zustand von vor dem Kahlschlag. Es ist höchstens zwei Jahre alt.

Die Anfrage der Fraktion Faire Liste / BüFEP Wortlaut:

Anfrage nach § 33 Abs. 4 GemO (ausdrücklich nicht § 33 Abs. 3 GemO), Betreff: Kahlschlag auf dem Schanzenareal Flur 72 Nr. 1/8

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, die Fläche KH, Flur 72 Nr. 1/8 umfasst insgesamt ca. 7.500 qm. Innerhalb dieser Fläche entfallen ca. 3.600 qm auf das aufgeschüttete Schanzenareal. Hier hat sich im Lauf der Jahre eine geschlossene Baum- bzw. Gehölzfläche gebildet (siehe Luftbild). Aufgrund der Lage und Größe stellt diese Fläche baurechtlich eine Außenbereichsinsel im Innenbereich dar. Nach dem Flächennutzungsplan war hier weiterhin eine Grünfläche vorgesehen. Darüber hinaus handelt es sich um eine Denkmalzone. Aus der Presse war zu entnehmen, dass aufgrund der Verkehrssicherungspflicht eine Entfernung von abgestorbenen und kranken Bäumen erfolgen musste. Im Gegensatz dazu wirft dieser Kahlschlag folgende Fragen auf:

1) Einsatz des städtischen Baumkontrolleurs
 Fand vor der Beauftragung der Rodung eine Begutachtung durch den städtischen Baumkontrolleur statt? Wenn ja, wer war beteiligt?
 Wurde das Ergebnis dieser Begutachtung planerisch oder schriftlich festgehalten? Wenn ja, bitten wir um Vorlage oder um Vereinbarung eines persönlichen Termins zur Einsicht.
 Hat der Baumkontrolleur den letztendlich vorgenommen Totalkahlschlag auf dem Schanzenareal befürwortet?

2) Hinzuziehung der unteren Naturschutzbehörde
 Ist neben dem städtischen Baumkontrolleur eine Begutachtung durch die untere Naturschutzbehörde erfolgt? Wenn ja, wer war vor Ort?
 Liegt ein diesbezügliches schriftliches Gutachten der unteren Naturschutzbehörde vor? Wenn ja, bitten wir um Vorlage oder um einen Termin zur persönlichen Einsicht.
 Wenn die untere Naturschutzbehörde beteiligt war, bitten wir um Mitteilung, ob diese letztendlich den vorgenommen Totalkahlschlag in dieser Form genehmigt, oder das Einvernehmen hergestellt hat?
 Wenn nein, warum wurde die untere Naturschutzbehörde nicht eingeschaltet, obwohl die Fläche unter die Rechtsverordnung Landschaftsschutzgebiet „Soonwald Nahe“ fällt? Darüber hinaus stellen sich aufgrund der Brachfläche auch ggf. artenschutzrechtliche Probleme nach § 44 Bundesnaturschutzgesetz.
 Hat die Stadt statt der Naturschutzbehörde ein Gutachten im Auftrag gegeben? Wenn ja, bitten wir um Vorlage oder um einen Termin zur persönlichen Einsicht.

3) Nach unserer Information hat das Bauamt die Rodung beauftragt.
 Wurde die Rodung auf Grundlage des Ergebnisses der Begutachtung des städtischen Baumkontrolleurs bzw. der unteren Naturschutzbehörde beauftragt?
 Wenn nein, auf welcher Grundlage ist ansonsten die Beauftragung erfolgt?
 Gibt es eine schriftliche Auftragsbeschreibung für die Rodungsarbeiten? Wenn ja, bitten wir um Vorlage oder um einen Termin zur persönlichen Einsichtnahme.
 Bei mündlicher Beauftragung bitten wir um Angabe, wer diese erteilt und wie der Auftrag lautete?
 Wurden die Rodungen durch eine Fremdfirma oder den Bauhof durchgeführt?
 Bei einer Fremdfirma bitten wir um Angabe der ausführenden Firma sowie der Kosten.
 Wurde die Auftragsausführung vor Ort durch das Bauamt kontrolliert? Wenn ja, durch wen?

4) Landschaftsplanung laut Flächennutzungsplan 2005
Die Stadt hat sich im Flächennutzungsplan zur Aufgabe gemacht, im Zielraum „36 KH Wohn- und Mischgebiete“ (lt. Flächennutzungsplan im Bereich Schanze), die Grün- und Freiflächen an öffentlichen und halböffentlichen Gebäuden zu einem System zu vernetzen, sowie die Erhaltung und Entwicklung ungenutzter Parzellen in freier Entwicklung als Trittsteinbiotope im Siedlungsraum zu entwickeln. Dies sollte zum Arten- und Biotopschutz im Rahmen der Landschaftsplanung beitragen. Warum wurde in diesem Bereich von diesem Ziel abgewichen?

5) Veräußerung oder Vermarktung des Areals
Die Gesamtfläche KH Flur 72 Nr. 1/8 umfasst insgesamt 7.500 qm. Bei einem Bodenrichtwert von 290 € / qm ergibt sich ein Verkehrswert von ca. 2,175 Millionen €. Nimmt man den Jahnhallenparkplatz sowie den restlichen Casinogarten noch hinzu, kommt man auf eine Fläche von ca. 1,5 ha in bester Citylage und einen Gesamtverkehrswert von ca. 4,9 Millionen €. Ein Kahlschlag in dieser Größenordnung erfolgt oftmals vor geplanten Bauvorhaben oder Veräußerungen. Deshalb bestehen von vielen Seiten Behauptungen, dass hier eine Veräußerung oder Vermarktung geplant ist. Deshalb fragen wir, ob seitens der Stadt eine Vermarktung oder Veräußerung des gesamten oder Teilen des Areals geplant ist? Abschließend möchten wir an Sie appellieren, für eine vollumfängliche und transparente Beantwortung zu sorgen. Es bringt beiden Seiten nichts, wenn wir bei unvollständiger oder ausweichender Beantwortung weiter nachfragen müssen. Darüber hinaus weisen wir darauf hin, dass sich die Beantwortungspflicht nach § 33 Abs. 4 GemO erst bei vollumfänglicher Beantwortung erschöpft. Für eine Empfangsbestätigung und eine möglichst zeitnahe Beantwortung wären wir dankbar. Mit freundlichen Grüßen Wilhelm Zimmerlin und Gerhard Merkelbach”

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