Allein in 2023 verwarnte das Ordnungsamt 2.005 Gehwegparker

Dokumentiert von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Jörg Keil hatte zur Sitzung des Behindertenbeirates am gestrigen Dienstagnachmittag (5.3.2024) neben Zeit zum Zuhören auch Fakten zum ruhenden Verkehr in der Stadt und klare Ansagen mitgebracht. Der Leiter des städtischen Vollzugsdienstes bezeichnete das Gehwegparken als eine “schlechte Angewohnheit, die zunehmend zum Problem wird”. Es handele sich um ein bundesweites Phänomen. Ein Grund für die Zunahme der Falschparker: im Jahr 2023 waren mit 48,76 Millionen Fahrzeugen so viele wie noch nie zugelassen. Was die Verkehrsbelastung in einem Mittelzentrum wie Bad Kreuznach spürbar erhöhe. Zudem wurden die Autos immer größer.

Jörg Keil stand den Mitgliedern des Behindertenbeirates Rede und Antwort.

Dementgegen habe der zur Verfügung stehende Parkraum jedoch nicht zugenommen. “Was leider auch nicht zugenommen hat, ist die Rücksichtnahme gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern. Hier muss man sogar von einem rapiden Rückgang sprechen”, merkte Keil an. Diese angewachsene Rücksichtslosigkeit betreffe auf Gehwegen vor allem Mitmenschen, die unter einer Beeinträchtigung leiden. Und auf Hilfsmittel wie Rollator oder Fahrstuhl angewiesen sind. Aber auch Eltern, die einen Kinderwagen schieben, können dies im Stadtgebiet nicht ohne Weiteres tun. Bestätigt wurde Jörg Keil von Mitgliedern des Behindertenbeirates, die ihre persönlichen Erlebnisse schilderten.

Gehwegparken in der Innenstadt findet durchgängig Tag und Nacht statt, wie unser Fotograf zunächst auf dem Hinweg zur Sitzung des Behindertenbeirates mit einem Schnappschuss in der Viktoriastrasse vis-a-vis der Gaststätte “Gümüs” dokumentieren konnte. Dort mußte ein Rollerfahrer, der sein Gefährt vorbildlich schob, wegen eines Pkw, dessen Heck über den Gehweg reichte, auf die Strasse ausweichen.

Ein Beiratsmitglied, das auf einen schweren und breiten Elektrofahrstuhl angewiesen ist, schilderte eindrücklich, dass jede Fahrt in die Stadt vorab umfangreiche Überlegungen erfordere. Je nach Ziel müsse die Strecke genau überlegt werden, um unpassierbare Stellen oder Strecken mit erfahrungsgemäß hoher Behinderungsquote zu vermeiden. Nicht angekündigte Baustellen, Gehwegparker, Gehweg-Radler – wer auf Gehhilfen angewiesen ist, hat beim Bewegen auf städtischen Gehwegen eine Vielzahl von Problemen. Dabei ist die Rechtslage vollkommen klar: nur Kinder bis 12 Jahre dürfen dort radeln oder rollern. Gehwegparken, ob mit zwei oder vier Rädern, ist schlicht verboten.

Und nach der Sitzung auf dem Fussweg zurück wieder ein Gehwegparker. Diesmal auf dem Gehsteig in der Klostergasse. Durch dessen Falschparken wurden nicht nur die Fussgänger zum Ausweichen auf die Strasse gezwungen. Sondern auch die anderen Autofahrer zum Überfahren des Radweges in Gegenrichtung.

Mit Ausnahme entsprechend konkret beschilderter Teilabschnitte. Für die strenge Anforderungen gelten, etwa an die für Passanten zur Verfügung stehende Mindestbreite. Anders als es auf Teile der Öffentlichkeit den Eindruck macht, geht die Stadt gegen das Gehwegparken mit entsprechenden Kontrollen vor. “Täglich stellen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fest, dass Fahrzeugführer ohne ersichtlichen Grund und ohne Rücksicht auf andere Verkehrsteilnerhmer ihre Fahrzeuge zum Teil oder komplett auf Gehwegen parken”, führte Jörg Keil aus. Und benannte allein für das vergangene Jahr 2.005 erfolgte Verwarnungen wegen Gehwegparkens.

Der Fall Mainzer Strasse: auf zwei Stellplätzen stehen da regelmäßig drei Fahrzeuge. Mal mehr, mal weniger weit auf dem Gehweg. Die Seitenspiegel sind nicht eingeklappt. Weil Gehwegparken leichter fällt, als das Spiegeleinklappen.

“Davon standen 87 mit Behinderung. 24 davon wurden abgeschleppt”, gab Keil bekannt. Aus den Gesprächen mit Betroffenen kennt der Ordnungsamt-Abteilungsleiter verschieden Gründe für das Gehwegparken: “hier spielt oftmals eine falsch verstandene Rücksichtnahme gegenüber dem fließenden Fahrzeug-Verkehr eine Rolle. Und auch Sorge vor Beschädigungen am eigenen Fahrzeug”. Das ist tatsächlich der Fall, wie die Redaktion dieser Seite im Fall Mainzer Strasse (Planig) erfahren hat. Dort stellen drei Fahrzeugführer*Innen regelmässig ihre Autos auf den Gehweg. Erklärtermassen aus Angst um ihre Seitenspiegel.