Missstände auch ohne Korruption

Kommentiert von unserem Redakteur
Claus Jotzo

In Italien ist es einfach. Wenn es da Probleme bei der Müllentsorgung gibt, weiss jede(r): da hat die Mafia ihre Finger im Spiel. Regelmäßig werden von der dortigen Justiz auch entsprechend begründete Verurteilungen vorgenommen. Oft ist das Muster so. Eine Entsorgungsfirma bekommt angemessen viel Geld, um Abfälle korrekt zu entsorgen. Die dafür zuständigen behördlichen Aufseher erhalten einen Teil dieser Summen, um eine viel billigere, unzulässige Entsorgung zuzulassen. Derartige Korruption gibt es in Deutschland natürlich nicht.

Überall im Stadtgebiet ist das Woche für Woche zu sehen: überfüllte Glascontainer, die nicht rechtzeitig geleert wurden. Obwohl die Konsumenten für die Entsorgung bereits beim Kauf der Produkte bezahlt haben. Und das Glas auch noch auf ihre Kosten zu den Sammelstellen bringen. Unser Bild wurde in der Nacht von Samstag auf Sonntag am Standort Steinkaut aufgenommen.

Hier gibt es nicht einmal Weihnachts- oder sonstige Geschenke und “Aufmerksamkeiten” für Mitarbeiter*Innen in Amtsstuben. Die anzunehmen wäre ja auch verboten. Die Missstände bei der Müllentsorgung gibt es hier aber trotzdem. Zum Bespiel in Form der Nichtleerung von Altglascontainern. Was bedeutet: da Korruption nicht der Grund für die krasse Fehlleistung sein kann, weil es die ja nicht gibt, muss der Grund dafür in der Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Verantwortlichen liegen. Denn gerade bei der Altglasentsorgung sind alle Fakten öffentlich bekannt.

1. Verantwortlich für die Entsorgung von Glasverpackungen ist die Industrie, die diese in Verkehr bringt. 2. Die Entsorgung bezahlen die Kund*Innen. Und zwar schon beim Kauf. Vorkasse. Jetzt müsste nur noch die Gegenleistung korrekt erfolgen. Aber auch dabei kann man viel Geld verdienen. Wird etwa das Intervall, in dem die Container geleert werden verdoppelt, sind die Kosten deutlich niedriger. Weniger Lkws. Weniger Personaleinsatz. Und der Gewinn höher. Hier kommen in Bad Kreuznach Stadt- und Kreisverwaltung ins schmutzige Spiel.

Die Stadt als Eigentümer der allermeisten Grundstücke, auf denen Altglascontainer stehen. Und der Kreis als zuständige Institution für die Müllentsorgung bzw deren Überwachung. Auch hier die Fakten: die Stadt ist ausdrücklich NICHT verpflichtet Grundstücke für Altglas- oder Altkleidercontainer zur Verfügung zu stellen. Wenn sie das tut, kann die Stadt die Bedingungen dafür im Interesse des Gemeinwohles festlegen. Ausdrücklich zulässig, so die Auskunft des die Redaktion beratenden Rechtsanwaltes, wäre die Vereinbarung einer Art Vertragsstrafe für den Fall der nicht rechtzeitigen Leerung.

Je Container könnte ein Fall im Jahr frei sein (kann ja mal passieren …). Beim zweiten Fall wären 500 Euro, beim dritten 1.000 Euro usw fällig. Das von der Industrie mit der Leerung beauftragte Unternehmen wäre dann hoch motiviert. Die Abfallindustrie könnte übrigens das Aufstellen von Sammelcontainern nicht vermeiden. Denn es besteht ja die gesetzliche Pflicht der Entsorgung. Eine Grundstücks-Alternative gibt es praktisch nicht. Denn Privatleute würden ohne entsprechende Absicherung ihre Grundstücke nicht zur Verfügung stellen. Beweis:

Sie verweigern das – aus für sie guten Gründen – seit Jahrzehnten. Auch der Landkreis macht sich da einen schlanken Fuss. Fast 100 Altglascontainer stehen im Stadtgebiet. Kein einziger auf Grundstücken des Kreises. Warum stehen die sämtlich auf städtischem Grund und Boden? Etwa an der Ecke Baum- und Salinenstrasse – und nicht 100 Meter weiter vor der Kreisverwaltung? Warum stehen Container im Kohleweg – statt ein Stück weiter bei der Berufsschule? Die Antwort ist ganz einfach: die jeweiligen Grundstückseigentümer sind auch für den an den Standorten abgelegten illegalen Müll verantwortlich.

Die Stadt kostet allein das Einsammeln durch den Bauhof fast 400.000 Euro im Jahr. Trotzdem hat noch kein einziges Stadtratsmitglied die vorstehenden Fragen auch nur angesprochen. Geschweige denn die Stadtverwaltung per Antrag aufgefordert vom Kreis das Aufstellen von Altglascontainern auf Kreisgrundstücken im Stadtgebiet zu verlangen. Mit solchen Initiativen macht man sich halt nicht beliebt. Und so gibt es Woche für Woche die gleichen Bilder. Einwohner*Innen, die für die Entsorgung bereits bezahlt haben, können ihr Glas nicht einwerfen, weil die Container nicht rechtzeitig geleert werden.