Soziale Dienste zum Schutz der Kinder und zum Wohl der Familien

Gastbeitrag von
Hansjörg Rehbein

Die Familien so stark machen, dass die Kinder in Ruhe und Liebe aufwachsen und sich bestens für eine gute Zukunft entwickeln können. An diesem Ziel orientiert sich die Arbeit des Amtes für Kinder und Jugend, das vor 100 Jahren, 1924, gegründet wurde. „Wo stehen wir heute?“ Mit dieser Frage haben sich zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sozialen Dienste (SD) in einer Gesprächsrunde befasst. Der Tenor der Runde: wir bewegen uns weg von dem Image, eine Bedrohung für die Familien zu sein, die den Eltern die Kinder wegnimmt, sozusagen als Strafinstanz, hin zu einer staatlichen Behörde, die zum Schutz der Kinder und zum Wohl der Familie agiert.

Von links nach rechts: Marie Winkler (ASD), Heidrun Höfer (PKD), Robert Ploß (ASD), Ingrid Pfeifer-Hoecker
(Leitung SD), Christopher Karras (Frühe Hilfen), Eugenia Dmitriew (Familiengerichtshilfe), Nathalie Löwen (UMA), Anna Kos (ASD) und Stefan Oberst (Stationäre Jugendhilfe).

Die Akzeptanz ist in den vergangenen Jahren in der Bevölkerung gestiegen. Das gilt sowohl für die Nutznießer als auch bei jenen, die das Engagement gegen die stetig wachsenden Bedrohungen durch Armut und persönliche Krisen der betroffenen Familien zu schätzen wissen. Das reformpädagogische Ziel, das bereits in der Gründerphase der Jugendämter in den 1920er-Jahren formuliert wurde, hat sich bis heute nicht geändert: „Vorbeugend die Interessen der Jugend zu vertreten, erzieherisch zu arbeiten und zugleich an der Erziehungsarbeit der Eltern mitwirken.“ Damals wie heute steht die Jugendhilfe in einem extremen Spannungsfeld:

Zum einen als Kontrolleure die Kinder zu schützen, etwa vor häuslicher Gewalt, zum anderen als Krisenmanager den Eltern, die mit ihren Lebenssituationen überfordert sind, zu helfen. In den vergangenen Jahren haben die Aggressivität und die Gewalt gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zugenommen. „Neben der Fachkompetenz ist es am wichtigsten Vertrauen zu den Eltern und den Kindern aufzubauen“, sagt Ingrid Pfeifer-Hoecker, SD-Abteilungsleiterin. Alle 22 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den neun Sachgebieten der Sozialen Dienste verfügen über ein Studium der Sozialarbeit. Sozialpädagogik, Diplompädagoge/in oder Erziehungswissenschaften.

Die neun Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Allgemeinen Sozialdienst (ASD) sind in Kinderschutzaufgaben fortgebildet. Die Beratungsgespräche können auch in polnisch, ukrainisch, russisch und arabisch geführt werden. Im Team sind Kolleginnen und Kollegen mit einer psychotherapeutischen Ausbildung, da die immer komplexer werden schwierigen Lebensverhältnisse und die daraus resultierenden seelischen Erkrankungen von Familienmitgliedern dies erforderten. „Wir kommen da an unsere Grenzen.“ Das Jugendamt hilft in allen Lebenslagen. Das gilt schon für die Beratung und Unterstützung von jungen Müttern gleich nach der Geburt ihres Kindes und zwar in den Fällen, wo durch persönliche Lebensumstände oder Krisen der Mutter bzw. der Eltern das Wohl des Kindes gefährdet sein könnte.

Im Babyschutzprogramm arbeitet das Jugendamt mit dem Internationalen Bund (IB) zusammen. Hierbei geht es um die Abwägung Risiko-Ressourceneinschätzung. Das bedeutet, dass in dem Babyschutzprogramm nach Unterstützungssystemen innerhalb der Familie durch z.B. Verwandte geschaut wird. Auch wird ermittelt, ob die Eltern mit Hilfe einer therapeutischen oder medikamentösen Behandlung ihr Kind versorgen können. Auch ein Krippenplatz für das Kind kann eine Familie entlasten. Diese Vermittlung schafft viel Vernetzung und Hilfestellung. Ein Großteil der Kinder kann weiterhin in der Familie verbleiben.

Im weiteren Verlauf einer problematischen Kindheit und Jugend bietet der ASD eine Vielfalt an Beratung und Unterstützung bei der Erziehung an. Das Jugendamt arbeitet mit rund 30 Jugendhilfe-Trägern z.B. AWO, Caritas, kreuznacher diakonie, Internationaler Bund, Projekthaus zusammen. Hinzukommen Kooperationspartner, wie Krankenhäuser, Polizei, Sozialämter, Psychiatrien, Beratungsstellen, Schulen, Kitas, Sozialpädiatrische Zentren, Frauenhäuser, Jobcenter, Drogenberatungsstellen, Ärzte, Hebammen, Gerichten usw. So können Eltern beispielsweise lernen, ihren Haushalt zu organisieren, zusätzlich wird ein Elterntraining angeboten, bei Lebenskrisen helfen Krisenmanagerinnen bzw. Krisenmanager.

In den Schulen kümmern sich Schulsozialarbeiterinnen und -arbeiter um auffällige Kinder. Bei strafffälligen Jugendlichen und auch jungen Heranwachsenden steht die Jugendgerichtshilfe zur Seite und ein Träger bietet Soziale Kompetenztrainings an. Straffällige Jugendliche, insbesondere Drogendelikte, ist ein Problem, das sich durch alle Gesellschaftsschichten zieht. Müssen Kinder und Jugendliche zu ihrem Schutz raus aus der Familie, organisiert das Jugendamt den Pflegeelterndienst bis hin zu einem Adoptionsverfahren. Dem steht entgegen, dass die Zahl jener, die Pflegeltern werden möchten, lange nicht ausreicht um den Bedarf zu decken.

Alternativ dazu gibt es die die stationäre Unterbringung in einem Heim oder in einer Wohngruppe. Für die Unterbringung in einem Heim müssen zum Teil weite Wege in Kauf genommen werden. Das Jugendamt sucht und vermittelt passgenaue Plätze in Einrichtungen in ganz Deutschland. Erschwerend kommt hinzu, dass als Folge der Corona-Pandemie viele Heime geschlossen werden mussten, es daher Heime gibt, die bis zu 200 Anfragen für Heimplätze haben und sich die Kinder und Jugendlichen quasi aussuchen können. Auch die ambulanten Angebote des Allgemeinen Sozialdienst (ASD) sind breit gefächert:

Je nach individueller Bedarfe können Hilfen wie beispielsweise betreute Gruppen für Mädchen und für Jungen bis etwa zwölf Jahre, soziales Kompetenztraining für Jugendliche, Gruppenangebot für Scheidungskinder, Sozialpädagogische Familienhilfe, Aufsuchende Familientherapie, Erziehungsbeistandsschaften u.v.m. installiert werden. Damit werden die jeweiligen Träger der Kinder- und Jugendhilfe beauftragt. Fortschritte und Ergebnisse werden gemeinsam von ASD und Trägern mit den Minderjährigen und deren Erziehungsberechtigten in regelmäßigen Hilfeplangesprächen reflektiert. Eine große Herausforderung für den ASD und die Gesellschaft überhaupt ist die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen.

Die Kinder haben unfassbares durchgemacht und sind traumatisiert: Kriegsverletzungen, Gefängnis, ja auch Folter, viele haben ihre Eltern verloren und kommen alleine in ein neues Land in eine neue Kultur, wo sie und ihre Betreuer gemeinsam bei null anfangen müssen im Kindergarten und in der Schule. Dennoch fällt die Bilanz gut aus, besser als die öffentliche Meinung sie über die Politik und die Medien wahrnimmt. 90 Prozent der „unbegleiteten minderjährigen Ausländer“ sind Jungs im Alter zwischen 14 und 17 Jahren. Viele aus der ersten Flüchtlingswelle im Jahr 2015, insbesondere aus Syrien, sind integriert und haben Arbeitsplätze, auch dank der guten Deutschkenntnisse.

Die Erfolgserlebnisse tragen wesentlich zur Motivation bei. So in dem Fall, in dem ein junger Afghane nach sechs Monaten Sprachkurs schon so weit ist, dass er eine Ausbildung machen kann. Andere haben ihr Abitur gemacht und studieren. An der Gesprächsrunde haben teilgenommen Ingrid Pfeifer-Hoecker, SD-Abteilungsleiterin, Nathalie Löwen (Unbegleitete männliche Ausländer und Pflegekinderdienst), Heidrun Höfer (Pflegekinderdienst und Adoptionsvermittlung), Christopher Karras (Netzwerkbüro frühe Hilfen und Kinderschutz), Eugenia Dimitriew (Familiengerichtshilfe), Nicole Prager (Jugendgerichtshilfe), Stefan Oberst (stationäre Hilfen), Anna Kos, Marie Winkler und Robert Ploss (alle ASD).

Autor Hansjörg Rehbein ist beim Hauptamt der Stadtverwaltung Bad Kreuznach beschäftigt