Beispielhafte grüne Befragungskultur bei der Listenaufstellung

Kommentiert von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Die drei (noch) großen Parteien, CDU, SPD und Grüne im Bad Kreuznacher Stadtrat haben Ende 2023 und Anfang 2024 ihre Listen für die Kommunalwahl am 9.6. aufgestellt. Die meisten kleinen Wählervereinigungen und Parteien zogen mittlerweile nach. Da die (noch) Großen am letzten Wahltag, dem 26. Mai 2019, mit zusammen 30 von 44 Sitzen eine satte 2/3-Mehrheit im Stadtrat errangen (und die anderen acht Parteien und Wählervereinigungen zusammen nur 14), ist jetzt der richtige Zeitpunkt für eine erste Zwischenbilanz. Die unter der formaldemokratischen Betrachtungsperspektive erfreulich positiv ausfällt.

Alle drei Parteien haben ihre entsprechenden Versammlungen beispielhaft transparent gestaltet. Jede(r) durfte alles sehen (ausser natürlich die jeweils geheimen Wahlvorgänge). Zur Wahrheit gehört aber auch: sowohl bei der CDU als auch bei der SPD lag die Zahl der an den jeweiligen Versammlungen teilnehmenden Parteifreunden deutlich niedriger, als vor rund fünf Jahren. Kamen Ende November 2018 noch 85 stimmberechtigte Christdemokraten ins Vereinsheim der SG Eintracht Bad Kreuznach, waren es im Januar 2024 nur noch 69 (minus 19%). Noch deutlicher ist der Rückgang bei der SPD. An deren Stadtrats-Bewerberlistenaufstellung im Bonhoefferhaus wirkten 2018 noch 67 Genossen mit.

Aktuell waren es nur noch 38 (minus 43%). Das mag daran liegen, dass einige – aus welchen Gründen auch immer – bewusst auf die Teilnahme verzichteten. So wie etwa Dr. Heinz Rüddel, Carsten Pörksen und Günter Meurer. Die am 29.11.2023 an der SPD-Mitgliederversammlung fehlten, am Tag danach an der Stadtratssitzung aber teilnahmen. Bezüglich der anwesenden Mitglieder können die Grünen einen positiven Wert verbuchen. Drängten sich im engen Sitzungssaal des Netzwerkes am Turm Anfang 2019 nur ein Dutzend Grüne, waren es fünf Jahre später im Pfarrheim der katholischen Nikolauskirchengemeinde immerhin 19. Bei der CDU bewerten sie das positiv als Geschlossenheit:

Alle vom Vorstand vorgeschlagenen Bewerber*Innen wurden, mit teils sehr grossen Mehrheiten, in geheimer Wahl bestätigt. Das war auch bei der SPD so. Mit einer Ausnahme. Der auf Platz 23 vorgeschlagene Maurice Suljic scheiterte ohne Gegenkandidat an der 50%-Jastimmen-Hürde. Ganz anders lief die Listenaufstellung der Grünen ab. Auf beachtlichen drei der aussichtsreichen ersten neun Plätze kam es zu Kampfkandidaturen. So setzte sich Annette Thiergarten gegen Stefanie Otto auf Platz drei durch. Auf Platz vier erhielt Thorsten Lange mehr Stimmen als Andreas Hönig. Der wiederum auf Platz acht mit deutlicher Mehrheit gegen Lothar Bastian die Oberhand behielt (diese Seite berichtete).

Gerade das letzte Ergebnis ist zwar für die kommunalpolitische Landschaft von Bedeutung. Weil die Grünen mit Lothar Bastian einer der stadtweit unabhängigen Köpfe aus dem kommunalpolitischen Verkehr gezogen haben. Trotzdem gibt es von der Versammlung der Grünen etwas auf andere Art und Weise Wichtiges und Relevantes zu berichten. Nämlich deren Befragungskultur der eigenen Kandidat*Innen. Bei der SPD stellte sich die anwesenden Bewerber*Innen je nach persönlicher Lust und Laune vor. Mal ausführlicher, mal kurz und knapp. Fragen gab es keine. Bei der CDU wurde statt zu fragen ein lautstarkes, teils sogar mit Applaus unterstrichenes “Nein” gebrüllt.

Noch bevor die sitzungsleitende Erika Breckheimer überhaupt in den Raum gestellt hatte, ob eine Vorstellung der jeweiligen Kandidatin oder des jeweiligen Kandidaten erwünscht sei. Sehr nachvollziehbar verbat sich die resolute CDU-Stadtverbandsvorsitzende derartige verbalen Fehlgriffe. Mit mässigem Erfolg. Das lief bei den Grünen ganz anders ab. Da waren Vorstellungs- und Fragezeit zwar auf je fünf Minuten begrenzt. Aber die wurde mehrfach auch genutzt. So wollte Annette Thiergarten von Spitzenkandidatin Juliane Rohrbacher (beide sitzen seit fünf Jahren zusammen in der grünen Stadtratsfraktion) wissen, ob sich Rohrbacher als Nichtmitglied in der Lage sehe, grüne Positionen im Wahlkampf zu vertreten.

Die erklärte ihre Mitgliedschaftsverweigerung mit der Absicht, als Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses und bei anderen überparteilichen Verpflichtungen den Gesprächspartner*Innen und Mitstreiter*Innen anderer Parteien Unabhängigkeit demonstrieren zu können. Auch Andrea Manz auf Platz drei wurde von Annette Thiergarten befragt. Wie sich ihre grüne Mitfrau den Ausbau des Kohlewegs zwischen der Mannheimer und der Rheingrafenstrasse vorstellt und wie der geplante Grundschulneubau beschleunigt werden kann. Marlene Henke wollte von der grünen Stadtratsfraktionsvorsitzenden wissen, warum diese auch für den Kreistag kandidiert.

Manz konnte ihre Parteifreundin beruhigen: “ich mache nicht den Carsten Pörksen”. Mit ihrer Kreiskandidatur verbinde sie die Absicht, die berechtigten Interessen der Stadt dort gut zu vertreten. Auf Platz neun musste sich Lothar Bastian den Fragen von Ludger Nuphaus stellen. Nicht wegen seines Engagements im Finanzausschuss. Sondern wegen Bastians Posten im Aufsichtsrat der Stadtwerke. Nuphaus kritisierte, dass diese bei der energiepolitischen Orientierung auf dem Stand der neunziger Jahre seien. Bastian argumentierte defensiv mit den geringen Einflussmöglichkeiten des Aufsichtsrates.