Messerstecher aufgrund fehlender Haftgründe freigelassen

Beobachtet und kommentiert von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Über den Messerangriff eines Jugendlichen auf einen anderen auf dem Spielplatz der Birkenberghalle neben der im Hochbetrieb laufenden Roxheimer Kirmes am vergangenen Samstagabend (30.9.2023) hatte diese Seite noch am Tatabend berichtet. Die umfangreichen Ermittlungen der örtlichen Polizeikräfte haben dazu geführt, dass noch in der Nacht von Samstag auf Sonntag der Täter vorläufig festgenommen wurde. Trotzdem rief die Polizei noch Stunden später, mit der untenstehend im Wortlaut wiedergegebenen Presseerklärung vom 1.10.2023, zu Zeugenmeldungen auf.

Da wird einer junger Mensch abgestochen – und die Festgemeinde feiert fröhlich weiter. Auch ein Thema, dass zwei volle Tage nach der Tat kein einziger Verantwortungsträger aufgegriffen hat.

Die Tatsache, dass der Täter zu diesem Zeitpunkt bereits ermittelt und gefasst war, wurde der Öffentlichkeit von der Polizeiführung ebenso verschwiegen, wie Angaben zum Gesundheitszustand des Verletzten, der Art seiner Verletzungen, dem Alter der Beteiligten, der Zahl der Stichverletzungen usw. Von der Verhaftung des Täters ist erstmals in der Presseerklärung vom vergangenen Montagmittag (nachstehend im Wortlaut zitiert) die Rede. Volle 39 Stunden nach der Tat.

Während die Öffentlichkeit von relevanten Informationen, die zu einer Erhöhung des Sicherheitsgefühles hätten beitragen können, weitgehend ausgeschlossen wurde (der Redaktion dieser Seite wurden – wie berichtet – am Sonntagfrüh Antworten auf öffentlichkeitrelevante Fragen verweigert), sind die Behörden mit dem Täter formal sehr wohlwollend umgegangen. Obwohl sich die Verletzungen des Opfers so schwerwiegend (nicht lebensbedrohlich, wie diese Seite von Anfang an berichtete) darstellten, dass es noch in der Nacht operiert werden musste, wurde der unverletzte Täter wenig später auf freien Fuß gesetzt:

“Aufgrund fehlender Haftgründe wurde er zwischenzeitlich auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Mainz entlassen”, schreibt das Polizeipräsidium dazu. Nach § 112 Abs. 2 Strafprozessordnung können bei einem bereits gefassten Verdächtigen “Fluchtgefahr” und “Verdunkelungsgefahr” Haftgründe sein. Wieso die Ermittlungsbehörden einerseits Zeugen zu Aussagen aufrufen, anderseits den Täter freilassen, wird in der Presseerklärung nicht erklärt. Auch Sachhinweise, warum aus Sicht der Staatsanwaltschaft Mainz weder “Fluchtgefahr” noch “Verdunkelungsgefahr” bestehen, geben die Behörden nicht.

Kein Wort auch zu der Frage, ob sich Fachpersonen des Jugendamtes um den Täter kümmern. Bei der Redaktion dieser Seite haben sich am gestrigen Montagabend (2.10.2023) die Eltern eines Bekannten des Täters gemeldet. Diese Eltern haben ganz einfach Angst. Den Täter frei durch die Gegend laufen zu sehen, ohne dass sichergestellt ist, dass dieser “nicht noch einmal durchdreht”, ist für diese Eltern unerträglich. Das Leid der Betroffenen und / oder Mitmenschen wird durch die Informationsverweigerung der Behörden nicht leichter. Ein Staat, der die Täter besser schützt, als die Opfer, verliert seine Existenzberechtigung.

Die betroffenen Menschen in und um Roxheim müssen sich von der rheinland-pfälzischen Justiz nicht als Hinterwäldler behandeln lassen, weil sie den Vorzug haben am Rande des schönen Soonwalds zu leben. Aus den bundesweiten Nachrichten weiß man auch in und um Roxheim, dass selbst bei durch Kinder und Jugendliche begangenen Straftaten Angaben zum Alter, zu den Tatfolgen, zum Gesundheitszustand, ja selbst zu allgemeinen Tatumständen obligatorisch sind. Es zeigt den volksfernen Lebenswandel aller aus oder für den Kreis Bad Kreuznach in Landtag und Bundestag gewählten Abgeordneten, dass diese sich um diese gesellschaftszersetzende Informationsverweigerung nicht öffentlichkeitswirksam kümmern.

Wenn der Abgeordnete X mal ein Paddel in die Hand nimmt oder die Abgeordnete Y ein Weinglas schwenkt, werden seitenlange Presseerklärungen abgesetzt. Wenn die Justiz pennt, sieht sich keiner der Abgeordneten zum Weckdienst im Sinne der Bürger*Innen verpflichtet. Man könnte ja in der Landtagskantine von der Seite angesprochen werden werden. Oder die Einladung zu Mainz wie es singt und lacht “versehntlich” nicht erhalten. Aber in Sonntagreden sich dann über die Staatsverdrossenheit der Einwohner*Innen beklagen: es ist euer Verhalten, dass diese hervorruft!

Die Presseerklärung des Polizeipräsidiums Mainz vom 2.10.2023 um 12:19 Uhr im Wortaut:

“Roxheim; Versuchtes Tötungsdelikt unter Jugendlichen, Nachtragsmeldung zur Meldung vom 1.10.2023 – Gemeinsame Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Mainz und des PP Mainz: Wie bereits berichtet kam es am Abend des 30.9.2023 in Roxheim zu einer Auseinandersetzung zwischen mehreren Jugendlichen. Im Rahmen dessen stach ein Jugendlicher auf seinen ebenfalls jugendlichen Kontrahenten ein. Die Verletzungen haben sich als derart schwerwiegend herausgestellt, dass das Opfer noch in der Nacht operiert werden musste.

Es schwebt derzeit nicht in Lebensgefahr. Der Täter wurde noch in der Nacht vorläufig festgenommen. Aufgrund fehlender Haftgründe wurde er zwischenzeitlich auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Mainz entlassen. Das K11 der Kriminaldirektion Mainz hat im Auftrag der Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wegen der Verdachts des versuchten Totschlags übernommen. Wir verweisen aufgrund des Alters aller Beteiligten auf die besonders schützenswerten Interessen und bitten daher um Verständnis, dass keine weiteren Auskünfte zu beteiligten Personen erteilt werden können”.

Die gemeinsame Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Mainz und des Polizeipräsidiums Mainz vom 1.10.2023 9:25 Uhr im Wortaut:

“Streit unter Jugendlichen eskaliert: Bei einer Auseinandersetzung zwischen mehreren Jugendlichen gegen 21 Uhr auf der Roxheimer Kerb wurde einer der Beteiligten durch Messerstiche verletzt. Der Jugendliche kam mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus. Die Ermittlungen dauern an. Zeugen des Vorfalls werden gebeten, sich beim Kriminaldauerdienst unter der Rufnummer 06131 / 65-3633 zu melden”.

Lesen Sie zum Thema auch auf dieser Seite:

01.10.2023 – “Bluttat auf der Roxheimer Kirmes”