Schock für die Stadt: ADD kündigt Verweigerung der Haushaltsgenehmigung an

Die Meinung unseres Redakteurs
Claus Jotzo

In der Sitzung des Finanzausschusses am 4. April präsentierte sich Thomas Blechschmidt tiefenentspannt. In Beantwortung einer Frage aus dem Gremium stellte der Kämmerer mit einem breiten rheinhessischen Lächeln in der Stimme fest: “ich erwarte das Haushaltsgenehmigungsschreiben der ADD (Anmerkung der Redaktion: Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion) bis zum Ende dieser Woche”. Pfiffig schob er auch noch eine Begründung nach. Denn, so Blechschmidt, dann laufe die Frist ab, die der Aufsichtsbehörde für die Bearbeitung zur Verfügung stehe. Wer wie ich rund zehn Jahre dem Finanzausschuss und fünf Jahre dem Stadtrat angehörte, konnte daraus nur schlußfolgern: bezüglich des Stadthaushaltes 2022 ist alles in trockenen Tüchern.

Wer genau hinsah, konnte bei der als Videokonferenz abgehaltenen Finanzausschusssitzung am 4. April 2022 bereits Sorgenfalten auf der Stirn des Thomas Blechschmidt erkennen. Vom tatsächlichen Ernst der Lage sprach der Kämmerer allerdings nicht. Wußte er zu diesem Zeitpunkt wirklich nichts vom vernichtenden Inhalt des ADD-Schreibens vom 30.3.2022?

Denn übergeordnete Verwaltungen wie die ADD suchen – insbesondere in Haushaltsfragen – eine enge Abstimmung mit der untergeordneten Kommunalverwaltung. Weil die “unten” natürlich Details kennen, die die “oben” schon aus Zeitgründen gar nicht erörtert sehen wollen. Kämmerer, wie der frühere Oberbürgermeister Rolf Ebbeke und Wolfgang Heinrich fuhren bei heiklen Abstimmungsfragen schon mal persönlich nach Trier. Nicht um die guten Moselweine zu genießen. Sondern um knallharte Aussprachen mit den Aufsichtsbeamten zu führen. Ebbeke und Heinrich kamen immer – ausnahmslos – mit für die Stadt guten Ergebnissen zurück. Man mußte natürlich schon immer ein gewisses Bildungs- und Kenntnisniveau haben, um das begreifen zu können.

Daran mangelt es dem großen Teil der hiesigen Kommunalpolitker*Innen und ihrem Umfeld schon seit einiger Zeit. Großsprecher und Besserwisser mit den “richtigen” Parteibüchern dominier(t)en. Kritiker wurden – auch mit Hilfe der sogenannten Lokalpresse – gerne mundtot gemacht. So mußten Ebbeke und Heinrich damit zurechtkommen, dass nur sehr wenige ihre tatsächliche Leistung für die Stadt überhaupt erkannten. Der neue Kämmerer Thomas Blechschmidt dagegen, vor noch nicht einmal einem Jahr von Teilen von CDU, SPD, Grünen, FDP und Linken ins Amt gewählt, muss bereits jetzt eine kommunalpolitische Katastrophe verantworten. Die ADD hat nämlich schriftlich angekündigt, die erforderlichen Genehmigungen für Kredite zu verweigern.

Und wörtlich “Bedenken wegen Rechtsverletzung” erhoben. Das ist in der Geschichte der Stadt Bad Kreuznach ein seit dem II. Weltkrieg einmaliger Einschnitt. Wie Blechschmidt damit umgeht, bestätigt vollinhaltlich die Bewertung, die ich am 5. April 2022 unter der Überschrift “Die 95-Tage-Bilanz des Thomas Blechschmidt” abgegeben habe. Das sind die Fakten: am Montagnachmittag (11.4.2022) wurde ich von einer nicht im Kreis Bad Kreuznach beruflich tätigen Amtsperson darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Stadt – anders als von Thomas Blechschmidt noch am 4.4.2022 angedeutet – keine Genehmigung für den vom Stadtrat am 27. Januar 2022 beschlossenen Stadthaushalt für 2022 erhalten wird. Daraufhin habe ich mich noch am 11.4.2022 unverzüglich fernmündlich mit der Pressestelle der ADD (Frau Eveline Dziendziol) und mit der Stadtverwaltung in Verbindung gesetzt.

Unter der Rufnummer des Vorzimmers des Bürgermeisters läutete (erstmals um 15:12 Uhr) das Telefon bei insgesamt 13 Anrufversuchen bis nach 16 Uhr, davon zwei über die Telefonzentrale der Stadtverwaltung, zehn Mal durch. Und drei Mal ertönte das Besetztzeichen. Daraufhin wählte ich die Stadtpressestelle an und erreichte dort den langjährigen Kollegen Hansjörg Rehbein. Diesen bat ich die Frage zu klären, ob das vom Kämmerer für Ende vergangener Woche angekündigte Haushaltsgenehmigungsschreiben bei der Stadt mittlerweile eingangen ist. Der Kollege Rehbein sagte, professionell wie immer, eine Klärung bei Bürgermeister Blechschmidt zu. Die Antwort erhielt ich am Dienstag, 12.4.2022, um 8 Uhr per Email.

Deren Inhalt lautete schlicht: “es liegt uns noch kein Genehmigungsschreiben vor”. Ich gehe davon aus, dass der Kollege Rehbein von dem gesamten Vorgang, der ja auch nicht in seine unmittelbare Zuständigkeit fällt, tatsächlich mehr nicht wußte. Daher stelle ich den Kollegen Rehbein auf diesem Weg von den nachstehenden Vorwürfen ausdrücklich frei. Dies ist deshalb erforderlich, weil das Verhalten der Stadtverwaltung in diesem Punkt Rechtsvorschriften verletzt und unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohlwohls schlicht inakzeptabel ist. Verantwortlich für das inhaltliche wie das formale Desaster: Bürgermeister und Kämmerer Thomas Blechschmidt. Zum einen war schon sein Hinweis auf die Ende vergangener Woche ablaufende Frist falsch.

Denn der von der Stadt Bad Kreuznach an die ADD gerichtete Antrag auf Haushaltsgenehmigung datiert zwar vom 7.2.2022, wurde aber erst am 9.2.2022 auf den Weg gebracht. Demzufolge lief die Zweimonatsfrist auch erst in dieser Woche ab. Aber das ist natürlich nur eine Petitesse im Vergleich zu dem, was in der vergangenen Woche tatsächlich passierte. Da traf nämlich am Mittwoch den 6. April 2022 das eingangs zitierte Schreiben der ADD vom 30. März 2022 (Aktenzeichen: 17 461-1/KH/21a), in dem die Ablehnung des Haushaltes für 2022 angekündigt wird, bei der Stadt ein. Zum Zeitpunkt meiner Anfrage bei der Stadtverwaltung war dieses Schreiben also bereits fünf Tage bekannt.

Die von Thomas Blechschmidt zu verantwortende Vorgehensweise, die ADDseits ankündigte Ablehnung den Einwohner*Innen zu verschweigen und statt dessen nur mitzuteilen, dass die – aktuell gar nicht absehbare – Genehmigung “noch” nicht vorliegt, entspricht der bürgerfeindlichen, verlogenen Rabulistik, mit der die Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer elf Jahre lang im Amt operiert hat. Und für die sie krachend abgewählt wurde. Thomas Blechschmidt und Co haben daraus offensichtlich nichts gelernt, sondern tarnen und täuschen weiter wie gewohnt. Nichts muss transparenter sein, als alle Fragen, die den Stadthaushalt betreffen. Denn nicht Blechschmidt, Dr. Kaster-Meurer und Co bringen die Millionen auf, die da rausgehauen werden.

Sondern zehntausende fleissige Bad Kreuznacher*Innen, die schon daher einen umfassenden Informationsanspruch haben. Diesen zu ignorieren und eine wahrheitsgemäße Beantwortung einer Presseanfrage zu verweigern, ist offener Rechtsbruch; ein Zentralangriff auf die Stadtdemokratie. Die Väter der Demokratie in Athen haben entsprechend handelnde Gewählte oder Ausgeloste öffentlich hingerichtet. Auch aufgrund dieses Abschreckungseffektes hat deren System hunderte Jahre – und damit viel länger als das des demokratischen Bad Kreuznach bisher – funktioniert. Bei uns bekommen solche Rechtsbrecher tarifliche Gehaltserhöhungen. Natürlich ist die Weiterentwicklung der Demokratie (Wahlrecht für alle, Abschaffung der Todesstrafe) ohne Einschränkung zu begrüßen.

Aber die faktische Straffreiheit öffentlicher Verschwendung ermöglicht Mißbrauchstatbestände, mit denen die Leistung der Bürger*Innen verhöhnt wird. Zurück zum Schreiben der ADD. In dem kommt die Vizepräsidentin der Trierer Behörde, Begona Hermann, schon im ersten Satz zur Sache. Unmißverständlich stellt sie fest: “im Rahmen meiner noch nicht abgeschlossenen Prüfung der Haushaltssatzung und des Haushaltsplans der Stadt Bad Kreuznach für das Haushaltsjahr 2022 habe ich erhebli­che Rechtsverletzungen festgestellt”. Um weiter auszuführen: “Ich möchte Ihnen jedoch bereits zum jetzigen Zeitpunkt mitteilen, dass ich auf Grundlage der bisher vorgelegten Unterlagen beabsichtige, den Beschluss des Stadtrates über die Haushaltssatzung und den Haushaltsplan 2022 vom 27.01.2022 gemäß § 121 GemO global zu beanstanden.

Ferner bin ich nicht bereit, die nach § 95 Abs. 4 Nr. 1 und 2 GemO erforderlichen Genehmigungen zu erteilen”. Die ADD beläßt es nicht dabei, das vom Stadtrat vorgelegte Zahlenwerk zu verwerfen. Sondern stellt konstruktiv fest, “welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen”, damit eine Genehmigung zu einem späteren Zeitpunkt erteilt werden kann. Die ADD-Vizepräsidentin schreibt: “Zunächst erwarte ich eine sichtbare und sukzessive Reduktion der Jahresfehlbeträge sowie der Unterdeckungen im Finanzhaushalt mit einem Konsolidierungspfad zu einem kurz- bis mittelfristigen, schnellstmöglichen, Haushaltsausgleich. Ich bitte Sie, hierbei auch die Ansätze der mittelfristigen Finanzplanung der Jahre 2023 bis 2025 entspre­chend anzupassen.

Der Zeitraum bis zum Haushaltsausgleich und die in den einzelnen Jahren dafür erforderlichen Defizitreduktionsschritte müssen geeignet sein, die Liquiditätskredit(neu-)verschuldung im größtmöglichen Umfang zu begrenzen und das Ab­schmelzen des Eigenkapitals zu verhindern. Es muss erkennbar sein, dass Sie alle möglichen Maßnahmen und Schritte unternommen haben, um die Jahresfehlbeträge so gering wie möglich zu halten. Der Haushaltsausgleich muss im Ergebnis mit einer deut­lich spürbaren, größtmöglichen Kraftanstrengung angestrebt werden”. Fast wortgleich hatte Wolfgang Heinrich in den Jahren 2018, 2019, 2020 und 2021 in den Etatberatungen des Finanzausschusses und des Stadtrates auf die dortigen Mitglieder eingeredet.

Um Einsparungsbeschlüsse zu erreichen. Er hätte auch einen Ochsen ins Horn petzen können. Denn die große Mehrheit im Finanzausschuss, voran solche luziden Persönlichkeiten wie Holger Grumbach und Günter Meurer (SPD), wußten alles besser. Anderen Funktionsträgern, wie etwa Oliver John, Werner Lorenz (beide FDP), Andrea Manz, Annette Thiergarten (beide Grüne) und Jürgen Locher (Linke) gefiel die aggressive Wortwahl des damaligen Kämmers nicht. Nach dem Motto: “lieber in freundlichen Worten höflich Dummschwätzen, als in harten Worten unhöflich die Wahrheit sagen”. Konkrete Vorschläge in die notwendige Richtung gab es von keinem der Heinrich-Kritiker*Innen. Nur niveauloses Rumgelaber oder Lippenbekenntnisse.

Lediglich eine Minderheit der Mandatsträger, wie Lothar Bastian (Grüne), Karl-Heinz Delaveaux, Wolfgang Kleudgen (letzterer bis 2019, beide FWG), Wilhelm Zimmerlin (BüFEP), Dr. Herbert Drumm (Freie Wähler) und Gerhard Merkelbach (Faire Liste) unterstützten Wolfgang Heinrichs Anliegen. Oder stellten sogar, wie Zimmerlin und Kleudgen, in stundenlanger ehrenamtlich erbrachter Leistung erarbeitete, entsprechende Anträge. Die natürlich von der Schlauberger-Mehrheit abgebürstet wurden. Formaldemokratisch vollkommen korrekt. Inhaltlich ein Griff ins Klo. Diese Unfähigkeit eines Großteils der Mitglieder der städtischen Gremien bringt die Stadtgesellschaft jetzt in größte Probleme.

Im ADD-Schreiben ist dies unter “Abschließende Hinweise” bürokratisch-freundlich wie folgt festgehalten: “ich weise darauf hin, dass mit diesem Schreiben die Frist nach § 119 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 4 GemO unterbrochen ist und eine neue zweimonatige Genehmigungsfrist mit Eingang Ihrer schriftlichen Rückmeldung auf dieses Schreiben bzw. einer erneuten Vorlage zu laufen beginnt”. Was praktisch bedeutet: in den kommenden Monaten tut sich in Sachen Genehmigung Stadthaushalt 2022 erst mal nichts. Die Stadt muss daher einen Nothaushalt “fahren”: alle Ausgaben, die nicht gesetzlich oder rechtlich zwingend sind (z.B. auf der Basis nicht kündbarer Verträge), müssen unterbleiben. Der im Mai 2024 neu zu wählende Stadtrat kann die (Un)-Tätigkeit seiner Vorgänger tatsächlich und rechtlich prüfen lassen.

In 2022 begangene Rechtsverstösse sind dann lange nicht verjährt. Wenn die Bürger*Innen das wollen, ist es – spätestens – dann möglich, die ehrenamtlichen Mandatsträger*Innen und auch die hauptamtlichen Verwaltungsmitarbeitenden, hier sind in erster Linie die Mitglieder des Stadtvorstandes und die Amtsleitungen angesprochen, soweit diese unrechtmäßig Mittel freigeben, straf- und zivilrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Dem ganzen Sachverhalt hat am Montag der Stadtvorstand der Stadt Bad Kreuznach (dieser besteht aus Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer (SPD, noch bis zum 30.6.2022 im Amt), Bürgermeister Thomas Blechschmidt und Beigeordnetem Markus Schlosser (beide CDU) die Affenkrone aufgesetzt.

Wie diese Seite berichtete, sagte der Stadtvorstand die für den 28. April 2022 geplante Stadtratssitzung ab. Begründung wörtlich: “aufgrund mangelnder Vorlagen und Tagesordnungspunkten”. Also. Die Stadt steht vor dem finanziellen Kollaps, die ADD genehmigt den Haushalt nicht, wir haben – bildlich gesprochen – mehr Baustellen als Bauarbeiter. Und die Hauptverantwortlichen machen frei. Offizielle Reaktion aus den Reihen des Stadtrates: keine. Dabei könnte allein die 12köpfige CDU-Fraktion eine Sitzung erzwingen. Die Bürger*Innen werden von ihren sogenannten Volks-Vertreter*Innen einfach im Stich gelassen. Thomas Blechschmidt wird erklären müssen, ob er das ADD-Schreiben am Montag im Stadtvorstand vorgelegt oder in anderer Weise zur Kenntnis gebracht hat.

Oder es den Kolleg*Innen dort verschwieg. Wenn Dr. Kaster-Meurer und Markus Schlosser dieses Schreiben kannten und trotzdem die Stadtratssitzung absagten, sind politische und rechtliche Konsequenzen auch für diese beiden unausweichlich. Verschwieg Blechschmidt das Schreiben, wäre das ein beispielloser Vertrauensbruch und würde seine Befähigung zur Ausübung des Kämmereramtes der Stadt Bad Kreuznach ernsthaft in Zweifel ziehen. Sollte sich Thomas Blechschmidt irgendwann einmal fragen, wer ihn in diese Situation gebracht hat, ist die Antwort leicht: seine Selbstüberschätzung. Denn er hätte vor seiner Bewerbung – z.B. auf dieser Seite – lesen können, was ihn in Bad Kreuznach erwartet. In den vergangenen Monaten hat er nicht einmal angedeutet, diesen Anforderungen gewachsen zu sein.

Und dann sind da ja noch jene Spezialisten, die in ins Amt gewählt haben. Die hätten den jetzt gescheiterten Stadthaushalt natürlich auch im November 2021 verabschieden können. Laut Dr. Kaster-Meurer im Finanzausschuss war es Blechschmidt selbst, der sich für die Verschiebung aussprach. Und sich damit den Mühlstein aus Inkompetenz und Unehrlichkeit der Stadtratsmehrheit selbst um den Hals hing. Mitleid ist hier fehl am Platz. Macht ein Taxifahrer einen Fehler, verliert er seinen Job. Die Supermarktkassiererin, die weggeworfene Pfandbons im Wert von ein paar Euro einlöste, durfte entlassen werden. Die große Mehrheit der Bevölkerung wird auf Dauer nicht zulassen, dass mit Spitzengehältern ausgestattete Wahlbeamte ungeschoren davonkommen, wenn sie erwiesenermaßen dumm getan haben.

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05.04.22 – “Die 95-Tage-Bilanz des Thomas Blechschmidt”