Wilhelm Zimmerlin erstreitet beim Oberverwaltungsgericht ein Grundsatzurteil

Unfreiwillig hat die Bad Kreuznacher Oberbürgermeisterin wieder einmal Rechtsgeschichte mitgeschrieben. Die Informationsverweigerung der Dr. Heike Kaster-Meurer hat die Klage Wilhelm Zimmerlins auf Bekanntgabe der Vergütungsstruktur der Geschäftsführer städtischer Unternehmen überhaupt erst ausgelöst. Und ihre Berufung gegen des erstinstanzliche Urteil motivierte das OVG erkennbar, die Rechtslage umfassend klarzustellen. In einem bundesweit beachteten Grundsatzurteil. Von Leck bis Konstanz gilt ab sofort die “Zimmerlin-Informations-Konstante”: alle Daten, die ein gewähltes Ratsmitglied benötigt, um auch kommunale Eigengesellschaften zu kontrollieren, muss es erhalten.

Ein Gutteil der vielen tausend Bürgermeister*Innen bundesweit, die nun einen erheblichen Mehraufwand haben, wird die Frage aufwerfen, warum Dr. Kaster-Meurer keinen anderen Weg gefunden hat, um in Bad Kreuznach Transparenz zu schaffen. Die zigtausend ehrenamtlichen Mandatsträger in Gemeinde-, Verbandsgemeinde-, Städträten und Kreistagen dagegen werden Wilhelm Zimmerlin dankbar sein, der ihnen die Arbeit für das Gemeinwohl erheblich erleichtert hat. Die Einordnung als Grundsatzurteil ist nicht zu hoch gegriffen. Das macht das Gericht in seiner umfassenden Begründung mehr als deutlich.

Das OVG Rheinland-Pfalz hat nicht nur über Zimmerlins Auskunftsanspruch als Stadtrat zur Frage der Vergütung der Geschäftsführer städtischer Gesellschaften entschieden, sondern sich in diesem Zusammenhang auch mit verschiedenen kommunalverfassungsrechtlichen Fragestellungen befasst. Die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts betreffen u.a. das Fragerecht von Ratsmitgliedern, die hiermit korrespondierende Antwortpflicht von Bürgermeistern, die Aufgabenerfüllung der Mitglieder des Gemeinderats, die Kontroll- und Steuerungsfunktion des Gemeinderats, dies insbesondere auch im Hinblick auf die gemeindeeigenen privatrechtlich organisierten Unternehmen, sowie die Schweigepflicht bei datenschutzrelevanten Informationen.

Leitsätze für die erste Instanz

Das Urteil ist für alle kommunalpolitisch tätigen Bürger*Innen relevant. Daher hat aas OVG hat aus seinem Urteil zwei Leitsätze entwickelt, die über den Einzelfall in Bad Kreuznach hinaus für die künftige Rechtsprechung aller nachgeordneten Verwaltungsgerichte der ersten Instanz verbindlich sind. Der 1. Leitsatz lautet: „Ein Gemeinderatsmitglied, das insoweit einer Schweigepflicht unterliegt, hat einen Anspruch nach § 33 Abs. 4 GemO auf Beantwortung seiner Anfrage durch die Oberbürgermeisterin betreffend die jeweilige Höhe und Zusammensetzung der Vergütung der Geschäftsführer von Gesellschaften, an denen die Gemeinde mehrheitlich beteiligt ist.“

Damit ist die bisher umstrittene Frage, ob sich das Auskunftsrecht eines Mitglieds des Gemeinderats und die Antwortpflicht von Bürgermeistern auch auf sensible Sachverhalte bei den privatrechtlich organisierten Gesellschaften der Gemeinden beziehen können, geklärt. Das stärkt die Position jedes Gemeinderats, denn die Bürgermeister müssen künftig eine Antwortverweigerung mit gerichtsfesten Argumenten begründen. Dies trifft jedenfalls bei Anfragen von Ratsmitgliedern zu, die berechtigterweise auf eine vollständige Beantwortung bestehen. Selbstverständlich ist die Schweigepflicht gemäß § 20 GemO zu beachten.

Der 2. Leitsatz lautet: „§ 90 Abs. 2 GemO begrenzt Inhalt und Umfang des Fragerechts und der korrespondierenden Antwortpflicht nach § 33 Abs. 4 GemO nicht.“ Dieser Leitsatz korrigiert zum Teil das Urteil aus der ersten Instanz. Das Verwaltungsgericht hatte die unzutreffende Rechtsauffassung vertreten, wonach § 90 Abs. 2 GemO das umfassende Fragerecht von Gemeinderatsmitgliedern nach § 33 Abs. 4 GemO einschränke. Dies ist jedoch nicht der Fall. § 90 Abs. 2 GemO normiert lediglich die Pflicht der Verwaltung, dem Gemeinderat einen Beteiligungsbericht mit den notwendigen Angaben, u.a. zu den gewährten Gesamtbezügen der Mitglieder der Geschäftsführung, vorzulegen.

Bundesweit gefestigte Rechtsprechung

Die vom OVG definierte maximale Reichweite des Fragerechts eines Ratsmitglieds, insbesondere bei privatrechtlich organisierten Unternehmen der Gemeinden geht, ist nicht nur aus Bad Kreuznacher Sicht, sondern auch bundesweit ein Thema. Die obergerichtliche Rechtsprechung dazu war bisher jedoch noch recht spärlich. Das Thüringer Oberverwaltungsgericht hatte sich im Jahr 2013 mit einer vergleichbaren Streitfrage über die Auskunftserteilung zur Vergütung von Geschäftsführern auseinandergesetzt (ThürOVG, Urteil vom 14.11.2013, 3 KO 900/11).

Der Vergleich des jeweiligen Urteiltenors und der Entscheidungsgründe zeigt, dass das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz und das Thüringer Oberverwaltungsgericht auf einer Linie liegen. “Da abweichende obergerichtliche Urteile nicht existieren, kann man jetzt aufgrund des aktuellen Urteils des OVG Rheinland-Pfalz von einer bundesweit gefestigten Rechtsprechung ausgehen,” freut sich Wilhelm Zimmerlin.

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