Dr. Herbert Drumm (Freie Wähler) zur Kommunalisierung des ÖPNV

Gastbeitrag von
Dr. Herbert Drumm

Die Diskussion um die Privatisierung des Öffentlichen Personen-Nahverkehrs lässt immer stärker befürchten, dass es mal wieder auf eine nicht ausreichend durchdachte Entscheidung hinausläuft, die den Steuerzahler viele unnötige Millionen Euro kosten und keine zufriedenstellende Lösung bringen wird. Aufgaben- und damit Machtzuwachs sowie der Beweis von Entscheidungsfreudigkeit scheint mal wieder die dringend nötigen rationalen Überlegungen in den Hintergrund zu schieben, begründet durch drängende – aber selbst verschuldete – Zeitnot. Was ist die Position der Freien Wähler im Kreis Bad Kreuznach? Nun, hier liegt eine Situation mit vielen Unbekannten vor, z.B.:

– Es wurde ein völlig neues Strecken- und Mobilitätskonzept beschlossen.
– Es soll kommunalisiert werden, ohne die regionalen Busunternehmen zu gefährden.
– Es gibt noch wichtige ungeklärte Rechtsfragen.
– Es ist völlig unsicher, wie das Mobilitätsverhalten der Bevölkerung nach der Pandemie aussieht.
– Die Corona-Pandemie beschleunigt auch die Weiterentwicklung des autonomen Fahrens. Es ist davon auszugehen, dass in absehbarer Zeit ein großer Teil des ÖPNVs gerade in ländlichen Gebieten durch kleine, selbständig fahrende Einheiten bedient werden kann.

Dies alles zeigt, dass man dringend mehr Zeit, mehr Erfahrungen und genauere Zukunftsprognosen braucht, bevor eine so weitreichende und unglaublich teure Entscheidung getroffen werden darf. Jeder, der sich mit Regelungssystemen befasst hat oder schon mal ein Strategiespiel gespielt hat, weiß, dass bei gleichzeitigem Verändern so vieler Stellschrauben in der Regel Chaos entsteht. Wir, die Freien Wähler, sind nicht gegen eine Kommunalisierung, bestehen aber auf einer echten Entscheidungsgrundlage durch eine genügend lange Probephase. Daher unser Vorschlag, den wir auch als Antrag im Kreistag stellen werden:

Die Leistungen des ÖPNVs sollen noch einmal ausgeschrieben werden, z.B. für vier Jahre, und zwar mit deutlich benannten neuen Vorgaben (Umweltaspekte, Eingriffsmöglichkeiten einer Steuerungsgruppe zur Garantie eines reibungslosen Ablaufs, Situation der Fahrer, Schülertransporte usw.).In dieser Zeit zeigt sich das Benutzerverhalten nach der Pandemie und es können Rechtsfragen sowie die Einbeziehung regionaler Unternehmen in eine eventuelle Kommunalisierung geklärt werden. Danach ist das Konzept unbedingt gründlich zu überarbeiten, insbesondere im Hinblick auf autonomes Fahren. Parallel dazu muss eine verantwortungsvolle Entscheidung zur Kommunalisierung vorbereitet und dann getroffen werden. Denn nach dem Kauf von Bussen und der Einstellung von Fahrern ist der kommunale Bereich kaum noch flexibel und die Kosten einer Fehlentscheidung wären deutlich höher als die einer kurzen Ausschreibungslaufzeit.

Zur Stadt Bad Kreuznach: Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Stadt sich eigenständig an einer kommunalen Gesellschaft beteiligen soll, wodurch sie mit erheblichen Kosten in voraussichtlich Millionenhöhe belastet würde. Der ÖPNV ist Aufgabe des Kreises, das Streckenkonzept muss großflächig geplant werden und – ganz im Gegensatz zum Jugendamt – sind bei einer eigenen Beteiligung keine Vorteile für die Stadt zu erwarten. Warum also? Zum Schluss: Eigentlich ist der ÖPNV und seine Finanzierung Landesaufgabe. Es ist daher nicht zu verstehen, warum sich kommunale Bereiche darum reißen, ohne einen Kostenausgleich durch das Land einzufordern – und das in Wahlkampfzeiten.

Dr. Herbert Drumm ist Kreistags- und Stadtratsmitglied für die Freien Wähler