Stadt will die Trinkkur in Bad Münster einstellen

Von Claus Jotzo

Die Ankündigung dieser Seite über die Themen der am heutigen Montagabend (29.4.2024) in Bad Münster stattfindenden Ortsbeiratssitzung hat für kommunalpolitische Wellenschläge gesorgt. Wahrheitsgemäß hatten wir berichtet, dass die Stadt plant, die Trinkkur im Kurmittelhaus Bad Münster am Stein-Ebernburg einzustellen. Und ebenfalls korrekt festgestellt, dass die entsprechende Beschlussvorlage weder eine Drucksachennummer noch eine inhaltliche Begründung enthält. Die Reaktionen waren heftig. Denn die Trinkkur hat offenbar mehr Freunde als Nutzer*Innen. Die Anhänger der rund zwei Jahrhunderte alten medizinischen Anwendung wollen auf diese ganz und gar nicht ersatzlos verzichten.

Und erkannten in der Unterschlagung der Begründung durch die Verwaltung eine Vertuschungstaktik. Richtig ist: auf der Stadtseite ist die Vorlage noch am heutigen Montagmorgen (29.4.2024) um 5:04 Uhr nicht eingestellt. Und eine Drucksachennummer, für ordentliche Verwaltungen eine Selbstverständlichkeit, ist ebenfalls bisher nicht vergeben. Aber Mitte vergangener Woche haben immerhin die Mitglieder des Ortsbeirates die schriftliche Begründung der Verwaltung erhalten, um sich auf Beratung und Entscheidung vorbereiten zu können. Aufgrund des Hinweises dieser Seite hat Ortvorsteherin Dr. Bettina Mackeprang am gestrigen Sonntag auch der Presse das Dokument zur Verfügung gestellt:

Die Beschlussvorlage zur Einstellung der Trinkkur im Wortlaut:

Beschlussvorschlag:

Der Ortsbeirat empfiehlt stimmt dem Plan der Stadt Bad Kreuznach, die Trinkkur im Kurmittelhaus Bad Münster am Stein – Ebernburg einzustellen, zu.

(Anmerkung der Redaktion: die Formulierung ist zwar grammatikalisch falsch, steht aber wörtlich so in der Beschlussvorlage)

Erläuterungen:

Die mit der Unterhaltung der Trinkkur beauftragte Gesundheit und Tourismus für Bad Kreuznach GmbH (GuT) erläutert die Überlegung zur Einstellung der Trinkkur wie folgt: „Seit dem Bau des Kurmittelhauses 1910/1911 wird dort in der Trinkhalle die Trinkkur angeboten. Dafür wird das Wasser der Rheingrafenquelle bzw. der Nordquelle verwendet. Es wird aus der Brunnenkammer zu den Trinkhähnen in der Trinkhalle gepumpt. Mit der Erlaubnisurkunde vom 1.8.1996 wurde die Abgabe der Trinkkur auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt. Es wurde die Erlaubnis erteilt, das natürliche Heilwasser der Rheingrafenquelle zum Zwecke der Abgabe an andere zu gewinnen. Unter denen genannten Anwendungsformen wurde ausdrücklich die Trinkkur genannt. Im Sinne der Aufgabenkontrolle – ist es sinnvoll die Trinkkur weiter anzubieten – sind Aufwand und Nutzen gegeneinander abzuwiegen:

a) Aufwand

Der Betrieb der Trinkkur unterliegt dem Arzneimittelrecht. Aufsichtsbehörde ist das Landesamt für Soziales und Gesundheit, Betriebssitz Trier. Gemäß den gesetzlichen Auflagen sind eine sachkundige Aufsichtsperson, ein Herstellungs- und Kontrollleiter und ein Stufenplanbeauftragter und ein Informationsbeauftragter zu bestellten. Es sind monatliche Hygieneprüfungen durch das Labor Haase-Aschoff durchzuführen und zu dokumentieren. Seit 2016 ist das Leitungsnetz verkeimt, so dass die einwandfreie Hygiene nur durch einen UV-Filteranlage gewährleistet ist. Sie muss täglich kontrolliert und gereinigt werden.

Infolge der Überschreitung der Barium-Grenzwerte muss sichergestellt sein, dass der Konsum des Heilwassers auf 200 ml pro Tag beschränkt bleibt. Dies wird durch Aushang mitgeteilt. Derzeit ist die Trinkkur außer Betrieb, weil zum wiederholten Mal die Pumpe, die das Heilwasser zur Trinkanlage fördert durch in das UG eindringendes Hochwasser zerstört wurde. Das gesamte Leitungsnetz (Wasser, Abwasser, Heilwasser) ist zu dokumentieren und zu sanieren. Die laufenden wiederkehrenden Kosten belaufen sich auf ca. 20.000,- für Kontrollen, 6.000,- €, Betriebsleitung 5.000,– €, Beauftragungen 2.000, – € und Fremdleistungen.

b) Nutzen

Die Trinkkur ist ein traditionelles Element der Badekur und erfreute sich vor allem im 19. Jahrhundert großer Wertschätzung. Ihre medizinische Bedeutung hängt von den mineralischen Bestandteilen ab. Das letzte medizinische Gutachten für die medizinische Nutzung des Heilwassers aus dem Jahr 1984 führte aus: ‚Selbst während der verflossenen Periode des Bäderwesens, in der die Trinkkur ganz obenan in der Wertschätzung und in der Häufigkeit des Gebrauchs stand, haben Wässer mit einer Kochsalzkonzentration entsprechend der Rheingrafenquelle nur eine untergeordnete Rolle gespielt.‘

‚Allenfalls ist die oft beobachtete und therapeutisch verwertete Anregung der Magensaftsekretion zumindest teilweise dem Kochsalzgehalt zuzuschreiben. Eine Anwendung mit diesem Ziel muss auf jeden Fall auch von der Temperatur, der Flüßigkeitsmenge und der zeitgerechten Einnahme her richtig dosiert werden.‘ (Dirnagel, K. und Prof. Dr. med. H. Drexel: Wissenschaftliches Gutachten zum Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit der Heilwässer und Heilgase in Bad Münster am Stein-Ebernburg, München 1984, S.9).

Es gibt somit angesichts des Mineralgehaltes keine Indikation, für die der Genuss des Thermalwassers einen therapeutischen Nutzen darstellen könnte. Die Trinkkur wird andernorts bei Heilwässern, die die Inhaltsstoffe Kohlsäure, Magnesium, Sulfat, Schwefel, Glaubersalz und Hydrogencarbonat in relevanten Mengenanteilen enthalten für therapeutische Zwecke angewandt. Auch für die Anerkennung des Heilbades Bad Kreuznach – Bad Münster am Stein-Ebernburg (gemeinsame Anerkennung seit 2021) spielt die Abgabe der Trinkkur keine Rolle.

Somit bliebe nur die Möglichkeit zu bedenken, dass die Trinkkur ein Angebot ist, dass von Gesundheitsgästen der Stadt erwartet wird. Eine solche Nachfrage ist nicht erkennbar. Das Heilwasser wird vor allem „im Vorbeigehen“ beim Besuch des Kurparks gekostet, möglicherweise auch von Menschen der Region für den Eigengebrauch abgefüllt. Eine gesundheitstouristische Bedeutung ist damit jedoch nicht verbunden.

c) Risikofaktoren

Da das Wasser nur mit technischen Hilfsmitteln für den Trinkgebrauch aufbereitet wird, ist stets das Risiko geben, dass durch technische Probleme oder Unachtsamkeit eine Verkeimung erfolgt, die gesundheitliche Folgen mit sich bringt. Seit 2002 sind bei gesundheitlichen Schäden die Verbraucherrechte in der Weise gestärkt, dass bei nachgewiesener Schädigung eine Kausalitätsvermutung gegenüber dem Hersteller geltend gemacht werden darf, insoweit das Arzneimittel der Möglichkeit nach eine Schädigung bewirken kann.

Das wäre z.B. bei Überdosierung der Fall. Weitere Risikofaktoren sind die Aufwendungen für die Instandhaltung der Technik, Kostensteigerungen für die Beauftragungen und zusätzliche Auflagen zur Qualitätssicherung. Zudem ist zu erwarten, dass bei der Suche nach neuen Nutzungen, die Trinkkur als Störfaktor angesehen werden könnte. Ein weiteres praktisches Problem stellt die EU-Verpackungsverordnung dar, die vorsieht, dass neben den Trinkbechern auch ein wiederverwertbares Trinkgefäß angeboten werden muss.

Hierfür ist derzeit keine organisatorische Lösung möglich, da vor Ort nur der Cafebetrieb ansprechbar ist, der aber eine Mitwirkung durch den Verkauf von Trinkgefäßen nicht leisten kann. In der Gesamtbetrachtung hat daher die GuT als die mit der Unterhaltung beauftragte Stelle der Stadt als Eigentümerin empfohlen, die Aufgabe der Trinkkur zur Diskussion zu stellen.“ Soweit die Ausführung von Herrn Vesper als Geschäftsführer der GuT.”