“Wo wir was riechen, werden wir einschreiten!”

Von Adrian Rahmani
und Claus Jotzo

Kiffen ist auf dem Jahrmarkt 2024 streng verboten. Die entsprechende Allgemeinverfügung (unten im Wortlaut abgedruckt) wurde von der Stadt vor rund zwei Wochen amtlich bekanntgemacht. In der Jahrmarktspressekonferenz am gestrigen Dienstagnachmittag (30.7.2024) stellte Ordnungsdezernent Markus Schlosser, der auch Jahrmarktsbürgermeister ist, dazu fest: “wo wir was riechen, werden wir einschreiten!” Mit “wir” sind rund 12 Kräfte des städtischen Vollzuges, deren Kolleg*Innen von anderen Dienststellen, Kräfte der Bundespolizei, der Polizeiinspektion Bad Kreuznach und der Bereitschaftspolizei gemeint.

Ob diese Verfügung einer (späteren) gerichtlichen Überprüfung standhalten wird und gegebenenfalls verhängte Strafen tatsächlich durchgesetzt und vollstreckt werden können, werden wohl Gerichte entscheiden müssen. Denn von Tippfehlern abgesehen ist die ein oder andere Formulierung in der Allgemeinverfügung zumindest unklar. Etwa die in Ziffer 4 “Zwangsgeld / Ordnungswidrigkeit”. Dort ist bestimmt: “Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen das Verbot in Nummer 1 dieser Allgemeinverfügung wird ein Zwangsgeld in Höhe von 150 Euro, nach § 2 Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz (LVwVG) i. V. m. §§ 62, 64 sowie § 66 LVwVG zur Zahlung fällig.

Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen das Verbot in Nummer 1 dieser Allgemeinverfügung kann eine Ordnungswidrigkeit in Höhe von 500 Euro, nach § 36 Absatz 1 Nummer 4 in Verbindung mit Absatz 2 des Gesetzes zum Umgang mit Konsumcannabis (KCanG), zur Zahlung fällig werden”. Welche dieser beiden Bestimmungen gilt nun? Satz eins oder Satz zwei? Und in der zweiten wird für den Fall der Zuwiderhandlung nicht etwa eine Geldbuße, sondern eine “Ordnungswidrigkeit” “… zur Zahlung fällig”. Wie soll das gehen? Der Bundesgerichtshof (BGH) und das Bundesverwaltungsgericht haben in ähnlichen Fällen sinngemäss geurteilt:

Eine öffentliche Verwaltung ist zur unmissverständlichen Formulierung der von ihr erlassenen Reegeln verpflichtet. Wird dies nicht erreicht, ist die entsprechende Regel unwirksam. Wie kurios die Regeln auch abseits von formaljuristischen Betrachtungsperspektiven sind, wird an folgenden Umständen deutlich: das Konsumverbot gilt ausdrücklich nicht für den größten Teil des fürs Publikum zugänglichen Jahrmarktgeländes (abzüglich der 100-Meter-Zone gemessen ab dem Zaun des Moebus-Stadions) am Fleeschworscht-Dunnerschdaach. Weil das kein amtlicher Jahrmarktstag ist. Und dieser Tag in der Allgemeinverfügung nicht angeführt ist.

Obwohl sich auch an diesem Abend und in der Nacht auf den Freitag (siehe vergangenes Jahr) viele tausend Menschen auf dem Gelände aufhalten. Ebenfalls nicht verboten ist das Kiffen für all jene, die sich an den Jahrmarktsmorgenden ab 3 Uhr auf den Heimweg machen. Auch das sind – wir sprechen da (bezogen auf die Uhrzeit und den Heimweg) auch aus persönlicher Erfahrung – je nach Wetter- und Stimmungslage viele hundert Personen. Der Fall zeigt, wie schwer es ist, das inhaltlich bedenkliche und regeltechnisch stümperhaft zusammengeschusterte Bundesgesetz Konsumcannabisgesetz (KCanG) vor Ort praktisch umzusetzen.

Die von der Stadt erlassene Allgemeinverfügung im Wortlaut:

“Verbot des öffentlichen Konsumierens von Cannabis im Veranstaltungsbereich des Bad Kreuznacher Jahrmarktes 2024

Aufgrund der §§ 1, 2, 3 und 9 des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (POG) vom 10.11.1993, (GVBl. S. 595), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 23.09.2020 (GVBl. S. 516), i. V. m. §§35 Satz 2, 41, 43 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) vom 23.01.2003 (BGBl. I S. 102), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 4. Dezember 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 344) i. V. m. § 5 Abs. 1 Konsumcannabisgesetz (KCanG) vom 27.03.2024 (BGBl. 2024 I Nr. 207) ergeht folgende Allgemeinverfügung

1. Anordnung: Untersagung des öffentlichen Konsumierens von Cannabis
In der Zeit von Freitag, 16.8.2024, bis Dienstag, 20.8.2024, ist das Konsumieren von Cannabis zu den in Nummer 2 näher definierten Zeiten auf der Pfingstwiese unter den unter Nummer 3 definierten Bereichen (Jahrmarktsgelände) gem. § 9 Abs. 1 POG untersagt.

2. Zeitlicher Geltungsbereich:
Das Verbot unter Nummer 1 gilt aufgrund der andauernden und besonderen Gefahrenlage für die gesamte Zeit des Jahrmarktes:
Freitag, 16.08.2024 von 12 Uhr bis 3 Uhr (am Folgetag)
Samstag, 17.08.2024 von 10 Uhr bis 3 Uhr (am Folgetag)
Sonntag, 18.08.2024 von 11 Uhr bis 3 Uhr (am Folgetag)
Montag, 19.08.2024 von 10 Uhr bis 3 Uhr (am Folgetag)
Dienstag, 20.08.2024 von 10 Uhr bis 3 Uhr (am Folgetag)

3. Räumlicher Geltungsbereich
Das Konsumverbot von Cannabis nach Nummer 1 erstreckt sich auf die Veranstaltungsfläche des Jahrmarktes auf der Pfingstwiese. Übersichtsplan „Veranstaltungsfläche“ Jahrmarkt Bad Kreuznach (siehe Anlage 1) Der räumliche Geltungsbereich der Allgemeinverfügung kann dem beigefügten Kartenausschnitt (Anlage 1) entnommen werden. Dieser ist Bestandteil der Allgemeinverfügung.

4. Zwangsgeld / Ordnungswidrigkeit
Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen das Verbot in Nummer 1 dieser Allgemeinverfügung wird ein Zwangsgeld in Höhe von 150,00 Euro, nach § 2 Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz (LVwVG) i. V. m. §§ 62, 64 sowie § 66 LVwVG zur Zahlung fällig. Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen das Verbot in Nummer 1 dieser Allgemeinverfügung kann eine Ordnungswidrigkeit in Höhe von 500 Euro, nach § 36 Absatz 1 Nummer 4 in Verbindung mit Absatz 2 des Gesetzes zum Umgang mit Konsumcannabis (KCanG), zur Zahlung fällig werden.

5. Anordnung der sofortigen Vollziehung
Aus Gründen des öffentlichen Interesses wird die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) des unter Nummer 1 geschilderten Verbotes angeordnet, mit der Folge, dass ein Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung mehr entfaltet.

6. Widerrufsvorbehalt
Diese Allgemeinverfügung ergeht unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs.

7. Bekanntgabe
Die Allgemeinverfügung gilt gem. § 41 Absatz 4 Satz 4 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) mit dem auf die Bekanntmachung folgenden Tag als bekannt gegeben.

8. Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe bei der Stadtverwaltung Bad Kreuznach Widerspruch erhoben werden. Gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann bei dem Verwaltungsgericht Koblenz, 56065 Koblenz, ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gestellt werden.

Hinweise:
Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO haben Widerspruch und Klage wegen der Anordnung der sofortigen Vollziehung keine aufschiebende Wirkung, sodass die Allgemeinverfügung auch dann befolgt werden muss, wenn sie mit einem Widerspruch oder einer Klage angegriffen wird. Gemäß § 41 Abs. 4 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) ist nur der verfügende Teil einer Allgemeinverfügung öffentlich bekannt zu machen. Die Allgemeinverfügung mit ihrer vollständigen Begründung kann ab sofort mit Terminvereinbarung beim Ordnungsamt der Stadt Bad Kreuznach, Brückes 2-8, 55545 Bad Kreuznach, eingesehen werden. Stadt Bad Kreuznach, 15.7.2024 Ordnungsamt i.A. (Manhart)”