Recherchiert und bewertet von unserem Redakteur
Claus Jotzo
Bürgermeister Thomas Blechschmidt meint es nach eigenen Angaben nur gut mit dem Bosenheimer Bad. Aus diesem Grund hat er, so erklärt es der Kämmerer auf Anfrage, für die heutige Stadtratssitzung eine Beschlußvorlage (Drucksachennummer: 23/156) mit dem Betreff “Freibad Bosenheim” auf die Tagesordnung setzen lassen. Diese ist erst seit dem gestrigen Mittwochnachmittag im Ratsinformationssystem eingestellt, so dass sich auch die Stadtratsmitglieder erst 30 Stunden vor der Entscheidung damit beschäftigen konnten (also jene, die sonst nichts zu tun haben).
Der Beschlußvorschlag lautet: “der Stadtrat beschließt die vorzeitige Freigabe der Haushaltsmittel in Höhe von 150.000 € für den Betrieb des Freibades Bosenheim in der Saison 2023”. In der Begründung wird darauf hingewiesen, dass der Betrieb des Bades über eine Fremdfirma sichergestellt werden müsse. Und die werde diesen Auftrag nur annehmen und ausführen, wenn dieser bis morgen, als dem 31.3.2023, erteilt werde. Da aber morgen keine Haushaltsgenehmigung vorliegen wird, benötige er, so Blechschmidt, eine Freigabe der Mittel durch den Stadtrat, weil er die Verantwortung dafür nicht übernehmen könne.
Genau diese Einschätzung des Bürgermeisters trifft auf Widerspruch. Der Fachanwalt für Verwaltungsrecht Herbert Emrich hat der Stadtverwaltung seine Rechtsauffassung in dieser Sache bereits schriftlich mitgeteilt. Diese wird den Stadtratsmitgliedern und der Öffentlichkeit leider vorenthalten und ist (Stand 30.3.2023 um 7 Uhr) nicht im Ratsinformationssystem eingestellt. Ganz nach dem Motto: verwirre uns nicht mit Fakten. Die Vorgehensweise des Bürgermeisters ist aber auch von Aussenstehenden leicht zu beurteilen, wenn man sich die Mühe macht, sich mit der Sachlage zu befassen.
Richtig ist, dass der am 15.12.2022 vom Stadtrat beschlossene Stadthaushalt für 2023 leider erst rund vier Wochen später bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) in Trier vorgelegt wurde. Dieser Umstand liegt nicht an mangelndem Arbeitseinsatz der Kämmerei. Sondern an der Tatsache, dass zusätzlich zum Beschlussprotokoll eine Reihe von ergänzenden Unterlagen erstellt werden müssen. Das führte dazu, dass in der Stadtkämmerei – trotz dem für die vier Tage “zwischen den Jahren” vom Oberbürgermeister verfügten Verwaltungsschliessung – auch Ende 2022 gearbeitet wurde.
Die ADD benötigte dann wiederum sieben Wochen, um der Stadt mit Schreiben vom 2.3.2023 (Eingang am 9.3.2023!) mitzuteilen, dass das Prüfverfahren wegen angeblich oder tatsächlich fehlender Unterlagen unterbrochen werden müsse. Die ganze Wahrheit brachte dann aber erst eine Nachfrage von Thomas Blechschmidt vom 14.3.2023 bei der ADD und dem rheinland-pfälzischen Innenministerum ans Licht. Dem am selben Tag mit dem Jugendhilfeausschuss in Sachen “CDU-Antrag Kita Planig” zusammengekommenen Finanzausschuss teilte der Kämmerer sichtlich betroffen mit:
Die Finanzaufsicht habe ihm erklärt keinerlei Vorabkreditaufnahme für Investitionsmaßnahmen zu genehmigen, wenn diesen Beträgen nicht Einnahmeverbesserungen (= Steuererhöhungen) gegenüberstehen, solange die Stadt keinen ausgeglichenen Haushalt beschliesst. Die Vorarbeiten für einen Haushalt mit – zumindest auf dem Papier – mehr Einnahmen als Ausgaben, haben Stadtverwaltung und Finanzausschuss am Montag dieser Woche (27.3.2023) erbracht (diese Seite berichtete). Aber auch wenn der Stadtrat diese Vorgehensweise heute erwatungsgemäß mit großer Mehrheit absegnet, liegt noch keine Haushaltsgenehmigung vor.
Die wird es aufgrund der bürokratischen Erfordernisse erst in etwa einem Monat oder sogar später geben. Thomas Blechschmidt behauptet nun, ohne diese Genehmigung könne er die 150.000 Euro an die BAD nicht auszahlen und / oder zusagen. Und besteht daher auf dem eingangs beschriebenen weiteren Stadtratsbeschluss. Und übersieht dabei, dass diese 150.000 Euro im Ergebnishaushalt der Stadt verbucht sind. Aus dem hat die Stadtkasse bis heute in 2023 bereits zweistellige Millionenbeträge ausbezahlt – auch ohne Haushaltsgenehmigung. Natürlich haben alle städtischen Bediensteten pünktlich ihre Gehälter bekommen.
Natürlich wurden Mieten und Pachten bezahlt. Natürlich wurden Sachausgaben getätigt usw. Und der Betrieb der Stadtverwaltung im Interesse der Einwohner*Innen auch ohne Haushalt fortgesetzt. Es werden ja auch fortlaufend Abgaben, Gebühren und Steuern eingenommen. Geld ist da. Und weil diese Zahlungen durch entsprechende vertragliche Verpflichtungen rechtlich abgesichtert und damit unabweisbar sind. Genau so, wie der Betrieb des Bosenheimer Bades. Bei dem ist es sogar eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung, die die Öffnung erzwingt. Das aber möchte Thomas Blechschmidt nicht einsehen.
Und geht mit seiner Verwaltungsvorlage gleich mehrere erhebliche Risiken ein. Zum einen können seinem Beispiel folgend künftig alle Stadtratsfraktionen, solange die Haushaltsgenehmigung nicht vorliegt, entsprechende Anträge einbringen. Auch mit gegenteiligem Tenor. Also mit dem Beschlußvorschlag, diese oder jene Ausgabe nicht zu tätigen, solange kein grünes Licht aus Trier vorliegt. Was passiert denn, wenn der Stadtrat heute der Ausgabe nicht zustimmt? Dann kann Blechschmidt den Schwarzen Peter für die Nichtöffnung zwar öffentlich weitergeben.
Aber das Bosenheimer Bad bleibt trotzdem zu. Mit all den sozialen und juristischen Folgen. Deren materielle Belastung weit über den 150.000 Euro liegen wird. Denn statt endlich gemeinsam nach vorn zu blicken, wird viel Energie dann weiter in Hick-Hack gegeneinander verwendet. Ausserdem macht Blechschmidt mit seiner Vorlage auf eine Reihe weiterer unerfreulicher, auch seine eigene Tätigkeit betreffende, Punkte vermeidbar aufmerksam. Thomas Blechschmidt ist der Aufsichtsratsvorsitzende der BAD GmbH. Und dort der Vertreter des Alleingesellschafters Stadt Bad Kreuznach.
Wieso hat er diese Machtfülle nicht genutzt, die Betreiberfrage des Bades rechtzeitig klären zu lassen? Also schon in 2022? Warum muss diese Existenzfrage des Bades 24 Stunden vor Fristablauf entschieden werden? Welcher verantwortlich handelnde Badbefürworter geht denn so nachlässig vor? Und auch ein zweiter wesentlicher Punkt ist nach wie vor vollkommen offen, ja sogar ohne Sachstandsmitteilung. Vor vielen Monaten hat der Stadtrat beschlossen ein Verfahren einzuleiten, um den Eingemeindungsvertrag, aus dem sich die Verpflichtung zum Betrieb des Bosenheimer Bades ergibt, prüfen und ggf ändern zu lassen.
Zu diesem wichtigen Thema liegt bis heute keinerlei Information der Verwaltung zu den diesbezüglich zwischenzeitlich erbrachten Arbeiten vor. Die Blechschmidt-Vorlage für die heutige Stadtratssitzung stellt diese Punkte jetzt in den Fokus. Ohne diese Vorlage wäre das Thema im Haushaltsgenehmigungsstreit untergegangen. Weder im Stadtrat noch in der Öffentlichkeit thematisiert worden. Jetzt wollen natürlich alle wissen, wieso sich schon wieder monatelang nichts getan hat. Einer könnte all diese Themen mit einer Erkärung und einer Anweisung in Minuten beenden: Oberbürgermeister Emanuel Letz.
Er könnte zunächst vor Eintrit in die Tagesordnung die Blechschmidt-Vorlage (noch TOP 6) zurückziehen. Und am morgigen Freitag die Auszahlung der 150.000 Euro an die BAD anweisen. Also Verantwortung übernehmen. Mal sehen, wie es kommt. Wen das interessiert: die heutige Stadtratssitzung ist wie fast immer öffentlich, beginnt um 17:30 Uhr und findet im Sitzungssaal des Sparkassengebäudes statt (Eingang Rossstrasse). Der Eintritt ist frei. Für mehrere Dutzend Einwohner*Innen stehen Sitzplätze zur Verfügung. Und ganz am Anfang sind – auf drei Minuten Redzeit pro Person begrenzt – Fragen und Anregungen zur Stadtpolitik erlaubt.