Steinschlag bedroht Wohnhaus: Liegenschaftsamt täuscht Ausschuß und Stadtrat

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Claus Jotzo

Die Bewohner*Innen des Hauses Bismarckstrasse 29 in Bad Münster haben gewichtige Sorgen. Von den Grundstücken seitwärts und oberhalb ihrer 9-WE-Eigentumswohnanlage stürzen Steine und Felsbrocken auf Grundstück und Haus. Ein Teil dieser Verursacherflächen gehört der Stadt Bad Kreuznach. Deren Rechtsvorgängerin, die ehemals selbstständige Stadt Bad Münster (seit 2014 nur noch ein städtischer Ortsbezirk) er- und anerkannte die Bedrohung. Und ließ vor rund elf Jahren einen Schutzraun errichten. Dessen Wirkung ist umstritten. Fakt ist, dass auch nach dem Bau der mehrere zehntausend Euro teuren Schutzmaßnahme Steinschläge und Schuttströme weiter auf das Grundstück Bismarckstrasse 29 einwirken.

Jörg Fechner begutachtet vor Ort die Schuttströme und Steinbrocken.

Am 5. Juli 2022 wurden die Mitglieder des städtischen Grundstücksausschusses erstmals von der Stadtverwaltung mit der Sache befaßt. Am 21. Juli 2022 folgte eine Beratung und Entscheidung im Stadtrat. Beides in nichtöffentlicher Sitzung. Heute ist klar: die Verwaltung nutzte den für Grundsückssachen grundsätzlich vorgeschriebenen Ausschluß der Öffentlichkeit, um die ehrenamtlichen Mandatsträger unauffällig zu täuschen. Bereits am 27.7.22 berichtete diese Seite unter der Überschrift “Wohnhaus durch Steinschlag akut bedroht”. Aufgrund dieser Berichterstattung bemühte sich der AfD-Fraktionsvorsitzende im Rat der Stadt, Jörg Fechner, um eine Aufklärung der Sache.

Interessiert liest das Stadtratsmitglied Dokumente, die ihm die Stadtverwaltung bei Beratung und Beschlussfassung vorenthalten hatte. Miteigentümer Rudolf Hildebrandt (links) ist vom Umgang der Stadt “menschlich tief enttäuscht”.

Als einziger der ehrenamtlichen Kommunalpolitiker vereinbarte er einen Ortstermin. Vor Ort mußte sich Fechner am Freitag vergangener Woche nicht nur von der Gefährdung des Hauses überzeugen. Sondern erhielt von der Hauseigentümergemeinschaft Einblick in Dokumente, die ihm allesamt von der Stadt nicht vorgelegt wurden. Darunter eine “Bauordnungsrechtliche Verfügung” der Stadt vom 13. März 2019. Und ein “Geotechnisches Gutachten” der geo-international Dr. Johannes Feuerbach GmbH. Das datiert vom 21. April 2022. Und wurde – dieser Fakt ist ausdrücklich auf Blatt eins vermerkt – vom Amt für Wirtschaftsförderung und Liegenschaften der Stadt Bad Kreuznach in Auftrag gegeben.

Trotz des vor rund elf Jahren errichteten Schutzzaunes drücken Schuttströme von mehreren Seiten auf das Privatgrundstück.

Diese und andere Dokumente sah Jörg Fechner in Bad Münster zum ersten Mal: “weder im Grundstücksausschuss noch im Stadtrat wurden diese relevanten Unterlagen vorgelegt. Wir wurden getäuscht. Hätte ich diese Unterlagen gekannt, hätte ich dem Beschluß niemals zugestimmt”. Beim Lesen der Unterlagen wurde Fechner klar, welchen Hintergrund die Täuschungshandlung hatte. Die “Bauordnungsrechtliche Verfügung” der Stadt vom 13. März 2019 beweist nämlich, dass trotz des vor Jahren errichteten Schutzzaunes weiterhin eine Gefahr von städtischen Grundstücken auf das Privatanwesen ausgeht. Und der Erfolg der Eigentümer gegen die städtische Verfügung, die bis heute nicht rechtskräftig wurde, dokumentiert die starke juristische Position der Privatleute.

Der Grund für die Verheimlichung des Gutachtens ist vielschichtig. Zum einen wird dort eine mehrseitige Problembeschreibung gegeben, die in mehreren Punkten die Position der Privateigentümer stützt. Zum anderen werden auf den Seiten 10, 11 und 12 unter dem Punkt “Maßnahmen zur Gefahrenabwehr” Aussagen getroffen. Zwar benennt das Gutachten eine “Vorzugsvariante”. Aber es verschweigt auch nicht, was eigentlich zu tun wäre. Nämlich “ein großvolumiger Abtrag von Schuttmassen”. Und beschreibt als Alternative “den Einbau eines ausreichend dimensionierten rückvernagelten und hochfesten Stahldraht-Ringgeflechtes über eine Böschungsfläche von ca. 1.200 Quadratmeter”.

Die Gutachter geben zu, dass diese Lösung “eine hohe Schutzwirkung besitzt”. Aber einen Haken hat: “die Bauausführungskosten wären sehr hoch”. Die Fachleute schätzen diese mit einer Zusatzmaßnahme auf zusammen 660.000 Euro brutto. Die Kosten der “Vorzugsvariante” werden dagegen mit nur 105.000 Euro angegeben. Bezogen auf deren Schutzwirkung ist in dem Gutachten allerdings nur von “Minimierung der geogenen Gefahren durch Steinschlag und Schuttstrom” die Rede. Und dann folgt eine Aussage, die für die Aufrichtigkeit der Gutachter – und die Verlogenheit der zuständigen Amtspersonen bei der Stadt spricht:

“Wir weisen darauf hin, dass die Kosten aufgrund der derzeitigen Preisentwicklung in stärkerem Maße von der Kostenberechnung abweichen können und es ggf zu langen Lieferfristen für Stahlbauteile kommen kann”. Davon ist in der städtischen Beschlußvorlage nicht die Rede. Dort heisst es: “die geschätzten Kosten i. H. v. 106.287,83 € sollen je zur Hälfte von der Stadt und den Anliegern der Bismarckstraße 29 getragen werden, wobei die Anlieger maximal 55.000 € übernehmen werden”. Dass eine mögliche Verdoppelung der Baukosten zu einer Verdreifachung des Stadtanteils führen kann, hat die hauptamtliche Verwaltung den ehrenamtlichen Mandatsträger*Innen glatt verheimlicht. Entsprechend sauer ist Jörg Fechner.

Er hat sich in dieser Sache zwischenzeitlich beraten lassen. Und die Stadtverwaltung zu einer kurzfristigen internen Klärung aufgefordert. “Wenn die Verwaltung weiter täuscht und tarnt, werde ich die Öffentlichkeit umfassend informieren. Und weitere Konsequenzen ziehen,” kündigt das Stadtratsmitglied an. Nach Jörg Fechner hat am gestrigen Montagnachmittag (15.8.2022) um 15 Uhr auch Oberbürgermeister Emanuel Letz im Beistand mehrerer Verwaltungspersonen das Grundstück Bismarckstrasse 29 in Bad Münster besucht. Eine Pressemitteilung der Stadt zu den Ergebnissen dieses Termin gab es nicht. Die von dieser Seite vor Tagen an die Stadtverwaltung gerichtete Anfrage ist noch immer unbeantwortet.

Übrigens: die Geheimhaltungsmethode der Stadtverwaltung zum Zwecke der Täuschung der Entscheidungsträger*Innen und der Öffentlichkeit wird jetzt von den Privateigentümern der Boden entzogen. Diese verzichten schriftlich auf die vom Gesetzgeber zu ihrem Schutz vorgesehene Geheimhaltung und verlangen eine Behandlung der Sache in öffentlichen Sitzungen. Der diese Seite beratende Fachjurist hat die den Stadtratsmitgliedern vorgelegten Unterlagen geprüft. Und kommt zu einem vernichtenden Urteil: “die Unterdrückung des Gutachtens und das Verschweigen der bauordnungsrechtlichen Verfügung erfüllen das Tatbestandsmerkmal der Täuschung. Diese liegt vor, weil mit der Verweigerung zum Zugang relevanter Fakten ein Irrtum der Entscheidungsträger in Form einer Fehlvorstellung der wirklichen Sachlage erzeugt wurde.

Vorliegend handelt es sich wesentlich um ein Täuschen durch Unterlassen (Nichtvorlage des Gutachtens und der Verfügung. Dazu kommt als ergänzende Täuschungshandlung das Zitieren in der Verwaltungsvorlage aus einem Dokument des Jahres 2021, obwohl der Verwaltung ein aktuelleres Dokument aus dem Jahr 2022 vorlag, das verschwiegen und aus dem nicht zitiert wird). Dies gilt um so mehr, als die bei der Stadt dafür persönlich verantwortlichen Personen den ehrenamtlichen Kommunalpolitikern rechtlich zu einer vollständigen Sachaufklärung verpflichtet waren. Dieser Verstoss ist im vorliegenden Fall als besonders schwerwiegend zu bewerten, weil das Verhalten der dafür bei der Stadt persönlich verantwortlichen Personen arbeitsvertrags- und pflichtwidrig erfolgte.

Sollte es sich dabei um Beamte handeln, wurden weitergehende Sondervorschriften verletzt. Durch diese Täuschungsmaßnahmen wurde bei den Entscheidungsträgern ein Irrtum erregt, also hervorgerufen. Nämlich inhaltlich über die Verantwortlichkeit für das in Rede stehende Sachproblem und den erforderlichen Aufwand für die Lösung (…). Auf der Basis dieses Irrtums erfolgte dann in den Gremien der Beschluß mit der Verfügung über städtisches Vermögen, (…) in dessen Folge es – ohne Unterbrechung des Geschehensablaufes – zu einer Vermögensminderung bei der Stadt Bad Kreuznach kommen würde (…)”. Gekrönt mit dem Hinweis: “anders als bei der Untreue ist beim Betrug auch der Versuch strafbar”.

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27.07.22 – “Wohnhaus durch Steinschlag akut bedroht”