Von unserem Redakteur
Claus Jotzo
Der Paukenschlag ertönte kurz nach Beginn der Sitzung gestern Abend. Es tagte der Finanzausschuß. Wieder einmal auf der Tagesordnung: die Haushaltskonsolidierung 2020. Nach der Einführung durch Bürgermeister Wolfgang Heinrich meldete sich gleich eine handvoll Ausschußmitglieder zu Wort. Nach wenigen Minuten war Lothar Bastian an der Reihe. Wer das erfahrene grüne Ratsmitglied länger kennt, merkte an Haltung und Tonlage sofort, dass er etwas für ihn Wesentliches zu sagen hatte. Mit der Aussage, das Finanzielle sei “nur als Gesamtpaket zu betrachten” leitete Bastian seine Ausführungen ein. Um unmißverständlich “10 Prozent als die absolute Obergrenze” von Streichungen bei den freiwilligen Leistungen zu definieren. Und dann zum entscheidenden Punkt zu kommen:
“Zum Gesamtpaket gehört für uns dazu, die Trägerschaft des Jugendamtes an den Kreis abzugeben”. Er sage das “mit einem bitteren Unterton”, da er lieber ein Stadtjugendamt hätte. Er sei aber auch “ein Finanzmensch” und wisse daher, dass nicht alles, was er für nötig halte, zu bezahlen sei. Von dieser Seite nach der Sitzung um einen kurzen Nenner gebeten, auf die er seine Position bringe, antwortete Lothar Bastian: “bittere Konsequenz: ein städtisches Jugendamt – fachlich wertvoll, finanziell nicht mehr tragbar!” Im Finanzausschuß schloß sich an seine Wortmeldung ein tiefes Durchatmen an. Direkt nach Bastian kam Manfred Rapp zu Wort. Und dessen erster Satz lautete, noch ganz betroffen von der unerwarteten Aussage Lothar Bastians: “das waren ja deutliche Worte, vielen Dank”.
Womit der CDU-Fraktionsvorsitzende ohne jede Häme erkennbar Respekt für die klare inhaltliche Positionierung Lothar Bastians zum Ausdruck brachte. Bemerkenswert: obwohl die Aussage Bastians bedeutet, dass sich damit die noch in der Stadtratssitzung am Donnerstag vergangener Woche deutlich gewordenen Mehrheitsverhältnisse gegen das Festhalten an der bereits 2018 beschlossenen Abgabe des Jugendamtes wieder zugunsten der Abgabe umkehren, kam in der sich anschließenden, rund dreistündigen Aussprache, ausser Michael Henke, der seinem Parteifreund widersprach, kein anderes Ausschußmitglied auf die Bastian-Erklärung zurück. Statt dessen wurde fortgesetzt darum gerungen, wie der gesetzlich geforderte Haushaltsausgleich erzielt werden kann (weitere Berichte folgen).
Meine Meinung: Respekt für Lothar Bastian
Von unserem Redakteur
Claus Jotzo
Als Vorsitzender der Jungen Union habe ich in den achziger Jahren zur Abgabe von Unterstützungsunterschriften aufgerufen, damit die damals nicht im Land- und Bundestag vertretenen Grünen zum Stadtrat kandidieren durften. Ähnlich lange kenne ich Lothar Bastian. Und bei allen Differenzen in Stil und in der Sache: ich hatte nie Zweifel an seiner persönlichen Integrität und seinen vollkommen unzweifelhaften politischen Überzeugungen. In den vielen Jahren im Stadtrat und den Ausschüssen hat er sie unmißverständlich vorgelebt. Und damit auch bei politischen Gegnern hohen Respekt erarbeitet. So hat Lothar Bastian manche Sachentscheidung für die Sache der Grünen ermöglicht.
Kein Schönwetter-Grüner
Weil er Vertrauen geschaffen hat auch bei politisch Andersdenkenden. Lothar Bastian hat die Fahne der Ökopaxe schon hochgehalten, als es nicht en vogue war grün zu wählen. All das sollten die heutigen Grünen nicht vergessen, wenn sie das Ergebnis seiner persönlichen Meinungsbildung in Sachen Jugendamt bewerten. Sondern sich an die pragmatische Vorgabe von Heinz Müller halten. Der Geschäftsführer des ISM kennt nämlich Möglichkeiten, um die Folgen der in seinen Augen falschen Abgabe des Jugendamtes abzumildern. Darauf sollte die grüne Energie jetzt konzentriert werden. Und nicht auf die Erzwingung von Geschlossenheit oder die Abstrafung von persönlichen Überzeugungen.