Wilhelm Zimmerlin setzt Prüfung weinbaubezogener Strassennamen durch

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Für die Bad Kreuznacher ist es schon immer schlicht und einfach der Galgenberg. Die düstere Bedeutung dieser Flurbezeichnung macht sich im Alltag keiner bewußt. Anders als in anderen Städten ranken sich um den früheren Richtplatz hier auch keine Geistergeschichten. Dabei ist durch archäologische Grabungen anderenorts bewiesen, dass die Hingerichteten regelmäßig in ungeweihter Erde, oft direkt im Bereich des Galgens, begraben wurden. Daher spricht viel dafür, dass das auch auf dem Galgenberg so gehandhabt wurde. Dies führte aber nicht zum vom Volksmund tradierten Horrorgeschichten.

Zum Glück für die Stadtentwicklung gibts hier keinen “Haunted Hill”. Und die Verantwortlichen haben sich bei der Namensfindung für das größte Bad Kreuznacher Neubaugebiet alle Mühe gegeben, unter Marketingesichtspunkten eine Positivdarstellung zu wählen: “In den Weingärten”. Die Bezeichnung ist zwar wörtlich genommen nicht mehr richtig, weil statt Weinreben dort jetzt ja Häuser stehen. Aber es liest sich gut. Und immerhin kann man aus den Dachfenstern fast aller Häuser Weinstöcke sehen. In der Erschließung befindet sich mittlerweile der dritte Bauabschnitt. Im kommenden Jahr werden dort Strassen gebaut.

Vorberatung am 9. September im Kulturausschuß

Für die Stadtverwaltung Grund genug rechtzeitig vorher Namen für diese zu finden. Die erste Beratung zu dem Thema fand am 9. September im Kulturausschuß statt. Damals räumte die Verwaltung ein, Strassenbezeichnungen mit Weinbezug seien in einem Baugebiet mit dem Namen “In den Weingärten” eigentlich naheliegend. Wies aber darauf hin, dass es insbesondere in den Stadtteilen schon viele Strassen gibt, die auf Wein und Rebsorten Bezug nehmen. Aus diesem Grund, so die Oberbürgermeisterin im Ausschuß, wären 15 neue nicht verfügbar.

Verwaltung schlug Namen europäischer Hauptstädte vor

Die Verwaltung schlug im Kulturausschuß daher vor, die Strassen im künftigen Stadtviertel “im Sinne des europäischen Gedankens” mit den Namen europäischer Hauptstädte zu versehen. Von den Verwaltungsvorschlägen wurden zwei ausgetauscht. Amsterdam wurde durch Athen ersetzt. Und Moskau durch Lissabon. Die 13 weiteren Vorschläge sind Bern, Brüssel, Budapest, Kopenhagen, London, Luxemburg, Madrid, Oslo, Pariser, Prag, Stockholm, Warschau und Wien. Bei drei Enthaltungen fand dieses Paket im Kulturausschuß eine große Mehrheit.

“Hauptstadt des Naheweins”

Und es schien so, also ob der entsprechende Tagesordnungspunkt in der Stadtratssitzung am Donnerstag vergangener Woche einfach durchgewunken würde. Doch dann meldete sich Wilhelm Zimmerlin (FWG / BüFEP) zu Wort. Er bezeichnete Bad Kreuznach als “Hauptstadt des Naheweins”. Und berichtete von einer Initiative, die er zugunsten von weinbezogenen Strassennamen an alle Fraktionen auf den Weg gebracht hatte. “Ich war erstaunt über viele kreative Rückmeldungen”. Neun Ratskolleg*Innen unterstützten Zimmerlins Vorstoss:

Vorschläge von zehn Mitgliedern

Werner Lorenz, Mariana Ruhl, Jürgen Eitel (alle FDP), Hans-Gerhard Merkelbach (Faire Liste), Thomas Wolff, Jörg Fechner (beide AfD), Karl-Heinz Delaveaux (FWG), Manfred Rapp und Helmut Kreis (beide CDU). So sei es möglich geworden für alle 15 Strassen Namensvorschläge zu finden. Als Zimmerlin diese vortragen wollte, wurde er von Birgit Ensminger-Busse (CDU) unterbrochen, die darauf hinwies, dass die Sitzungszeit begrenzt sei. Die Oberbürgermeisterin ermöglichte Zimmerlin dann weiterzureden.

Wertschätzung für die Arbeit der Winzer

Der führte aus, dass die neuen Straßennamen “möglichst einen kulturellen und lokalen Bezug zur Historie und räumlichen Lage des Neubaugebietes aufweisen sollten, nämlich „In den Weingärten“ und umrahmt von Weinreben”. Gleichzeitig solle die Wertschätzung für die Arbeit der Winzer, “für die schöne und durch die Reben geprägte Kulturlandschaft sowie für das Kulturgut Wein zum Ausdruck gebracht werden”. Gegenrede kam von Jürgen Locher (Linke). Der erklärte von dieser Initiative keine Kenntnis zu haben und bezeichnete den Verwaltungsvorschlag als “grundsätzlich gute Sache”.

Ensminger-Busse ermahnt

Der Linken-Fraktionsvorsitzende kritisierte allerdings die Streichung von Moskau im Kulturausschuß. Die russische Hauptstadt sei eine bedeutende Metropole und gehöre daher auf die Liste der neuen Strassennamen, zudem dort nur drei ost-, aber 12 westeuropäische Hauptstädte aufgeführt seien: “ich habe in der Schule gelernt, dass Europa bis zum Ural reicht. Und das ist wohl auch heute noch so”, führt Locher aus. Mitten in Lochers Verteidigungsrede für den von ihm sebst inhaltlich kritisierten Verwaltungsvorschlag platzte Dr. Kaster-Meurer mit einer an Birgit Ensminger-Busse gerichteten Ermahnung:

“Dritt größte Weinbaustadt bundesweit”

“Bitte halten Sie die Abstandsregeln ein”. Nachdem die OBin dann auch noch beklagte ihre Glocke nicht zur Hand zu haben, kam Dr. Heinz Rüddel (SPD) zu Wort. Er sprach sich für die Beibehaltung des Kulturausschußbeschlusses aus, bevor Andrea Manz (Grüne) mit der Begründung, die Zimmerlin-Email nicht erhalten zu haben, die Zurückverweisung der Sache in den Ausschuß beantragte. Werner Lorenz (FDP) wies anschließend in der Stadtrats-Diskussion auf einen bedeutenden Aspekt hin: “Bad Kreuznach ist die dritt größte Weinbaustadt bundesweit”.

“Zu tief ins Weinglas geschaut?”

Dieses Argument des Bosenheimer Winzers dürfte vielen seiner Ratskollegen unbekannt gewesen sein. Und es stützte nachhaltig die Initiative von Wilhelm Zimmerlin. Die auch von Dr. Silke Dierks (CDU) gelobt wurde. Dierks schätzte beide Varianten “sehr positiv” ein und schloß sich dem Verweisungsantrag in den Kulturausschuß an mit dem Lob, “es ist schön, dass wir so viele gute Ideen haben”. Damit konnte sie Bianka Steimle (Linke) nicht überzeugen. Diese kommentierte die Ausführungen ihrer Vorredner*Innen mit der Frage: “zu tief ins Weinglas geschaut?”

Promilleweg gibt es schon

Und merkte zur Zimmerlin-Liste an: “der Promilleweg fehlt”. Nach dem Zuruf “den gibt es schon” rief die Oberbürgermeisterin zur Abstimmung auf. Die Zurückverweisung an den Kulturausschuß wurde gegen zwei Neinstimmen und zwei Enthaltungen mit großer Mehrheit beschlossen. Wie Wilhelm Zimmerlin auf Anfrage bestätigte brachte die Diskussion weitere Namensvorschläge ein, so dass die in seiner Liste noch vorhandenen Doppel mit bereits vergebenen Strassennamen ersetzt werden können.