Leserbrief: „Klopapierkampfmentalität“ statt Rechtsstaatlichkeit

“Unerträglich, wie das Thema um die Anschaffung der Beatmungsgeräte aus emotionaler Sicht diskutiert wird und ein aus sowohl formeller als auch materieller Sicht falsches Handeln nachträglich beschönigt und legitimiert wird. Es ist an der Zeit, dass die gewählten Kontrollgremien, hier der Kreistag, wir als Gesellschaft insgesamt und auch die Presse sich entscheiden müssen, ob Maßstab staatlichen Handelns Recht und Gesetz sein sollen oder eine möglicherweise mehrheitliche Stimmungslage.

Bei der Gründung der BRD wurden in Kenntnis der historischen Ereignisse des 3. Reiches bewusst demokratisch legitimierte parlamentarische Gremien bis in die Kommunen eingeführt. Diese haben eine Kontrollfunktion gegenüber dem Staat und seinem Verwaltungsapparat auszuüben. Das bedeutet auf den hiesigen Fall bezogen nichts anderes, als dass die vorliegende Entscheidung, eine Ausgabe von Steuergeldern über 2,2 Mio. Euro, durch diese Kontrollgremien sowohl im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit als auch an sich überprüft werden muss.

Für eine Eilentscheidung gab es durch die konkreten niedrigen Infektionszahlen im Landkreis keine Veranlassung, zumal der Landkreis nicht zuständig ist. Auch ist unersichtlich, warum die Landrätin nicht mindestens die Fraktionsvorsitzenden an dem Entscheidungsprozeß beteiligt hat. Sogar eine Sondersitzung des Kreistages unter Beachtung der einschlägigen Hygieneregeln wäre möglich gewesen. Materiell gab es weder einen konkreten Bedarf der örtlichen Kliniken noch gab und gibt es im Landkreis ausgebildetes Personal für die 50 Beatmungsgeräte.

Völlig unerträglich ist es jedoch zum einen, dass der Verdacht besteht, dass die gewählten Volksvertreter von der Verwaltungsspitze bewusst belogen worden sind und dies offensichtlich auch so hinnehmen. Zum anderen ist es genauso unerträglich, dass sich die Landrätin nach langem Schweigen und dem offensichtlichen Versuch des Aussitzens heute hinstellt und sagt, dass sie das alles, nämlich ohne Zuständigkeit und ohne Beachtung der demokratischen Grundregeln staatlichen Handelns, genau so wieder machen würde. Aber warum steht sie mit ihrer Entscheidung allein auf weiter Flur unter allen Landräten?

Sicher deswegen, weil diese verantwortlich handelten, indem sie sich nicht der „Klopapierkampfmentalität“ oder „Panikattacken“ hingaben und im übrigen die rechtsstaatlichen Strukturen und Vorgaben respektierten. Man stelle sich ein solches Verhalten auf Landes- oder Bundesebene vor, dann würde es schon längst einen Untersuchungsausschuss geben und Rücktrittsrufe würden laut. Sollte der Kreistag dieses Prozedere einfach so hinnehmen, wären die Entscheidungsträger auch nicht besser und würden vergessen, dass sie zuvörderst die Interessen des Souveräns, des Volkes, wahrzunehmen haben und nicht die ihrer Parteien oder Parteifreunde”.

Reinhold Merten (Hüffelsheim), Pressespecher der Freien Wähler im Kreis Bad Kreuznach