Zehntausende warten seit bis zu neun Tagen auf die “Soforthilfe”

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Gastronomie mußte zumachen, Läden schliessen. Zur Eindämmung der Corona-Seuche wurden von Bundes- und Landesregierung beispiellose Zwangsmaßnahmen durchgesetzt. Über eine Million Betroffene in Deutschland haben von heute auf morgen ihre Einnahmen verloren. Vor fast drei Wochen die Beruhigungsmitteilung von Peter Altmaier und Olaf Scholz. Seit dem 22. März verkünden die Bundesminister unisono: für Soloselbstständige, Kleingewerbetreibende und Miniunternehmen wird es eine “Soforthilfe” geben: “in wenigen Tagen” sollte das Geld (bis zu 9.000 bzw 15.000 Euro) bei den Betroffenen sein. Dann schlug die Bürokratie zu. Die Antragsformulare standen erst eine Woche später, am 29.März, zur Verfügung. So konnten die ersten Anträge erst am Montag vergangener Woche gestellt werden.

Nur 1.000 von 58.000 ausgezahlt

Bis gestern Vormittag waren es nach der Zählung der in unserem Bundesland mit der Auszahlung beauftragen Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB) “rund 58.000”. Eine beeindruckende Zahl. Die aber zu erwarten war. Denn das Statistische Landesamt erhebt seit Jahrzehnten, wer wie was geschäftlich macht. Um welche Größenordnung es sich beim Soforthilfe-Bedarf handeln würde, war also bekannt. Daher ist die Zahl der durch Zahlung abgearbeiteten Anträge mehr als ernüchternd: gerade einmal “1.000 Auszahlungen” erfolgten bis gestern. Gesamtvolumen: 7,9 Millionen Euro. Zehntausende von Corona-Geschädigten warten also teilweise jetzt schon neun Tage auf eine “Soforthilfe”. Und weil morgen Karfreitag ist und sich die Ostertage anschliessen, werden daraus in fast allen Fällen mehr als zwei Wochen.

“80 Personen arbeiten teilweise auch am Wochenende”

Sowohl bei der ISB als auch beim Wirtschaftsministerium des Landes hat man die Lage immerhin erkannt. In Beantwortung einer Anfrage der Redaktion dieser Seite teilten beide Institutionen mit, dass derzeit “80 Personen” mit der Abwicklung des Antrags-Flut betraut sind, “die zum Teil auch am Wochenende arbeiten”. “Zudem arbeitet die ISB an der Umsetzung einer technischen Bearbeitungsunterstützung, um die Verfahren weiter zu beschleunigen”. Die von unserer Redaktion abgefragten “Erfahrungen der ersten Tage” sind aus Sicht der ISB “wenig aussagkräftig, da wir zunächst Erfahrungen auf Basis der Qualität der eingereichten Anträge in den Bearbeitungsprozess einfließen lassen mussten”. Die ISB geht davon aus, “durch eine zunehmende Automatisierung der Bearbeitungsprozesse die Anzahl erheblich steigern zu können”.

Nach drei Wochen ohne Einnahmen “vor dem Nichts”

Weiterhin weisen die Verantwortlichen darauf hin, dass “zahlreiche Anträge unvollständig vorgelegt wurden, was zu einem erheblichen Mehraufwand führt”. Die Redaktion dieser Seite hatte vorgestern acht Fälle aus der Stadt Bad Kreuznach und einen aus einer Nachbargemeinde recherchiert, die allesamt zu den 57.000 bisher nicht erfolgreichen Antragstellern zählen. Und deren Erfahrungen nach Mainz weitergeleitet. Darunter ein Kleinunternehmen mit zwei Mitarbeitern, dessen Inhaber nach eigenen Angaben nach drei Wochen ohne Einnahmen “vor dem Nichts” steht. Auch die Einschätzung einer im Psychotherapiebereich beruflich tätigen Person trugen wir den Verantwortlichen vor: “weder beim Ausbruch der beiden Golfkriege noch bei der Bankenkrise 2008 haben sich die Menschen, solche Sorgen gemacht, wie heute”.

“Alle arbeiten mit Hochdruck”

Antwort der Pressestelle des rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministeriums: “Wir wissen, dass sich die Unternehmen in einer Notsituation befinden und Existenzen gefährdet sind. Alle arbeiten mit Hochdruck und erheblichem Aufwand daran, die Mittel zur Auszahlung zu bringen und die Verfahren zu beschleunigen. Mit den Soforthilfen des Bundes, den Sofortdarlehen aus dem Landes-Zukunftsfonds sowie den KfW-Krediten und Express-Bürgschaften sowie vielen weiteren Maßnahmen von Steuerstundung bis Kurzarbeitergeld haben Bund und Land enorme Hilfsmaßnahmen ergriffen, um die Unternehmen bestmöglich durch die Krise zu bringen”.