Frontalangriff auf Dr. Kaster-Meurer

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Eine Verwaltung mit rund 1.000 Mitarbeitenden und einem dreistelligen Millionen-Haushalt hat immer etwas mitzuteilen. Im Stadtrat und den Ausschüssen geschieht das regelmäßig als vorletzter Tagesordnungpunkt. Da sind dann die sogenannten schriftlichen Mitteilungsvorlagen aufgeführt. Banale Sachverhalte (Termine) werden auch schon mal mündlich mitgeteilt. Und die ganz grossen Kaliber. Ausgerechnet gegen Sitzungsende, wenn sich die ehrenamtlichen Kommunalpolitiker*Innen auf den Heimweg freuen, wenn nach einem harten Arbeitstag und oft stundenlangen Beratungen in den städtischen Gremien die Konzentration absinkt, packt vor allem die Oberbürgermeisterin verbal gern heisse Eisen an.

Fehlverhalten der OBin wird im Detail dargelegt

In der vorletzten Stadtratssitzung war es eine mündliche Mitteilung über gegen sie gerichtete Vorwürfe des Landesrechnungshofes (LRH). Minutenlang referierte sie ihre Verteidigungsschrift (diese Seite berichtete). Und bot den Prüfbericht, der laut gesetzlicher Vorschrift allen Einwohner*Innen offenzulegen ist, als abzuforderndes Dokument an. Auf dem Weg über eine Presseanfrage hat die Redaktion dieser Seite zwischenzeitlich ein Exemplar erhalten. Der nachstehend zitierte Prüfbericht stellt nichts anderes dar als einen Frontalanangriff auf die Integrität von Dr. Heike Kaster-Meurer. Auf sieben Seiten zerlegt der LRH deren Verhalten bei der Abwehr gesetzlich garantierter Transparenzansprüche.

Ermittlungsbericht mit vielen konkreten Angaben

Der Text liest sich wie der Ermittlungsbericht eines Staatsanwaltes. Detail für Detail wird angeführt, analysiert und die Ausreden der Oberbürgermeisterin widerlegt. Es handelt sich um eine vernichtende Kritik am System Kaster-Meurer. Beispiellos in der Diktion und der Faktengenauigkeit. Diese Seite veröffentlich das Dokument exklusiv im Wortlaut, damit sich die Einwohner*Innen eine eigene Meinung auf der Basis von Fakten bilden können:

“RECHNUNGSHOF RHEINLAND-PFALZ Prüfung der Prozessvertretung der Stadt Bad Kreuznach im Verfahren 1 K 822/18.KO vor dem Verwaltungsge­richt Koblenz Az.:6-P-7061-22-1/2013Speyer, 23. Oktober 2019 Diese Prüfungsmitteilungen des Rechnungshofs sind nach § 110 Abs. 6 GemO öffent­lich auszulegen. Einer zusätzlichen Internetveröffentlichung der ausgelegten Fassung durch die geprüfte Stelle stehen Rechte des Rechnungshofs nicht entgegen.

1 Allgemeines

Mit Schreiben vom 4. Juni 2013 hatte der Rechnungshof die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Stadt Bad Kreuznach eröffnet. Die Prüfungsmitteilungen sind der Stadt mit Schreiben vom 18. November 2014 übersandt worden. Das diesbezügliche Beantwortungsverfahren ist mit Schreiben vom 25. Juli 2019 beendet worden. In den Prüfungsmitteilungen hatte der Rechnungshof die Ausstattung des städtischen Rechtsamts mit zwei Stellen für Volljuristen beanstandet und unter Hinweis aufmögliche Optimierungen der Aufgabenverteilung zwischen Rechtsamt und Fachämtern so wie die Ergebnisse eines interkommunalen Vergleich seinen Personalbedarf von 1,5 Stellen anerkannt

1. Nachdem die Stadt unter dem 30. Mai 2016 mitgeteilt hatte, dass das Ord­nungsamt dem Rechtsamt zugeordnet worden sei, sah der Rechnungshof von einer Wei­terverfolgung der Feststellungen zum Personalbedarf des Amtes ab. Seit ihrem Dienstantritt bei der Stadt im Jahr 1997 hatte die Leiterin des städtischen Rechtsamts nach ihren Angaben die Vertretung der jeweiligen Oberbürgermeister vor den Verwaltungsgerichten in allen kommunalen Verfassungsstreitigkeiten übernommen. Generell vertrat sie die Stadt in allen verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten

2. Mit Email vom 4. Februar 2019 übersandte der Leiter des Hauptamts der Stadt dem Rechnungshof ein Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 15. Januar 2019 im Verfahren 1 K 822/18.KO, in dem die Oberbürgermeisterin der Stadt als Beklagte beteiligt war. Ausweislich des Rubrums ließ diese sich in dem Verfahren anwaltlich vertreten. Dies nahm der Rechnungshof zum Anlass, die Prozessvertretung der Oberbürgermeisterin mit Schreiben vom 20. März 2019 zum Gegenstand des seinerzeit noch laufenden Prüfungsverfahrens zu machen. Am 4. Juli 2019 fanden hierzu örtliche Erhebungen beim städtischen Rechtsamt statt. Das vorläufige Prüfungsergebnis wurde der Oberbürgermeisterin mit Schreiben vom 1. August 2019 übersandt und im Rahmen einer Schlussbesprechung am 16. Oktober 2019 mit ihr erörtert. Äußerungen der Oberbürgermeisterin sind – so weit erforderlich – in den Prüfungsmitteilungen kursiv dargestellt.

2 Sachverhalt

Der Rechnungshof hatte die Haushalts- und Wirtschaftsführung der GEWOBAU Gemeinnützigen WohnungsbaugesellschaftmbH Bad Kreuznach geprüft, an der die Stadt 84,16% der Gesellschaftsanteile hält.

Mit Schreiben vom 11. Dezember 2017 übersandte er die Prüfungsmitteilungen an die Stadt Bad Kreuznach als Gesellschafterin mit der Aufforderung, die Unterrichtung des Stadtrats nach § 33 Abs.1 GemO unter Angabe des Sitzungsdatums zu bestätigen. In einer Sitzung am 25. Januar 2018 teilte die Oberbürgermeisterin dem Stadtrat mit, dass der Rechnungshof die Gesellschaft geprüft habe. Am 6. August 2018 wurde der Oberbürgermeisterin vom Verwaltungsgericht Koblenz im Verfahren 1 K 822/18.KO die Klage eines Ratsmitglieds auf Aushändigung der Prü­fungsmitteilungen zugestellt

Mit Email vom 23. August 2018 wies die Oberbürgermeisterin die Leiterin des Rechtsamts der Stadt an, „mit der Kanzlei Greenfort aus Frankfurt kurzfristig Kontakt aufzunehmen und die Übernahme des Mandats durch RA Andreas von Oppen, der mir empfohlen wurde in die Wege zu leiten.“ Unter dem 27. August 2018 mandatierte die Oberbürgermeisterin die Kanzlei und Unterzeichnete am 30. August 2018 eine Vergütungsvereinbarung. Diese sah für Partner, assoziierte Partner und Counsel der Kanzlei einen Stundensatz von 300 €, für angestellte Anwälte je nach Berufserfahrung einen solchen von 230 € bis 270 € (zuzüglich Neben­kosten) vor. Ungeachtet der Beauftragung der Anwälte begleitete die Leiterin des Rechtsamts die Rechtsverteidigung der Oberbürgermeisterin gegen die Klage des Ratsmitglieds intensiv in folgender Form:

Am 19. September 2018 versorgte sie den mandatierten Anwalt auf dessen Bitte hin mit kopierter Kommentarliteratur zu §§ 33,110 GemO.

Mit Email vom 24. September 2018 nahm sie umfassend zu dem vom Anwalt am 11. September 2018 übersandten Entwurf der Klageerwiderung Stellung. In der Stellungnahme wies sie den Anwalt auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz hin und entwickelte daraus in umfänglichen Ausführungen die These, dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch stünden – bisher vom Anwalt nicht gesehen – auch gesellschaftsrechtliche Regelungen über die Verschwiegenheitspflichten von Aufsichtsratsmitgliedern entgegen. Der Anwalt ergänzte darauf hin den Entwurf der Klageerwiderung um entsprechende Passagen.

Am 26. September 2018 wies sie den Anwalt auf rechtlichen Optimierungsbedarf seiner Ausführungen zu § 2 LTranspG hin, was erneut zu einer Änderung der Klage­erwiderung führte.

Einen Tag darauf monierte sie um 10:50 Uhr, dass die Klageerwiderung nicht das Aktenzeichen des gerichtlichen Verfahrens, sondern ein unerfindliches anderes Aktenzeichen trage. Um 10:54 Uhr erwiderte der Anwalt, er habe das Aktenzeichen einem von der Stadt überlassenen juris-Ausdruck entnommen und teilte um 11:08 Uhr mit, er habe die Klageerwiderung dem Gericht gerade per Fax übersandt.

Am 2. Januar 2019 überprüfte sie einen Schriftsatz des Anwalts, mit dem dieser ein Schreiben des Klägers erwiderte.

Am 15. Januar 2019 vertrat sie die Stadt neben dem Anwalt in der zwölf minütigen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Koblenz. Mit Urteil vom 15. Januar 2019 gab das Verwaltungsgericht der Klage des Ratsmitglieds statt. Die Entscheidungsgründe des Urteils umfassen vier Seiten; die Berufung wurde nicht zu gelassen. Mit Kostennoten vom 26. November 2018 (7.621,95 €) und 31. Januar 2019 (2.677,50 €) stellte die Kanzlei der Stadt ein Honorar von 10.299,45 € in Rechnung, das diese vollumfänglich beglich.

3 Würdigung

Nach § 93 Abs. 3 GemO ist der Haushaltsplan nach den Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit aufzustellen und auszuführen. Das Wirtschaftlichkeitsgebot in Gestalt des Minimalprinzips gebietet es, einen bestimmten Nutzen mit den geringst möglichen Mitteln zu erreichen. Hier gegen verstieß die Mandatierung evident. Der Nutzen „sachgerechte Verteidigung der Oberbürgermeisterin gegen eine Klage im kommunalen Verfassungsstreitverfahren“ war ohne Weiteres ohne Inanspruchnahme anwaltlichen Beistands mit Kosten in fünfstelliger Höhe zu erreichen. Denn die Stadt verfügte über ein Rechtsamt, das ausreichend mit einer vollzeit- und zwei teilzeitbeschäf­tigten Volljuristinnen besetzt war.

Diese konnten den angestrebten Zweck im Rahmen ihrer ohne hinzu zahlenden Besoldung oder Vergütung sicherstellen. Anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn im Zeitpunkt der Mandatierungsentscheidung der Oberbürgermeisterin Tatsachen die Annahme gerechtfertigt hätten, dass das Rechtsamt entweder wegen Unterpersonalisierung zeitlich nicht in der Lage gewesen wäre, eine sachgerechte Rechtsverteidigung sicherzustellen oder dieser Zweck trotz formaler Befähigung der städtischen Juristinnen zum Richteramt und zum höheren Ver­waltungsdienst aufgrund außergewöhnlicher Schwierigkeit der Rechtsmaterie oder indi­vidueller Kompetenzmängel nicht hätte erreicht werden können. Beides war offenkundig nicht der Fall:

In einem Schreiben an den Rechnungshof vom 29. April 2019 führte die Oberbürger­meisterin wie folgt aus: „Die Beauftragung externer Rechtsanwälte durch mich hatte in Sachen Zimmerlin ihren Grund nicht in der Personalausstattung des Rechtsamts.“

Eine Berufung auf fehlende personelle Ressourcen des Rechtsamts scheidet dem­nach aus. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Leiterin des Rechtsamts Zeit fand, die Tätigkeit des Anwalts in einer Intensität überwachend und korrigierend zu begleiten (vgl. Nr. 2), die nicht wesentlich hinter dem Aufwand bei Eigenwahrnehmung der Rechtsverteidigung zurückblieb.

Auch eine Legitimation der kostenträchtigen Mandatierung wegen außergewöhnli­cher Schwierigkeit der Rechtsmaterie und daher erforderlicher, von einem durch­schnittlichen Behördenjuristen nicht zuleistender Spezialisierung, kommt keinesfalls in Betracht. Zunächst geht der Bundesgesetzgeber generell von einer Anwälten mindestens gleichwertigen Qualifikation von Behördenjuristen für den sachgerechten Vortrag in verwaltungsgerichtlichen Verfahren aus. Dies zeigt die uneingeschränkte Vertre­tungsbefugnis der Behördenjuristen gemäß § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO selbst in Verfahren mit Anwaltszwang vor dem Bundesverwaltungsgericht und den Oberverwal­tungsgerichten. Ungeachtet dessen stützte sich die Klage gegen die Oberbürger­meisterin ausschließlich auf § 33 Abs.1 Satz 2 GemO.

Die Gemeindeordnung ist in dessen eine Rechtsmaterie, die für kommunale Juristen zum Kernbereich ihrer Tä­tigkeit gehört und daher für sie nicht als besonders schwierig oder exotisch angese­hen werden kann. Soweit sich in der Klageerwiderung neben Ausführungen zu § 33 GemO auch solche zu aktien- und transparenzrechtlichen Fragen fanden, waren selbst diese weitgehend nicht auf überlegenes Wissen des mandatierten Anwalts in diesen Rechtsgebieten zurückzuführen, sondern zu einem nicht geringen Teil von der Leiterin des Rechtsamts korrigiert, initiiert und vorformuliert worden. Schließlich indiziert auch die Kürze der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, der geringe Umfang der Entscheidungsgründe und die Nichtzulassung der Berufung, dass es im Verfahren nicht um Rechtsfragen von außergewöhnlicher Schwierigkeit ging.

Anhaltspunkte dafür, dass die Qualifikation der städtischen Juristinnen ausnahmsweise die Inanspruchnahme anwaltlichen Beistands geboten hätten, sind nicht im Geringsten ersichtlich. Die Leiterin des Rechtsamts (Leitende Stadtverwaltungsdi­rektorin) hat nach eigenem Bekunden seit ihrem Amtsantritt die Prozessvertretung in mehreren kommunalen Verfassungsstreitigkeiten übernommen (vgl. Nr. 1). Verstößt nach alledem die Mandatierung des Anwalts evident gegen den Wirtschaftlich­keitsgrundsatz, vermag daran die von der Oberbürgermeisterin mit Schreiben vom 29. April 2019 zur Legitimation vorgetragene Begründung, es habe sich bei dem Rechts­streit um einen rein politischen Streit gehandelt, nichts zu ändern. Verwaltungsgerichte entscheiden keine politischen Streite, sondern Rechtsstreite.

Zur sachgerechten Vertretung von Beteiligten in derartigen Verfahren ist daher eine hinrei­chende rechtliche Qualifikation der Beteiligtenvertreter erforderlich und ausreichend, die – wie vorstehend ausgeführt – beim Rechtsamt der Stadt zweifellos vorhanden war. Die Entscheidung, ob einer im kommunalen Verfassungsstreit erhobenen Klage entgegengetreten oder der geltend gemachte Anspruch anerkannt wird, mag (auch) politischer Natur sein. Sie wird indessen von der kraft Amtes zu politischen Entscheidungen beru­fenen Oberbürgermeisterin und nicht von deren Prozessvertreter getroffen.

Äußerung der Oberbürgermeisterin: In einem gegen sie als Organgerichteten kommunalen Verfassungsstreitverfahren stehe es ihr frei, wen sie mit der Prozessvertretung beauftrage. Von der ansonsten in derarti­gen Fällen im Wege der Einzelbevollmächtigung praktizierten Beauftragung des Rechts­amts sei sie im konkreten Fall abgewichen, um das Rechtsamt aus dem Vorwahlkampf heraus zu halten. Zudem seien beim Rechtsamt Widerspruchsverfahren wegen transpa­renzrechtlicher Auskunftsansprüche betreffend die Prüfungsmitteilungen über die Woh­nungsbaugesellschaft anhängig gewesen, was die Gefahr von Interessenkonflikten be­gründet habe. Ihr sei an einer bestmöglichen Vertretung gelegen gewesen, um Schaden von der GEWOBAU abzuwenden, den der Kläger des fraglichen Verfahrens schon zur Genüge bei den Stadtwerken angerichtet habe. Eine entsprechende Fachkanzlei sein nur gegen Vergütungsvereinbarung verfügbar. Zwar habe sie den vom Kläger verlangten Prüfbericht als Oberbürgermeisterin erhalten, gleichwohl habe sie als deren Aufsichts­ratsvorsitzende Schaden von der Gesellschaft und als Oberbürgermeisterin der Hauptgesellschafterin auch von der Stadt abzuwenden, die ein hohes Interesse an dem Ruf ihres Wohnungsbauunternehmens habe. Dieser Schaden habe gedroht, weil der Kläger bereits wegen Veröffentlichung vertraulicher Unterlagen aus den Aufsichtsräten mehre­rer städtischer Unternehmen ausgeschlossen worden sei. Da der Kläger selbst aus dem Aufsichtsrat der GEWOBAU ausgetreten sei und wenige Tage später den Antrag auf Aushändigung der Prüfungsmitteilungen als Ratsmitglied gestellt habe, sei zu befürchten gewesen, dass er auf diese Weise die bei einem Verstoß gegen Verschwiegenheits­pflichten gemäß § 20 Abs.1 GemO im Vergleich zu derartigen Verletzungen durch Auf­sichtsräte geringeren Sanktionsmöglichkeiten habe ausnutzen wollen. Ansonsten führe die Stadt fast alle Rechtstreitigkeiten aus Gründen der Wirtschaftlichkeit ohne anwaltli­che Vertretung.

Hierzu wird bemerkt: Da die Oberbürgermeisterin in kommunalen Verfassungsstreitverfahren nicht als natür­liche Person, sondern als Organ der Stadt beklagt wird, bleibt sie bei der Entscheidung über ihre Prozessvertretung uneingeschränkt an das kommunalrechtliche Wirtschaftlich­keitsgebot gebunden. Die diesbezüglichen Kosten verursachte sie in Ausführung des Haushaltsplans gemäß § 93 Abs. 3 GemO. Rechtsvorschriften, die der – nach eigenen Angaben bisher auch praktizierten – Beauf­tragung des Rechtsamts mit der Prozessvertretung der Oberbürgermeisterin in Kommu­nalverfassungsstreitverfahren entgegen gestanden hätten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Ob die Oberbürgermeisterin im Kommunalverfassungsstreit aufgrund einer für die Vertretung der Stadt erteilten Generalvollmacht oder aufgrund Einzelbevollmäch­tigung vertreten wird, ist in so weit ohne Belang. Die im Übrigen vorgetragenen Erwägungen sind keinesfalls geeignet, den Verstoß ge­gen das Wirtschaftlichkeitsgebot zu legitimieren:

Die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht gebietet es nicht, ein Rechtsamt bzw. dessen auf Lebenszeit beamtete Leiterin „aus dem Vorwahlkampf herauszuhalten“. Zum ei­nen stand im Mai 2019 der Stadtrat zur Wahl, nicht aber die Leiterin des Rechtsamts. Dem Risiko, dass die amtliche Tätigkeit des Rechtsamts anlässlich eines – verlorenen – Prozesses eine kritische öffentliche Begleitung erfährt, rechtfertigt auch in Vorwahl­zeiten keine kostenträchtige Externalisierung des Mandats. Die Möglichkeit einer sol­chen Begleitung prägt in einer offenen demokratischen Gesellschaft jede Tätigkeit im öffentlichen Dienst.

Dass sich die Rechtsamtsleiterin als Vorsitzende des Stadtrechtsausschusses mit Widerspruchsverfahren von Bürgern im Blick auf den die Wohnungsbaugesellschaft betreffenden Prüfungsbericht befasste, hinderte sie nicht an der Rechtsverteidigung der Oberbürgermeisterin im Kommunalverfassungsstreit. Der auf kommunalrechtli­che Auskunftsansprüche eines Ratsmitglieds gestützte Organstreit betraf eine an­dere Materie als die auf transparenzrechtliche Ansprüche ausgerichteten Widersprü­che. Die sich aus der Prozessvertretung im Kommunalverfassungsstreit und der Wi­derspruchsbearbeitung vermeintlich ergebenden Interessenkonflikte rechtfertigten weder die Annahmen des Ausschlusses noch der Befangenheit im Widerspruchs­verfahren.

Die Absicht, einen durch illegale Veröffentlichung des Prüfberichts drohenden Scha­den von der GEWOBAU und ihrer Mehrheitsgesellschafterin abzuwenden, hätte ebensogut unter bis dahin üblicher Beauftragung des Rechtsamts verfolgt werden können. Ungeachtet der Validität der auf Vorverhalten des Klägers gestützten Scha­densprognose war der drohende Schaden aus Sicht der Oberbürgermeisterin nur durch eine aufgrund sachgerechter Verteidigung im Organstreit ergehende klageab­weisende Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuwenden.

Da eine sachge­rechte Verteidigung durch das Rechtsamt – wie oben ausgeführt – zweifelsfrei und unstreitig möglich gewesen wäre, legitimiert die Schadensverhinderungsabsicht nicht die unwirtschaftliche Anwaltsmandatierung. Ungeachtet dessen lässt sich bei ex-ante-Betrachtung auch nicht erkennen, dass die Beauftragung der Anwaltskanzlei die „bestmögliche“ Vertretung der Oberbürgermeisterin hätte gewährleisten können. Zumindest der Internetauftritt der Kanzlei enthält nicht den geringsten Hinweis da­rauf, dass diese auf die streitgegenständlichen Fragen des Kommunalrechts spezi­alisiert ist.

Sie bewirbt sich vielmehr als Wirtschaftskanzlei. Der von der Oberbürger­meisterin ausgewählte Rechtsanwalt firmierte als Ansprechpartner für die Bereiche „Unternehmensrecht“, „Konfliktlösung“, „Gesellschaftsrecht“ und „Transaktionen“. Das seine kommunalrechtliche Spezialisierung nicht vorlag, erhellte expost auch der Umstand, dass sich die Kanzlei Kommentarliteratur zu den streitbefangenen Vor­schriften vom Rechtsamt der Stadt übermitteln lassen musste.

War demnach die Mandatierung der Anwaltskanzlei schon dem Grunde nach offen­sichtlich unwirtschaftlich, kommt es auf die Behauptung der Oberbürgermeisterin, Fachkanzleien seien ohne Vergütungsvereinbarung nicht mandatierbar, nicht mehr an. Ungeachtet dessen nimmt die Rechtsprechung schon dann eine zum Schadens­ersatz verpflichtende grobfahrlässige Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebots an, wenn ausreichende Erwägungen zu alternativen Mandatierungsmöglichkeiten gegen gesetzliche Vergütung nicht angestellt worden sind. Hieran fehlte es schon deshalb, weil sich die Oberbürgermeisterin nach Aktenlage von vornherein zur Mandatierung eines ihr „empfohlenen“, nur gegen Vergütungsvereinbarung verfügbaren Anwalts entschieden hatte.

1 Bei der Mandatierung von Anwälten ist zukünftig das Wirtschaftlichkeitsgebot auch dann zu beachten, wenn es sich um als „politisch“ empfundene kommunale Verfassungsstreit­verfahren handelt.

2 Hinsichtlich des Schadens, welcher der Stadt durch evidenten Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot in Höhe der gezahlten Anwaltsvergütung entstanden ist, sind Scha­densersatzansprüche gegen die Oberbürgermeisterin zu prüfen

Über das Prüfungser­gebnis ist zu berichten

gez. Jörg Berres Präsident gez. Andreas Utsch Direktor beim Rechnungshof”

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30.11.19 – “Honorar-Affäre: Dr. Kaster-Meurer redet sich um Kopf und Kragen”
29.11.19 – “Dr. Kaster-Meurer läßt aus der Stadtkasse 10.000 Euro zahlen, um Transparenz zu verhindern”