Baumschutzsatzung gescheitert

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

“Wir schauen was übrig bleibt und kommen im nächsten Ausschuß wieder.” Konsterniert fasste die Oberbürgermeisterin zusammen, was nach der Abstimmung über ein entscheidendes Detail des Verwaltungsvorschlages für diese noch zu tun bleibt. Mit neun Neinstimmen (CDU, AFD, FDP/Faire Liste, FWG/BüFEP) zu acht Jastimmen (SPD, Grüne, Linke und OBin) lehnte der Planungsausschuß vorgestern Abend die Einbeziehung von Bäumen auf Privatgrundstücken ab. Dr. Kaster-Meurer hatte den Antrag gestellt, um sich Klarheit über die Stimmungslage im Ausschuß zu verschaffen. Dabei war das Thema “Privatbäume” erst ganz am Ende einer längeren Diskussion aufgekommen. Eingangs spielten ganz andere Punkte eine Rolle.

Holste: Schutz ab 80 cm Stammumfang

Nämlich die von Wilfried Maus, dem Vorsitzenden des Vereins denk- mal: Bad Kreuznach e.V für Denkmalschutz und Umweltschutz in seinem Gastbeitrag für diese Seite zusammengefaßten Verbesserungsvorschläge. Eine seiner Forderungen, die Verdoppelung der Maximalhöhen für Geldbußen auf 100.000 Euro, schloß Stadtrechtsdirektorin Heiderose Häußermann mit dem Hinweis auf die in Rheinland-Pfalz geltende Höchstgrenze von 50.000 Euro aus. Zudem ergab eine von ihr durchgeführte Umfrage, dass es “noch nie irgendetwas in der Größenordnung gegeben hat, bis 50.000 Euro ist richtig heftig und ausreichend”. Hermann Holste (Grüne) nahm sich dann die Stammumfänge vor und forderte das Schutzmaß auf 80 Zentimeter abzusenken. Damit handelte er sich den Widerspruch von Hans-Georg Sifft ein.

Ausschußmitglied Jörg Dindorf (SPD) war so freundlich uns ein Foto der von Hans-Georg Sifft angefertigten und herumgereichten Baumscheiben zu ermöglichen.

Der Leiter des Grünflächen und Tiefbauamtes führte aus, dass es kaum “stadtbildprägende Bäume” mit einem so geringen Stammumfang gebe. Zum Beleg hatte er Baumscheiben aus Pappe mitgebracht, reichte diese den Ausschußmitgliedern zur Begutachtung und machte mit diesen anschaulich, welche Stammumfänge zu welchen Stammdurchmessern führten (er gab als Fachperson natürlich auch den korrekten Teiler 3,14 an, ersparte mit seinen Mustern dem ein oder der anderen Sitzungsteilnehmerin aufwändige Rechenoperationen). Andreas Henschel (SPD) ließ sich von der Stadtrechtsdirektorin deren Interpretation des Satzungsbegriffes “pflichtgemäßes Ermessen” erklären, was Häußermann die Möglichkeit gab, ihr Fachwissen ums Nachbarschaftsrecht vorteilhaft einzubringen.

Dr. Mackeprang: ein bißchen Anschluß bei Henschel

Sie beruhigte diesbezüglich mit der Klassifzierung “Ausnahmefälle”. In diese fachbezogene Diskussionsphase platzte Robert Kämpf (Linke) mit mehr allgemeinpolitischen Aussagen und der Plattitüde, dass in der Zeit des Klimawandels jeder Baum wichtig ist. Dr. Bettina Mackeprang (CDU) ließ es dann ein bißchen menscheln und lockerte die Aussprache mit der Erklärung, “ich schließe mich bei dem Herrn Henschel so ein bißchen an”, auf. Auf die Frage der Ortsvorsteherin von Bad Münster bestätigte Stadtrechtsdirektorin Häußermann, dass die durch Gebühren und Bußen eingenommenen Gelder sowohl für Ersatzpflanzungen als auch für Baumpflege verwendet werden sollen. Es waren wohl die Aussagen zu den Baumumfängen und der Verwaltungsperspektive auf die “stadtbildprägenden Bäume”, die Hermann Bläsius (Grüne) zu seinem Beitrag motivierten.

Bläsius: Verwaltungsaufwand künstlich hochgerechnet

“Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es darum geht die Satzung zu verhindern”. Er habe anderenorts keine Bestimmung gefunden mit Schutzbaumumfängen ab 120 Zentimetern. Auch der von der Verwaltung behauptete “hohe Verwaltungsaufwand” von einer Vollzeitstelle sei viel zu hoch gegriffen und diene dem Zweck, das Anliegen in Frage zu stellen. Bläsius wies darauf hin, dass die vier Mal so große Stadt Mainz mit 1,75 Stellen auskäme und stellte fest: “Der Verwaltungsaufwand wird hier künstlich hochgerechnet, die Arbeit kann fast nebenbei geleistet werden”. Bläsius warnte davor “eine Sache schlecht zu machen durch Bürokratie”. Erst jetzt kam der erste klare Kritiker des Vorhabens zu Wort. Manfred Rapp stellte fest: “die CDU war von Anfang an nicht für eine Baumschutzsatzung”.

Rapp: Bad Kreuznach hat viel Wald

Im Vergleich mit anderen Städten habe Bad Kreuznach mit dem Kauzenberg, dem Kuhberg, dem Hauptfriedhof und den Parks “viel Wald”. Der CDU-Fraktionsvorsitzende brachte die Befürchtung zum Ausdruck, dass im Falle einer Satzung “Bäume, die für uns wertvoll wären, nicht mehr gepflanzt werden”. Zudem hätten sich seit der letzten Beratung im Mai die Rahmenbedingungen verändert: “wir haben kein Geld mehr”.
Wolf-Dieter Behrendt (AfD) schilderte sein Schicksal als Gartenbesitzer mit vom Sturm entwurzelten Bäumen und brachte seine Grundhaltung auf den Punkt: “als Privatmann möchte ich mir nicht reinreden lassen, was ich in meinem Garten mache”. Nach diesem ersten, von den Satzungsbefürwortern unbeachteten Stopp-Ruf gings erst mal wieder zur Sache.

Pappeln werfen Äste

Bianca Steimle (Linke) hinterfragte, warum Fichten, Tannen und Pappeln aus dem Schutz herausfallen. Und Hans-Georg Sifft wußte warum: die Nadelbäume sind als Flachwurzler den zunehmenden Windgeschwindigkeiten schlechter gewachsen. Und “Pappeln sind hochgefährlich, die können jederzeit Äste runterwerfen”. Und da er das Wort hatte, widersprach Sifft auch gleich der Kritik Bläsius an angeblich zu hohem Bürokratieaufwand. Es seien nicht nur geschätzte 230 Anträge jährlich zu bearbeiten, sondern auch Bürger*Innen zu beraten und zu informieren, daher sei “eine Stelle realistisch, sinnvoll und notwendig”. Auf die Stellenproblematik ging Wilhelm Zimmerlin gar nicht erst ein. Er schilderte seinen Eindruck von den Menschen, die Gärten haben. Diese pflegten auch ihre Bäume.

Zimmerlin befürchtet “städtisches Zwangsregime”

Seine Ablehnung brachte der Sprecher von FWG/BüFEP auf die Formel: “ein städtisches Zwangsregime in privaten Gärten ist so überflüssig wie ein Kropf”. Für Zimmerlin ist es eine sehr unerfreuliche Vorstellung, dass da einer von der Stadtverwaltung kommt und in seinen Garten hineinregiert. Nach diesem Beitrag erkannte die Oberbürgermeisterin, dass der Streit weniger um Baumumfänge und Ersatzpflanzungsauflagen geht, sondern mehr um die Frage des Geltungsbereiches. Und kündigte die eingangs geschilderte Abstimmung an. Hermann Bläsius und Bianca Steimle versuchten dann noch, das Votum mit Sachbeiträgen zu beeinflussen. Aber der letzte Redner vor der Abstimmung, Thomas Wolff (AfD) sprach sich unumwunden gegen die Satzung als “zu massiven Eingriff ins Eigentumsrecht mit der Brechstange aus” und erinnerte an bis zu 600 Bäume, die für ein einziges Windrad gefällt werden müssen.

Abstimmungs-Nachkontrolle durch Klaus Christ

Das Abstimmungsergebis traf die Verwaltung übrigens so sehr, dass erstmals seit dem diese Seite berichtet, Stadtbauamtsleiter Klaus Christ sich während der dann mit dem Thema ÖPNV weiterlaufenden Sitzung persönlich zum Ausschußmitglied Björn Wilde (SPD) an dessen Sitzplatz bemühte und diesen nach seinem Abstimmungsverhalten befragte. Wilde erklärte er hätte sich enthalten – wenn nach Enthaltungen gefragt worden wäre. Damit jetzt die Genossen über den ihren nicht herfallen, eine kurze Regelkunde: mal ganz davon abgesehen, dass kommunale Mandatsräger frei von parteipolitischen Vorgaben zu entscheiden haben. Auch ein 9 zu 9 hätte zur Ablehnung der Satzung geführt. Denn auch bei Stimmengleichheit wäre der Antrag der Oberbürgermeisterin als gescheitert protokolliert worden. Und zum Abstimmungsverfahren (hier: zur unterlassenen Abfrage der Enthaltungen) dokumentieren wir seit 2018, dass die Oberbürgermeisterin sich nicht an die Regeln hält. Das stört offensichtlich – ausser uns – niemanden. Bis so ein Fall mal vor Gericht landet. Aber um den Tourimusbeitrag geht es hier und heute ja nicht^^.

Lesen Sie zum Thema auch auf dieser Seite:

19.11.19 – “”Bäume ab 80 cm Stammumfang schützen!”
27.04.19 – “Denk-mal : Bad Kreuznach e.V. für Baumschutzsatzung”
16.02.19 – “Vier Bäume sind Geschichte”