Faire Liste, Freie Wähler, BüFEP und FWG: Stadtratssitzungen wieder im Casinogebäude

Von Claus Jotzo

Vor rund neun Jahren wurde ein für die Sitzungen der städtischen Gremien folgenschwerer Beschluss gefasst. Der für die Sanierung des Casinogebäudes. In dem 1835 erbauten Gebäude an der Einmündung der Stromberger Strasse in den Brückes tagten ab den sechziger Jahren der Stadtrat und seine Gremien. Treibende Kraft für den Sanierungsbeschluss 2015: Peter Anheuser. Der im Jahr nach der Beschlussfassung verstorbene frühere Vorsitzende der CDU-Stadtratsfraktion wollte ursprünglich lediglich einen behindertengerechten Zugang zum Sitzungssaal schaffen, das Dach repariert und die Fassade aufgehübscht sehen. Barrierefreiheit war schon rund 20 Jahre früher in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts ein Thema.

Da war ich selbst Mitglied des Rates der Stadt und bin daher Augenzeuge. Damals waren es die Grünen, die deutlich machten, dass in einer Stadt mit einem so hohen Anteil von Personen, die auf Fahrstühle angewiesen sind, ein für diese Mitmenschen nicht zugänglicher Sitzungssaal unzumutbar ausgrenzend ist. Seinerzeit erklärte sich Peter Anheuser, der zwar den Spitzname “Ochs” hatte, aber in seiner oft gutmütig-leistungsstarken Hilfsbereitschaft für andere eher an das Pferd Boxer aus “Farm der Tiere” erinnerte, zur Einsparung der Baukosten in einer Beratung bereit, Personen mit Bewegungsbehinderung persönlich die Treppen hoch und runter zu tragen.

Vor zehn Jahren gehörte Anheuser dann selbst zu den körperlich eingeschränkten Personen. Was seinen Umdenkungsprozess befördert haben mag. Die Sanierung wurde in die Hände des Stadtbauamtes gelegt. Das zog zwar auch externe Fachleute zu. Trotzdem stand das nicht mit einer vollständigen und korrekten Baubestandsuntersuchung und -dokumentation ins Blaue hinein gestartete Projekt unter keinem guten Stern. Im Sommer 2016 wurden sowhl die Aufträge für die Neudeckung des Daches als auch Zimmererarbeiten am Dachtstuhl vergeben. Mit der klaren Zusage der Bauverwaltung:

“Baudurchführung vor dem Herbst” 2016. Allerdings. Wir leben in Bad Kreuznach. Baubeginn war daher natürlich erst im Frühjahr 2017. Ein Gerüstbauer hatte nach Einschätzung des Stadtbauamtes Murks abgeliefert. Es dauerte eben, bis ein kompetenter Auftragnehmer tätig werden konnte. In den Jahren 2017 und 2018 stellte sich dann heraus, dass nahezu alle der vom Stadtbauamtes zuvor verwalteten und unterhaltenen Gewerke des Casinogebäudes inklusive des Ratskellers schwer sanierungsbedürftig sind. Mehrere Millionen Euro wurden bisher in das Gebäude mit rund 600 Quadratmetern Nutzfläche gesteckt.

Und von aussen ist es mittlerweile auch schön anzusehen. Wenn man über die auch nach Monaten noch immer nicht beseitigte Ölverschmutzung hinwegschaut. Innen hat es allerdings nicht einmal Rohbauniveau. Und ist unbenutzbar. Weitere mindestens 3 Millionen Euro müssten ausgegeben werden, um das Gebäude nutzen zu können. Die letzte Stadtratssitzung im Casinogebäude fand am 31. August 2017, also vor sieben Jahren statt. Seit dem tagten der Rat der Stadt und seine Gremien im Sitzungssaal der Sparkasse (heute Rathaus), in der Kreisverwaltung, im Grossen Kursaal des Kurhauses (in der Coronazeit mehrfach im Leonardo-Hotel) und im Verwaltungsgebäude Brückes 1.

In keinem der alternativen Sitzungsräume waren die Sicht- und Kommunikationsbedingungen auch nur annährend so gut, wie im Sitzungssaal des Casinogebäudes. Auf diese Tatsache weisen die drei Fraktion Faire Liste, Frei Wähler und BüFEP/FWG in einem gemeinsamen Antrag für die nächste Stadtratssitzung hin. Und ziehen daraus die Konsequenz: “so schnell wie möglich zu Ratssitzungen und Ausschusssitzungen ins Casinogebäude zurückzukehren”. Der Haken an der Sache: das ist erst möglich, wenn die Sanierung abgeschlossen wurde. Das dafür benötigte und ursprünglich eingeplante Geld ist längst anderweitig verplant bzw ausgegeben. Und die Stadtkasse ist tief im Minus …

Der Antrag für die Stadtratssitzung am 29.8.2024 im Wortlaut:

“Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Die Unterzeichner stellen den Antrag, so schnell wie möglich zu Ratssitzungen und Ausschusssitzungen ins Casinogebäude zurückzukehren.

Begründung: Seit mehreren Jahren können wegen Umbauarbeiten des Ratsaales und des Ratskellers diese Einrichtungen nicht mehr genutzt werden. Sowohl die bisherigen Sitzungen des Stadtrates im Telekomgebäude als auch in dem zur Zeit genutzten Raum im neuen Rathaus (ehemals Sparkasse) sind für ordentliche Ratssitzungen ungeeignet. Man sitzt wie in einem Kino in Reihen und kann den Ratskolleginnen und Ratskollegen nicht ins Gesicht sehen. Auch ist der jetzige Raum akustisch ungeeignet. Auch nach Ende unserer Sitzung fehlt uns ein geeigneter Raum – hierzu eignet sich besonders der Gewölbekeller in Casinogebäude.

Wir bitten umgehend zu prüfen welcher finanzieller Aufwand erforderlich ist, um den Sitzungssaal im Casinogebäude und Ratskeller wieder nutzen zu können und in welchem Zeitraum eine Rückkehr ins Casinogebäude möglich ist. Ein Verkauf des Casinogebäudes oder ein zurück gibt es nach unsrer Meinung nicht mehr, denn im jetzigen Zustand des Gebäudes stecken bereits mehr als 3 Millionen an Fördermitteln drin. Mit freundlichen Grüßen gez. Dr. Herbert Drumm (Fraktionsvorsitzender Freie Wähler), Gerhard Merkelbach (Fraktionsvorsitzender Faire Liste) Wilhelm Zimmerlin (Fraktionsvorsitzender BüFEP / FWG e.V.)”