Stefan Butz kritisiert das vom Oberbürgermeister verhängte Gender-Verbot

Beobachtet und kommentiert von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Immer wieder belegen Umfragen: mehr als 85% der Deutschen lehnen eine geschlechtergerechte Sprache (“Gendern”) ab. Noch schlimmer ist: nicht nur die sprachliche Differenzierung wird mehrheitlich abgelehnt. Auch die dahinter stehenden Fakten erleiden dieses gesellschaftliche Schicksal. In die Spatzengehirne des deutschen Durchschnittsmenschen passen auch viele andere Realitäten (anders als die abwegigsten und dümmsten Wahnvorstellungen und Verschwörungstheorien) nicht hinein. Dabei wurde auch schon vor 45 Jahren im Biologieunterricht etwa mitgeteilt, dass einige Lebewesen auf diesem Planeten, die alle samt und sonders vom selben Lebensbaum wie die Menschheit abstammen, Zwitter sind.

So sind etwa Regenwürmer, Weinbergschnecken und Lachse zweigeschlechtlich. Und werden weltweit mit Genuss verzehrt. Wenn die sich so ernährenden das wüssten (Drohung: man ist, was man isst …). Noch nicht ganz so lange wird unterrichtet, dass Lebewesen sogar in der Lage sind ihr Geschlecht ohne jeden operativen Eingriff zu wechseln. Nicht auf irgend einem Mond eines Planeten im Sonnensystem in einer weit entfernten Galaxie. Sondern hier auf der Erde. Wieso angesichts dieser lange bekannten Fakten die große Mehrheit der Menschen noch heute an der klaren Zuordnung von Geschlechtern festhalten möchte, haben Psychologen längst erklärt.

Wir alle benötigen in einer Welt, in der sich auch persönlich relevante Dinge immer schneller ändern, Stabilität. Leider werden in den sogenannten Bildungseinrichtungen Änderungsraten von Funktionen gelehrt. Und was ein Luxusgut ist. Aber nicht unterrichtet, wie sich die jeder einzelne in seinem Leben Fixpunkte erarbeiten kann. Und so wird die geschlechtliche Zuordnung zu einem der Anker, an dem viele im Fluss des Lebens Halt suchen. Obwohl eigentlich Empathie für jene gefragt wäre, die nicht als einer der beiden Unterfälle der binären Sexualität auf die Welt gekommen sind.

So banal es ist, so wenig selbstverständlich ist noch heute in der gesellschaftlichen Bewertung, dass Frauen, die Frauen lieben und Männer, die auf Männer stehen, nicht krank sind. Sondern genetisch bedingt einfach eine andere sexuelle Orientierung haben. Wer das schon nicht versteht, für den sind die weiteren Realitäten der LGBTQ +- Gesellschaft weit weit weg. Etwa Bisexualität, Transsexualität, queer und intergeschlechtlich. Natürlich ist nicht jede(r), der-die nicht gendert, gegen diese Menschen. Aber warum es nicht anders sehen? Warum sich nicht wenigstens ab und zu die Zeit nehmen durch den sprachlichen Ausdruck diesen Mitmenschen zu zeigen: wir nehmen auch euch wahr …

Der Bad Kreuznacher Oberbürgermeister Emanuel Letz (FDP) sieht das nicht so. Letz hat in der vergangenen Woche angeordnet, dass die Mitarbeitenden der Stadtverwaltung nur noch die im Duden definierte Sprache anwenden dürfen. Jubel bei der erdrückenden Mehrheit derer, die davon erfahren haben. Die Letz-Verfügung war Wasser auf die Mühle jener, die über die Sprache hinaus aufgrund ihrer Wissens- und Wahrnehmungsdefizite die lesbischen, schwulen, bisexuellen, intersexuellen, queeren und transsexuellen Menschen ablehnen. Als einziges Stadtratsmitglied traut sich Stefan Butz (Progressives Bad Kreuznach) eine Wortmeldung zu diesem Thema abzugeben.

Die Presseerklärung von Stefan Butz (PBK) im Wortlaut:

“Nun also Schreibverbote in Bad Kreuznach. Was für eine Ironie!

Da wittert man von konservativer Seite Gendern als Methode für erzwungene Eingriffe in die deutsche Sprache und dann schafft es ein FDP-Oberbürgermeister, gut 1.000 Menschen in dieser Stadt, den Angestellten der Stadtverwaltung, ein Schreibverbot aufzuerlegen: Sie dürfen jetzt nicht mehr per z.B. Stern oder Doppelpunkt gendern, also durch alternative Schreibweisen möglichst alle Menschen sprachlich inkludieren. Nun ist ihnen vorgeschrieben, wie sie zu schreiben haben. Liberal ist das nicht.

Liberal war die bisherige Lösung, es den Angestellten selbst zu überlassen, wie sie schreiben. Aber für einen OB, der in der Kritik steht, ist es ein Leichtes, beim Thema Gendern mit Verboten bei seiner Klientel zu punkten: Kein Stadtrat oder Ausschuss muss gefragt werden, der OB sagt einfach an. Ob das reicht, das Mütchen seiner Kritiker:innen zu kühlen? Das darf bezweifelt werden.

Nur die männliche und weibliche Form zu nutzen, wie die Stadt nun ankündigte, ist eine veraltete Form des Genderns, das ja eigentlich alle Geschlechter, biologisch wie sozial, in der Ansprache mit einschließen soll. Nun werden nur noch Männer und Frauen inkludiert. Dass es – sozial wie biologisch – mehr Geschlechter gibt, z.B. trans- oder intersexuelle Menschen, ist dem OB zwar bewusst. Er will sie laut Meldung der Stadtverwaltung auch weiter mit ansprechen. Jedoch hat er genau das gerade untersagt.

Im Sprachgebrauch des OB mag das – wenn auch widersprüchlich – umsetzbar sein. Es gibt jedoch Stellen der Verwaltung, deren Arbeit der OB damit geradezu unmöglich macht. So unterstützt das Stadtjugendamt über das dazugehörige Jugend- und Kooperationszentrum „Die Mühle“ zum Glück auch queere Jugendliche, die sich im althergebrachten binären, biologisch-sozialen Geschlechterschema Mann und Frau nicht wiederfinden. Dazu gehört auch die Unterstützung des Queer-Treffs Bad Kreuznach, der diesen jungen Menschen den dringend benötigten geschützten Raum bietet.

Wie sollen diese Mitarbeiter der Verwaltung ihre Schützlinge künftig ansprechen? Sollen sie sie umdefinieren zu jemandem, der sie nicht sind? Oder sollen sie sie gar nicht mehr ansprechen, gar die Arbeit einstellen? Das wäre ein gewaltiger Rückschritt. Wie tief die Ablehnung queerer Menschen sitzt, sieht man leider geradezu exemplarisch an der wenig durchdachten Mitteilung des OB zum Gendern. Herr Letz, zeigen Sie, dass Sie nicht zu denen gehören, die queere Menschen ablehnen und nehmen Sie diese Entscheidung zurück!”

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17.11.2023 – “Emanuel Letz ordnet den Verzicht aufs Gendern bei der Stadt an”