Brandneue Daten vom Land: Hochwasserschutz reicht nicht aus

Beobachtet und kommentiert von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Am gestrigen Donnerstagnachmittag (16.11.2023) rückte der Bauhof in voller Besetzung aus, um den mobilen Hochwasserschutz aufzubauen. Die Niederschläge des gestrigen Tages haben diese Aktion für die Männer in Orange zwar unangenehm gemacht. Ausgelöst haben können sie sie nicht. Denn laut dem Hochwasservorhersagedienst des Landes bringen die so wenig Wasser, dass der Nahepegel seinen Höchststand am heutigen Vormittag mit 4,30 Metern erreichen wird. Ein Wert, der vor drei Tagen, als die Alu-Teile noch friedlich im Depot schummerten, mit 4,74 Meter deutlich überschritten wurde.

Das Wetter war mies, die Stimmung bei den Bauhof-Mitarbeitern gut.

Angeblich erfolgte der Aufbau aufgrund einer Information aus dem Mainzer Umweltministerium. Vermutlich handelt es sich um ein Missverständnis. Oder eine Fehlinterpretation. Denn die tatsächlich relevante Information ist bereits zwei Monate alt. Auch wenn sie erst am Dienstag dieser Woche zur Veröffentlichung freigegeben wurde. In Bad Kreuznach exklusiv mitgeteilt in der Sitzung des Bosenheimer Ortsbeirates. Dort stand das Starkregenschutzkonzept auf der Tagesordnung. Den sich auf dem Berg sicher fühlenden Ortsbezirklern stellte Dipl.-Ing. Heinrich Webler die Bedrohungslage durch Starkregen vor.

Zur Sprache kam aber auch die Hochwassergefahr, die damit ja in einem engen inhaltlichen Zusammenhang steht. Die wurde in den vergangenen Jahren, sicher auch motiviert durch die Ahr-Flut-Katastrophe, auf der Basis aktueller Daten wissenschaftlich neu aufgearbeitet. Mit einem für Bad Kreuznach erschütternden Ergebnis: “der wunderbare Hochwasserschutz wird überflutet”, erklärte Dipl.-Ing. Heinrich Webler unverblümt. Auch um deutlich zu machen, dass Objektschutz und private Vorsorge der Grundstückseigentümer unumgänglich zum Schutz von Hab und Gut sind.

Tatsächlich liefern die brandaktuellen Werte ein vollkommen neues Bild von der Hochwassergefahr in Bad Kreuznach. Der Grund: Hochwässer der Nahe werden um “20 bis 40%” steigen: die “Veränderungen sind sehr hoch”. Die Angaben stammen aus vom Hochwassermanagement des Landes. “Diese fußen auf dem Wasserhaushaltsgesetz WHG §76 (2) und stellen dar: Gesetzliche Überschwemmungsgebiete HQ100 (ges. ÜSG). Diese reichen bis an die Hochwasserschutzmauern heran, so dass der 100-jährliche Hochwasserschutz, der zum Zeitpunkt der Berechnung der Wasserspiegel galt, gewährleistet ist.

Die aktuelle Hochwasserkarte zeigt für heute und morgen: keine Gefahr.

Risikogebiete außerhalb der gesetzlichen ÜSG. Diese stellen die Deichbruchszenarien dar, gleichbedeutend mit dem deutlichen Überschreiten des HQ100 beim sogenannten HQ extrem, bei dem die Hochwasserschutzanlagen überflutet werden. Die Abflüsse sind in der Planungsphase der Hochwassermauern von der Universität Karlsruhe (KIT) mit HQ100 = 1.000 m3/sec angesetzt worden, die Höhe der Hochwassermauern wurde zusätzlich noch mit einem Freibord versehen. Die künftigen Erhöhungen der Abflüsse werden zum Teil von diesem Freibord abgefangen.

Die neue Hochwasserausdehnung ist, um nicht schon durch die Farbgebung Ängste zu schüren, in einem zarten schraffierten Grün gehalten.

Das HQextrem wird jedoch immer die HWS-Anlagen überströmen”, informiert Dipl.-Ing. Heinrich Webler. Um als Fazit zu ziehen: “einen absoluten Hochwasserschutz gibt es nicht”. Was das konkret bedeutet, ist den seit heute freigeschalteten Karten zu entnehmen: die amtlich als “Risikogebiete” eingestuften Bereiche reichen nunmehr bis in die Nähe der Salinenstrasse. Kommt es zu einem Extremhochwasser, das statistisch nunmehr bereits in den kommenden 70 Jahren zu erwarten ist, steht die Nahe in der Planiger Strasse, auf dem Bourger Platz, in der Römerstrasse, in der Klostergasse und fast überall im Kurgebiet.