Keine akute Hochwassergefahr in Bad Kreuznach

Seit Tagen werden in den Radio- und Fernsehnachrichten “amtliche Unwetterwarnungen” verbreitet. Demnach droht “ergiebiger Dauer- und Starkregen” mit konkreten benannten Hochwassergefahren. Wer nicht genau hinhört und sich vom anhaltenden Nieselregen in der Naheregion oder den Pfützen überall täuschen lässt, dem fallen die schlimmen Bilder der Hochwässer in den Wintern 1993 und 1995 ein. “Tief Jasper bringt viel Regen mit”, wurde in der Nacht von gestrigen Montag (13.11.2023) auf den heutigen Dienstag gewarnt.

Die aktuellen Messwerte (Grafik von 5:15 Uhr) belegen: am Oberlauf der Nahe fallen die Pegel wieder. Zwar auf höherem Niveau als ursprünglich vorhergesagt. Aber ohne jede Hochwassergefahr.

Allerdings für Süddeutschland. Rheinland-Pfalz ist nicht betroffen. Trotzdem sind einige Menschen aufgrund der noch in (un)guter Erinnerung befindlichen Geschehnisse von vor zwei Jahren an der Ahr im inneren Alarmzustand. Wenn dann sich widersprechende amtliche Informationen auftauchen, sind die Menschen verunsichert. Unser Redakteur hat das heute Nacht live miterlebt. Ein gutes Dutzend Emails und Anrufe gingen bei ihm ab 0:40 Uhr ein. Sachliche wie sehr emotional geprägte. Grund der Aufregung: die Hochwasservorhersagezentrale am Landesamt für Umwelt in Mainz hatte in ihrem “Hochwasservorhersagedienst”, Ausgabe vom vom 13.11.2023 um 17:26 Uhr festgestellt:

Das sah für fachliche Laien gefährlich aus: der Pegel Oberstein (blaue Linie) durchbrach entgegen der Vorhersage (lila Linie) die Meldehöhe. Und lag deutlich über den von den Fachleuten geschätzten Werten.

“An Nahe und Glan ist eine kurzzeitige Meldehöhen-Überschreitung in der Nacht auf Dienstag möglich aber unwahrscheinlich”. Dann aber trat genau das Unwahrscheinliche ein. Die Nahepegel in Oberstein und Martinstein bewegten sich zunächst steil nach oben. Um dann ab Mitternacht deutlich an der Vorhersagekurve vorbeizuziehen. Die sagte nämlich für den Pegel Oberstein um 2 Uhr am 14.11.2023 einen Wasserstand von 1,56 Meter voraus. Der hatte aber die Meldehöhe von 1,6 Meter schon 30 Minuten vor Mitternacht gerissen und war um 1:30 Uhr am 14.11.2023 bereits auf 1,75 Meter gestiegen.

Auch am Pegel Martinstein wurde die Meldehöhe gerissen.

Um immerhin 15 Zentimeter in rund zwei Stunden. In der Grafik sieht das so aus, als käme eine Wasserwand die Nahe herunter gebrettert. Dabei ist die Höhe tatsächlich unbedenklich. So führt ein im Schnitt alle zwei Jahre vorkommendes Hochwasser in Oberstein zu Messergebnissen von 2,40 Metern oder mehr. Und das niedrigste Hochwasser der letzten 44 Jahre wurde dort am 16.12.2011 mit 2,94 Meter (das höchste am 23.1.1995 mit 4,05 Metern) gemessen. Mit der Abweichung zwischen der Vorhersage und den tatsächlich gemessenen Pegelwerten lässt sich allerdings keine Kritik an den zuständigen Behörden begründen.

Denn zum einen sind – spätestens nach den Erfahrungen an der Ahr – alle Parameter und Handlungsschritte eher zu vorsichtig als zu locker eingetaktet. Zum anderen sind die lokalen Wettervorhersagen, die im Fall der Nahe zu berücksichtigen sind, mit vertretbarem Kosten-Aufwand nur mit einer sachgerecht und verantwortlich abgewogenen Ungenauigkeit möglich. Und schließlich wird im Bereich Hochwasserschutz eine geradezu perfekte Transparenz durch Echtzeitweitergabe der relevanten Messwerte gegeben. Und zwar schon zu Zeiten vor dem Ahr-Ereignis. Dort wurden natürlich auch von Behörden Fehler gemacht.

Wahr ist aber auch: hätten die Menschen sich die Livedaten am Nachmittag und Abend vor der Katastrophennacht angesehen, wäre der ein oder die andere auch von selbst auf die Idee gekommen, sich und die wichtigste Habe in Sicherheit zu bringen. Nicht ohne Grund weist das Land in seiner aktuellen Starkregenkampagne sehr deutlich auf die Eigenverantwortlichkeit der Einwohner*Innen hin. Wer vollkommen zu recht nicht staatlich bevormundet werden möchte, muss halt auch ein bisschen selbst schauen, was gut und sicher für ihn-sie-es ist.

Im konkreten Fall konnte die Redaktion dieser Seite einigen Verunsicherten mit dem Hinweis auf eine andere Karte helfen, die ebenfalls auf der Hochwasserschutzseite angeboten wird. Dem Regenradarbild. Das machte deutlich: keine bedeutenden Niederschläge im Naheland. Keine Hochwassergefahr in der vergangenen Nacht und in den kommenden Tagen. Wie sicher das Hochwasservorhersagesystem heutzutage ist, konnte ab 2 Uhr auch auf der Daten-Seite nachgelesen werden.

Denn dort tauchte mitten in der Nacht der Hinweis auf: “Vorhersage der HVZ Rheinland-Pfalz vom 14.11.2023 1:00 Uhr”. Und in der wurde die Überschreitung der Meldehöhen mitgeteilt. Und die Kurven entsprechend angepasst. Die liegen jetzt zwar etwas höher, als am späten Nachmittag des Vortages. Aber sehr weit entfernt von gefährlichen Hochwasserwerten. Die aktuellen Daten werden alle 15 Minuten aktualisiert und sind auf www.hochwasser.rlp.de/hochwasserbericht frei einzusehen.