Was hat die Stadt ein Jahr lang in Sachen Abwägungsverfahren Bosenheimer Bad getan?

Beobachtet und kommentiert von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Vor 54 Jahren hat die damalige Landesregierung das gegen den in einer Abstimmung erklärten Willen der Bosenheimer durchgesetzt: die zuvor selbstständige rheinhessische Kommune wurde nach Bad Kreuznach zwangseingemeindet. Aus Sicht des Landes bestand die einzige räumliche Entwicklungsmöglichkeit der Stadt Richtung Osten. Gleichwohl gab es einen Eingemeindungsvertrag. Darin garantiert Bad Kreuznach den Bosenheimern den Erhalt des dortigen Bades. Das römische Weltreich konnte seine Existenz über Jahrhunderte sichern, weil es von Anfang an einen Grundsatz beachtete: pacta sunt servanda – Verträge sind einzuhalten.

Trotz der römischen Geschichte der Stadt, sahen sich deren Gremien seit den siebziger Jahren nicht verpflichtet, sich an ihre eigene Unterschrift zu halten. Diverse Versuche zur Schliessung des Bades scheiterten. Bereits vor über 20 Jahren erkannte die damalige Stadtrechtsdirektorin Heiderose Häußermann, dass der einzige Weg, das Bad loszuwerden, theoretisch in einem Verwaltungsverfahren nach § 60 Verwaltungsverfahrensgesetz besteht. Weil Häußermann erkannt hatte, dass die inhaltlichen Voraussetzungen dafür nicht vorliegen, wurde dies nie eingeleitet. Bekannt ist all das den aktuellen Stadtratsmitgliedern seit dem Mai 2022.

Am 15. Dezember 2022 beschloss der Stadtrat auf Antrag der CDU dann die Vorbereitung des Verwaltungsverfahrens. Im Internet kann dazu jeder Ablaufschemata finden. Die zeigen, je nach dem von welcher Universität sie stammen, 25 bis 30 Arbeitsschritte und Fragen, die geklärt werden müssen. Der von der Redaktion dieser Seite befragte Fachanwalt für Verwaltungsrecht schätzt den fachjuristischen Arbeitsaufwand zur Abklärung dieser To-do-Liste auf “80 bis maximal 100 Stunden”. Mag sein, dass das in der Stadtverwaltung aufgerundet drei volle Arbeitswochen bedeutet. Fast ein Jahr nach diesem Stadtratsbeschluss liegt allerdings nichts auf dem Tisch.

Nicht einmal einen Zwischenbericht gab es. Statt dessen eine Mitteilung des Bürgermeisters, der die Vorlage von Ergebnissen in das “Frühjahr 2024” verschob. Das Bad ist seit dem Juni 2023 mit der Begründung “hoher Wasserverlust” geschlossen. Da passt den Gegnern einer Wiederaufnahme des Badbetriebes eine weitere Verzögerung des Rechtsverfahrens gut ins Konzept. Die Stadtratsmitglieder Wilhelm Zimmerlin und Gerhard Merkelbach, die in der Faktion Faire Liste / BüFEP zusammengeschlossen sind, wollen das nicht tatenlos hinnehmen. Und haben daher für die nächste Stadtratssitzung einen Antrag gestellt:

Der Antrag von Faire Liste / BüFEP im Wortlaut:

“Antrag zur Tagesordnung des nächsten Stadtrates, Betreff: Abwägungsverfahren Freibad Bosenheim
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Letz, hiermit beantragen wir gemäß § 3 GO i.V.m. § 34 Abs. 5 GemO die im Betreff genannte Angelegenheit auf die Tagesordnung der nächsten Stadtratssitzung zu setzen und verwaltungsseitig einleitend Bericht zu erstatten unter Einbeziehung folgender Punkte:

a. Stand des Abwägungsverfahrens zu dem öffentlich-rechtlichen Eingemeindungsvertrag aus dem Jahr 1969 zwischen der damaligen Ortsgemeinde Bosenheim und der Stadt Bad Kreuznach,
b. die bisher vorgenommen einzelnen Arbeitsschritte und deren Detailergebnisse,
c. ob eine, wenn ja wann und welche, fachkompetente Anwaltskanzlei zur Unterstützung beigezogen wurde, mit welchen Kosten sowie mit welchen bisherigen Arbeitsergebnissen; wenn nein, warum nicht,
d. eine möglichst konkrete Darstellung der einzelnen noch zu leistenden Arbeitsschritte.
Abhängig vom Inhalt der Berichterstattung behalten wir uns einen Antrag unter diesem TOP vor.

Begründung:
In der Sitzung am 15. Dezember 2022 hat der Stadtrat auf Antrag der CDU-Fraktion beschlossen (Drucksachennummer 22/457), die Verwaltung zu beauftragen, einen “Beschluss zu einem ordentlichen und rechtssicheren Abwägungsverfahren zu dem öffentlich-rechtlichen Eingemeindungsvertrag aus dem Jahr 1969 zwischen der damaligen Ortsgemeinde Bosenheim und
der Stadt Bad Kreuznach” vorzubereiten. Der bei sechs Enthaltungen mit 31 Ja-Stimmen gegen 3 Nein-Stimmen gefasste Beschluss beinhaltet, dass aufgezeigt werden soll, ob die Stadt Bad Kreuznach das Freibad im Stadtteil Bosenheim dauerhaft betreiben muss oder ein Beschluss zur Schließung dieses Bades möglich ist.

Seit diesem Beschluss ist nunmehr fast ein Jahr vergangen, ohne dass auch nur ein Zwischenbericht gegeben wurde. Bürgermeister Blechschmidt hat in der vergangenen Woche in einem Pressegespräch erklärt, die Verwaltung werde das Ergebnis im Frühjahr 2024 vorlegen. Damit würde die Bearbeitungszeit durch die Verwaltung eineinhalb Jahre betragen. Das erscheint uns unangemessen lang zu sein und in der Sache nicht gerechtfertigt. Jedenfalls ist es jetzt, nach fast einem Jahr Bearbeitungsfrist, höchste Zeit, eine Bilanz zu ziehen und den Stadtrat über die nunmehr ein Jahr lang
erarbeiteten Fakten und Erkenntnisse zu unterrichten.

Mit einer Verweisung sind wir nicht einverstanden. Wir beantragen den TOP hiermit so frühzeitig, damit die Verwaltung ausreichend Zeit hat, eine angemessene Unterrichtung auszuarbeiten und in der Sitzung zu präsentieren. Eine schriftliche Vorlage zur Vorbereitung für die Stadtratsmitglieder halten wir für angebracht. Mit freundlichen Grüßen gez. Wilhelm Zimmerlin (Fraktionsvorsitzender) und gez. Gerhard Merkelbach (Stellvertretender Fraktionsvorsitzender)”