Kehrmaschinenkauf ohne Reue

Beobachtet und kommentiert von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Als in der Sitzung des Finanzausschusses am 2. Oktober der Punkt “Kauf einer Kehrmaschine” aufgerufen wurde, zuckten viele im Gremium zusammen. Die Insider erinnerten sich noch mit Schrecken an einen entsprechenden Tagesordnungspunkt bei den Etatberatungen im November 2022. Damals wurde das corpus delicti sogar vor den Eingang vom Sitzungssaal gestellt, damit sich alle Entscheidungsträger*Innen ein Bild machen konnten. So schlimm die Ausgangslage im vergangenen Jahr war, so gut stellt sie sich in der Präsentation des Bauhofes heute dar. Dessen Leiterin Mareike Näher hatte aus dem 2022er-Fragenmarathon gelernt. Und eine von Zahlen und Fakten nur so strotzende Beschussvorlage verfasst.

Aus ganz anderen Gründen (Kontrolle der Umsetzung der Strassenreinigungssatzung) hat unser Drohnenreporter die frühmorgendlichen Einsätze der städtischen Kehrmaschinen verfolgt. Dabei entstand dieses Bild.

Der stand zwar ein eigentlich unmissverständlicher Beschlussvorschlag vorweg. Aber in den Köpfen einiger Ausschussmitglieder saß der Vorjahres-Schock eben noch tief. Und so wurde allen Ernstes gefragt, ob es sich bei dem nun zur Beschaffung vorgeschlagenen Gefährt um jenes “Montagsauto” handele, dass die Stadt schon so viel Geld kostete. Näher konnte den Ausschuss diesbezüglich beruhigen. Und so beschloss das Gremium einmütig die Empfehlung an den Stadtrat, die Kehrmaschine KH-R 479 für 93.750 € netto zuzüglich 19% MwSt, für zusammen 111.562,50 € brutto, zuzustimmen. Dort war die Zustimmung dann nur noch eine Formsache.

Da es sich bei der Beschlussvorlage um eine so vorbildliche Verwaltungsvorlage handelt – was leider zu selten vorkommt – präsentieren wir deren Begründung nachstehend im Wortlaut:

Die im Sachgebiet Straßenreinigung eingesetzte Kehrmaschine KH-R 479 ist seit Juli 2020 für monatlich 3.829,00 € zzgl. MwSt. gemietet. Der Mietvertrag hat eine Laufzeit bis zum 14.05.2024. Aufgrund der Dauer des Ausschreibungs- und Vergabeverfahrenes sowie der daran anschließenden Lieferzeit, muss die Beschaffung bereits im Jahr 2023 veranlasst werden. Als Vergabeverfahren wurde die öffentliche Ausschreibung gewählt. In diesem Verfahren wurden zwei Angebote abgegeben. Bei beiden Angeboten werden alle Ausschluss- und Bewertungskriterien erfüllt. Technisch sind keine Unterschiede zwischen den angebotenen Fahrzeugen erkennbar.

Es handelt sich um Maschinen vom gleichen Hersteller, Aebi Schmidt Cleango 500. Da beide Fahrzeuge alle Ausschluss- und Bewertungskriterien erfüllen, erreichen hier beide Anbieter die gleiche Punktzahl. Das wirtschaftlichste Angebot beläuft sich auf 253.589,00 € brutto abzüglich 2% Skonto; 248.517,22 €. Die monatlichen Leasingkosten für eine Aebi Schmidt Cleango 500 würden sich aktuell auf 4.509,23 € zzgl. MwSt. belaufen (kein Full-Service-Leasing-Vertrag. Kosten bei Full-Service-Vertrag ca. 5.500,00 € zzgl. MwSt.). Dies entspricht einem direkten Aufwand von 216.443,04 € netto (257.567,22 € brutto) bei einer Vertragsdauer/ Nutzungsdauer von 4 Jahren.

Die durchschnittliche Nutzungsdauer einer Kehrmaschine beträgt 9 Jahre. Vergleicht man die aktuellen Anschaffungskosten von 253.589,00 € brutto zu den Leasingkosten, so ergibt sich hier beim Kauf eine deutliche Ersparnis. Zeitgleich zum Vergabeverfahren wurde beim Leasinggeber nach dem Restkaufwert für die aktuell gemietete Kehrmaschine angefragt. Das Fahrzeug wurde uns zu 93.750,00 € netto zzgl. 19% MwSt., 111.562,50 € brutto angeboten. Die Kehrmaschine wurde in 07/2020 gebaut und befindet sich in einem technisch guten Zustand. Aufgrund des enormen Unterschiedes in den Anschaffungskosten und dem guten Zustand der aktuellen Maschine würden wir uns in diesem Fall für den Ankauf der „Altmaschine“ entscheiden.

Unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Nutzungszeit von 9 Jahren, könnte die Kehrmaschine nach Ankauf noch 5 Jahre eingesetzt werden. Dies würde zu einer jährlichen Afa von rund 22.000,00 € führen. Des Weiteren kann beim Verkauf einer Altmaschine (im Rahmen einer Neubeschaffung) der Verkaufserlös als Einnahme positiv verzeichnet werden. Als Beispiel nennen wir hier den Verkauf der Kehrmaschine Brock KH-R 601 welche im Jahr 2019 nach einer Nutzungsdauer von 11 Jahren für 10.000,00 € verkauft wurde und die Kehrmaschine KH-R 479 welche nach einer Nutzungsdauer von 13 Jahren für 18.000,00 € verkauft wurde.

Dies stellte zusätzliche Einnahmen für den Bauhof dar. Die Unterlagen wurden dem Rechnungsprüfungsamt zur Prüfung bereits vorgelegt. Im Wirtschaftsplan 2023 sind für die Beschaffung dieses Fahrzeuges 200.000,00 € eingestellt. Der Gesamtbetrag der Beschaffung beläuft sich auf 111.562,50 € brutto. Der Betrag ist somit vollumfänglich gedeckt. Des Weiteren sind im Wirtschaftsplan 2023 für 2024 Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 500.000,00 € berücksichtigt. Wir bitten daher um Zustimmung zur oben beschriebenen Beschaffung.

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