Eklat wegen Befangenheit im Jugendhilfeausschuss

Als Sängerin trifft Birgit Ensminger-Busse perfekt jeden Ton. Und kann Partituren tonbruchteilgenau lesen, adaptieren und vokalisieren. Mit den Rechtsvorschriften für die kommunalpolitische Arbeit tut sich die frühere FDP- und heutige CDU-Ratsfrau ungleich schwerer. Teils sicher aus Arglosigkeit. Teils aber auch aus einer selbstgerechten “Ich-bin-doch-nicht-irgendwer”-Haltung heraus. Am gestrigen frühen Abend im Jugendhilfeausschuss (JHA) prallte diese Einstellung auf die von der Stadtverwaltung vertretene Rechtsauffassung zum § 22 Gemeindeordnung (GemO).

Erst nach Diskussionen räumte Birgit Ensminger-Busse ihren Sitzplatz im Ausschussrund und setzte sich zu den Zuhörerinnen.

Der schreibt vor, dass Personen, denen die Entscheidung eines kommunalen Gremiums in einer Detailfrage einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil bringen kann, daran nicht mitwirken dürfen. Das gilt auch für Personen, die als Vorstand in entsprechend betroffenen Unternehmen, Vereinen oder Organisationen tätig sind. Birgit Ensminger-Busse ist Presbyterin der örtlichen evangelischen Kirchengemeinde. Und weil der im JHA anstehende Beschluss die Zuschusshöhe an die Kirche betraf, kam das Stadtrechtsamt bei seiner Prüfung zum Ergebnis, dass bei Presbytern im Rechtssinne die Besorgnis der Befangenheit besteht.

Auf den entsprechenden Hinweis von Ausschussvorsitzender Juliane Rohrbacher reagierte Birgit Ensminger-Busse zunächst barsch abweisend. Mit deutlich angehobener Stimme rief sie der Vorsitzenden zu: “ich habe hier den Hut auf. Ich sitze hier als Stadtratsmitglied und nicht für die Kirche”. Birgit Ensminger-Busse zeigte sich regelrecht empört über den ihr angekündigten Ausschluss und verwies darauf, dass sie nunmehr fast ein Jahr in der Arbeitsgruppe mitgearbeitet und den dort gefundenen Kompromiss mit ermöglicht habe.

Daher sei es vollkommen unverständlich, dass sie vom vorletzten Schritt, der Beratung und Vorentscheidung im JHA, ausgeschlossen werden solle. Juliane Rohrbacher versuchte die vom Rechtsamt erhaltene Vorgabe so gut es ihr möglich war verständlich zu machen. Und wurde dabei von Oberbürgermeister Emanuel Letz unterstützt. Was bei Birgit Ensminger-Busse zu einem ersten Einlenken führte: “dann stimme ich halt nicht mit”. Allerdings mochte sie ihren Sitzplatz im Ausschussrund nicht verlassen: “ich möchte aber hier sitzen bleiben”. Genau das geht aber nicht.

Sowohl das Gesetz als auch die Rechtsprechung verlangen zwingend ein Umsetzen in den Zuhörerbereich. Auch davon konnte Birgit Ensminger-Busse schlußendlich überzeugt werden. Kaum hatte die streitbare Ratsfrau den Platz gewechselt, richtete sich die selbe Aufforderung an Stadtratsmitglied Dr. Herbert Drumm MdL (Freie Wähler). Der kommentierte das an ihn gerichtete Ansinnen mit dem aus leicht gerötetem Kopf herausgepolterten Satz: “sie wollen wohl die evangelische Kirche ausschließen”. Dr. Drumm ist kein JHA-Mitglied und hätte daher ohnehin nicht mit abstimmen dürfen.

Aber die GemO verbietet in Befangenheits-Fällen sogar die Mitwirkung an der Beratung. Auch Dr. Drumm entschloß sich zum Wegsetzen in den Zuhörerbereich. Gab allerdings der Ausschußvorsitzenden und dem OB beim Platzwechsel noch einen Rat mit: “klären Sie das bitte sauber ab und kommen Sie nicht nochmal mit solchen Mätzchen”. Von ihren Plätzen im Publikum führten beide Stadtratsmitglieder die Diskussion weiter. Birgit Ensminger-Busse sprach, um die Abwegigkeit ihres Ausschlusses nachvollziehbar zu machen, Ausschuss-Mitglied Christoph Anheuser (FDP) an:

“Herr Anheuser vertritt die Interessen der Kita, in der seine Kinder sind”. Zur sichtlichen Erleichterung der anderen Anwesenden begann dann die eigentliche Beratung. “Finanzierung der Kindertagesstätten Freier Träger” war das Thema (Bericht dazu folgt. Vorab so viel: mit einer bemerkenswert verständlichen und ohne sprachliche Hänger vorgetragenen Zusammenfassung lieferte Christoph Anheuser eine gute Basis für den später vom JHA einstimmig gefaßten Beschluss). Ausgelöst wurde der Eklat durch eine Nachfrage von Günther Kistner.

Er ist das einzige JHA-Mitglied, dass sich konsequent, ohne Ansehen der Person und fortlaufend für die Einhaltung von Rechtsvorschriften einsetzt, um die Arbeit des Gremiums vor rechtlichen Fehlern und daraus folgenden Rückschlägen zu schützen. Nachdem das Mitglied Elfi Decker-Huppert gleich zu Beginn des Tagesordnungspunktes das Ausschussrund Richtung Zuhörerplätze verlassen hatte, fragte Kistner, wieso Birgit Ensminger-Busse nicht mitgeht. Erst durch diese Nachfrage wurde der Verwaltung bewußt, dass die Befangenheits-Thematik nicht nur für eine, sondern gleich drei Anwesende einschlägig war.