CDU: Annette Thiergarten ist der linke Rock näher ist als das grüne Hemd

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Claus Jotzo

Am Wochenende war aufgrund der Sprachlosigkeit der anderen Parteien der Eindruck entstanden, die schnelle Distanzierung der grünen Fraktionsspitze von den Radio-Aussagen ihres Fraktionsmitgliedes Annette Thiergarten habe die Situation entspannt. Dem ist aber nicht so. Sehr deutlich wurde das in der gestrigen Sitzung des Hauptausschusses. Karl-Heinz Delaveaux hatte für die Fraktion FWG / BüFEP die nichtöffentliche Behandlung der Thiergarten-Ausssagen als Tagesordnungspunkt beantragt. Und folgerichtig auch die Presse über seinen Antrag nicht informiert. Die Absicht des erfahrenen Kommunalpolitikers:

Ein offenes internes Gespräch, in dem es durchaus deutlich zur Sache geht, aber ohne Zuschauer. Und damit mit der Möglichkeit ohne Bewertungen durch die Öffentlichkeit wechselseitige Verhaltensveränderungen zu bewirken. Leider hat die Chance dieses Ansatzes nur Carsten Pörksen (SPD) erkannt, der Delaveaux noch einige Lebensjahre und vor allem intensive politische Erfahrung voraus hat. Pörksen war daher der einzige, der – wie er selbst sagte zum ersten Mal – eine kommunalpolitische Aktivität Delaveauxs ausdrücklich lobte. Und damit deutlich machte, wie man Brücken baut und in der Krise zusammenführt.

Für die FDP-Fraktion bot der FWG / BüFEP-Antrag, was politisch absolut legitim ist, die Gelegenheit zur Generalabrechnung mit Annette Thiergarten, deren Radio-Aussagen nur das provozierende Topping einer Kette von Aktivitäten war, mit der die grüne Ratsfrau in den vergangenen Monaten an die Öffentlichkeit trat. Der liberale Fraktionsvorsitzende Jürgen Eitel griff den auf der nichtöffentlichen Tagesordnung eingetragenen Delaveaux-Antrag auf und beantragte dessen Vorverlegung in den öffentlichen Teil der Hauptausschußsitzung. Weil die entsprechende Beratung und Beschlußfassung gesetzeskonform nichtöffentlich erfolgte, ist dazu nur der Beschluß bekannt:

Bei vielen Enthaltung sprach sich eine große Mehrheit für die öffentliche Behandlung aus. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: der Verlauf der Aussprache muß als unfreiwilliges, über eineinhalbstündiges Plädoyer für die Sichtweise der beiden Polit-Veteranen Delaveaux und Pörksen verstanden werden. Denn nach der Aussprache sind die Gräben tiefer als vorher. Sicher ist jetzt, dass das Thema Auswirkungen auf die weitere Zusammenarbeit im Stadtrat haben wird. Nicht mehr auszuschließen ist, dass auch Auswirkungen auf das Arbeitsklima innerhalb der Stadtgrünen und für deren Landtagswahlkampf folgen werden.

Denn in der Aussprache gestern verteidigte Andrea Manz ihre gemeinsam mit Annette Thiergarten Mitte Juni im Kulturausschuß vorgetragene Kritik am Finanzausschuß, der “ehrabschneidend und herabwürdigend” den Etat für 2020 beraten habe. Und die Vorschläge “alter weißer Herren” in diesem Gremium, “die längst überholt sind”. Da Andrea Manz als A- und Annette Thiergarten als B-Kandidatin der Grünen im Wahlkreis Bad Kreuznach antreten, wegen schlechter Platzierung auf der Landesliste aber keinerlei Aussicht auf Einzug in den Landtag haben, stellt sich für jene Grünen und grüne Wähler*Innen, die grüne Politik nicht auf den Erhalt des Stadtjugendamtes und des Theaters für Puppentheaterkultur reduziert sehen wollen, die Frage, in welchem Umfang sie sich in einem aussichtslosen Kampf um ein Direktmandat einbringen können.

Was wiederum für Andrea Manz gravierende Folgen haben könnte. Nach der Kommunalwahl freute sie sich als “Stimmenkönigin” über das beste Personenergebnis auf der grünen Liste. Ein schlechtes Abschneiden bei der Landtagswahl im Vergleich mit anderen grünen Direktkandidat*Innen könnte ihren Ambitionen auf eine Rückkehr in den Stadtvorstand einen mächtigen Dämpfer verpassen. Und mit Annette Thiergarten als B-Kandidatin hat Andrea Manz sich auf dem Weg in die Arena in aggressives Rot gekleidet. Dies hat die Diskussion gestern im Hauptausschuß in vielen Aspekten offengelegt (der Bericht dazu folgt). Wie sehr die Fronten jetzt verhärtet sind, macht die aktuelle Erklärung der CDU-Stadtratsfraktion deutlich.

In der Aussprache waren die Christdemokraten um Manfred Rapp sichtlich bemüht, ihre Verärgerung und Enttäuschung nicht in Worte zu kleiden. Und hielten sich mit Redebeiträgen zurück. Die dann im Ausschuß angekündigte und am späten Abend verschickte Presseerklärung der CDU-Fraktion läßt erahnen, wie groß der Druck im Kessel tatsächlich ist. Wobei es der Schlußsatz ist, der die Tragweite andeutet und die anderen – vor allem die Grünen – nachdenklich stimmen müßte: “Die Fraktionsmitglieder der CDU werden darüber beraten, inwieweit eine künftige Arbeit in diesem Rat möglich sein wird”.

Die Erklärung der CDU im Wortlaut:

Alle Konservativen als Faschisten im Radio Deutschlandfunk zu bezeichnen und damit gleichsam in Sippenhaft zu nehmen, ist so, als würde man sagen, alle Linken, also auch die SPD und Die Grüne, sind Linksextreme bzw. radikale Linke, sind Sozialisten, sind SED’ler, Stasi-Leute und Kommunisten. In der heutigen, extrem aufgeregten und in vielerlei Hinsicht total übertriebenen Zeit, in der jedes einzelne Wort auf die Goldwaage gelegt wird, ist davon auszugehen, dass das Stadtratsmitglied der Grünen, Annette Thiergarten, wissentlich und willentlich diese Aussage hinsichtlich der Gleichsetzung von Konservativen und Faschisten gemacht und auch so gemeint hat.

Die Demokratie ist nicht in Gefahr, wenn widerstreitende politische Ideen und Interessen aufeinanderstoßen – das gehört, solange sich Diskussionen über unterschiedliche politische Konzepte in einem sachlichen und rationalen Rahmen bewegen, im Gegenteil zu einem offenen und von gegenseitigem Respekt geprägten politischen Diskurs, getragen von der übereinstimmenden Grundauffassung, stets das Beste für eine Kommune und damit gerade auch für die Menschen in unserer Stadt Bad Kreuznach erreichen zu wollen.

Was aber schwierig ist, und in der Aussage von Annette Thiergarten wird dies versinnbildlicht, ist, wenn Menschen, die nicht ihrer Meinung sind, die nicht ihrer Ideologie folgen, als grundsätzlich schlecht, als intolerant und auch als bösartig zu diskreditieren. Eine solche Sichtweise, anderen Menschen stets ihr Weltbild aufoktroyieren zu wollen und sich zudem dadurch auszuzeichnen, allen Bürgern und Bürgerinnen vorzuschreiben, wie sie zu leben haben – genau diese Sichtweise bringt Frau Thiergarten sowohl explizit als auch implizit in diesem Radio-Interview zum Ausdruck. Und exakt darin liegt letztlich die eigentliche Gefahr für die Demokratie. Eine solche Auffassung ist in diesem Sinne immer ideologisch arrogant geprägt, was nichts anderes bedeutet, als das Menschen, die so denken und sprechen wie Frau Thiergarten, allen Mitmenschen vorschreiben wollen, wie die Welt im Allgemeinen und der Mensch im Besonderen zu funktionieren hat.

Im Übrigen zielen auch heute alle ideologie-getriebenen linken Bewegungen, zu denen sich Frau Thiergarten offenkundig zählt, auf den Umsturz des in Deutschland herrschenden Gesellschaftssystems – man sehe sich dazu nur die Parteiprogramme von linksorientierten Parteien an. In dieser Logik, dass Frau Thiergarten offenkundig der linke Rock näher ist als das grüne Hemd, erschließt sich ihre Aussage im Deutschlandfunk. Letztlich geht es Politikerinnen wie Frau Thiergarten nämlich nicht um die Erhaltung, sondern gerade die Abschaffung der Demokratie als großes „linkes“ Ziel.

So muss an dieser Stelle ganz deutlich konstatiert werden, dass in der neueren Geschichte der Menschheit es linke Ideologien waren und noch immer sind, die am Ende in menschheitsverachtenden Diktaturen enden. Die große Mehrheit der heute auf der Erde lebenden Menschen wird von linken Diktatoren regiert, siehe China, Russland, siehe Kuba und Belarus. Dort werden Menschen unter dem Joch einer linken Zwangsherrschaft unterdrückt, gefoltert und in Gefängnisse geworfen.

Die CDU-Stadtratsfraktion Bad Kreuznach, als Teil der christlichen und im besten Sinne konservativen Partei CDU, der Partei von Konrad Adenauer, von Richard von Weizsäcker und von Helmut Kohl, der Partei, in der Werte wie Freiheit, Toleranz, Respekt, Vertrauen und Wahrheit sowie Wertschätzung jeden Einzelnen eine besondere Rolle spielen, ist fassungslos darüber, dass eine Bad Kreuznacher Stadträtin sich in dieser Weise im öffentlichen rechtlichen Rundfunk geäußert hat – und dies, an dieser Stelle nur nebenbei bemerkt, zudem ohne Einhaken des Moderators noch ohne Widerspruch der anderen Diskussionsteilnehmer. Die Fraktionsmitglieder der CDU werden darüber beraten, inwieweit eine künftige Arbeit in diesem Rat möglich sein wird. Manfred Rapp CDU Fraktionsvorsitzender”

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