Jahrmarkt: “rein kommerzielle Veranstaltung” oder “Kreuznachers liebstes Kind”?

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Der Erhöhungsbetrag ist klein fünfstellig. Die Zahlungsverpflichteten kommen zum größten Teil nicht aus Bad Kreuznach. Die Sache wurde im Fachausschuß intensiv beraten. Eigentlich daher eine Beschlußvorlage, die der Stadtrat geschäftsüblich ohne Diskussion durchwinkt. Es ging um die Anpassung der Standgelder auf dem Jahrmarkt. Die erste nach 26 Jahren. Trotzdem verbleibt nach dem Verwaltungsvoschlag eine Deckungslücke. Der Jahrmarktsbürgermeister ging die Sache wie gewohnt sportlich an. Markus Schlosser formulierte als Signal an die Defizit-Gegner einleitend das Ziel, “in Richtung schwarze Null zu marschieren”.

“Weitaus zu gering”

Da Schlosser bereits über ein Jahr im Amt ist, kennt man dessen körperlichen Topzustand in den Reihen der Ratsmitglieder. Und weiß: ein Marsch mit Schlosser als Schrittmacher kann sich hinziehen, weil der Kondition hat. So lange mochte Lothar Bastian nicht warten. Das grüne Stadtratsmitglied ist (bitte nicht falsch verstehen Lothar) nicht mehr der Jüngste. Und daher naturgemäß daran interessiert, das Schwarze-Null-Ziel schnellstmöglich zu erreichen. Für einen sofortigen Defizitausgleich und gegen die Verwaltungsvorlage führte Bastian zunächst eine Rechenübung an. Der Schlosser-Vorschlag falle “weitaus zu gering aus”.

Bastian: rein kommerziell

Genau betrachtet handele es sich gar nicht um eine Erhöhung. Berücksichtige man nämlich die Preissteigerung der 26 erhöhungsfreien Jahre, erfolge jetzt lediglich ein Inflationsausgleich. Den zweiten Punkt machte der Grüne mit dem Hinweis auf die prekäre Finanzlage der Stadt. Bastian erinnerte daran, dass erst in der Finanzausschußsitzung vor wenigen Tagen eine Arbeitsgruppe für schmerzhafte Einsparungsvorschläge eingesetzt wurde. Daher sei es “unpassend” wenn zeitgleich eine “rein kommerzielle Veranstaltung” subventioniert werde. Bastian führte unmißverständlich aus, dass der Jahrmarkt “kein gemeinnütziges Event mit sozialem Hintergrund” ist.

Kühl bis ins Herz hinein kalkulieren

Vielmehr ginge es “schlicht und einfach um das kommerzielle Interesse der Beschicker”. Bis zu diesem Zeitpunkt war es im Ratsrund weitgehend ruhig geblieben. Als Lothar Bastian dann feststellte, es sei daher nötig “kühl bis ins Herz hinein die Gebühr zu kalkulieren”, waren erste Stöhner und Zwischenrufe zu hören. Schließlich zerlegte Bastian mit seinem dritten Argument die Rechenvorgabe Schlossers, in dem er auf bundesweit ergangene Gerichtsurteile verwies, die allesamt bestätigten, dass “Kosten für die Sicherheit selbstverständlich auf die Gebühren umgelegt werden können”. Kaum hatte Bastian seinen Verriss der Verwaltungsvorlage beendet, brach es aus Karl-Heinz Delaveaux heraus:

Widerspruch von Delaveaux

“Ich sehe das komplett umgekehrt”. Die vorgeschlagene Erhöhung sei “übertrieben”. Den Grünen schrieb der FWG-Fraktionsprecher ins Stammbuch: “wer den Jahrmarkt als rein kommerzielle Veranstaltung erfasst, bleibt besser weg”. Denn der sei “den Kreuznachern ihr liebstes Kind”. Und auch für Bastian hatte Delaveaux einen Rat parat: “das dürfen Sie in der Stadt nicht erzählen”. Auch für die SPD ist laut deren Fraktionssprecher der Jahrmarkt “keine kommerzielle Veranstaltung, sondern eine Brauchtumsveranstaltung”. Andreas Henschel erinnerte an die Historie des Festes. Und er berichtete von Gästen, die sich “tolle Fahrgeschäfte” wünschen.

Lorenz sprach, obwohl befangen

Bei den Gerichtsurteilen widersprach er Bastian. Ihm seien aus Berlin Urteile bekannt, die die Kosten für Sicherheit allein als Sache des Veranstalters einstuften. Henschel erinnerte daran, dass die Beschicker bereits mit 50 Euro je Transportwagen belastet würden und wußte zu berichten, dass allein die Geisterbahn 25 davon benötige. Werner Lorenz (FDP), der mit seinem Weingut einen Stand im Naheweinzelt betreibt, lobte die diesjährige Veranstaltung als “die beste seit über 30 Jahren”. Trotzdem gebe es Teilnehmer, die überlegten, nicht mehr mitzumachen. Kaum hatte Lorenz fertig, sprach ihn die Oberbürgermeisterin an:

Änderungsantrag der CDU

“Während Sie gesprochen haben sind wir zu der Überzeugung gekommen, dass Sie befangen sind, bitte rücken Sie ab”. Dr. Bettina Mackeprang trug Kritik an der Verwaltungsvorlage vor, wurde aber vom CDU-Fraktionsvorsitzenden Manfred Rapp anschließend freundlich ausgebremst. Die Christdemokraten hätten sich in ihrer Fraktionssitzung eindeutig für die Vorlage ausgesprochen, “aber da war die Bettina nicht dabei”. Um eine erneute mehrjährige Anpassungspause zu vermeiden, beantragte die CDU, dass die Verwaltung alle zwei Jahre eine aktuelle Kalkulation vorlegt. Der grüne Fraktionssprecher Hermann Bläsius schlug eine Indexierung der Gebühren vor: “dann wäre das Ganze gegessen”.

Schlosser klärte Henschel auf

Der frühere Gymnasialdirektor ersparte Markus Schlosser nicht den Hinweis darauf, dass dessen Berechnung der Sicherheitskosten nicht korrekt ist. “Die Container gehören nicht zum Sicherheitskonzept” stellte Bläsius treffend fest und legte nach, dass auch der Grundstückskauf der von den Einsatzkräften genutzten Fläche nichts damit zu tun habe. Schlosser wiederum konnte Andreas Henschel aufklären. Denn anders als vom SPD-Fraktionsvorsitzenden behauptet, müssen die Schausteller für ihre Transport-Lkws gar nichts bezahlen. Sondern nur für ihre auf der Pfingstwiese abgestellten Wohnmobile.

Ensminger-Busse widersprach Meurer

Günter Meurer (SPD) konnte sich seinen Beitrag, anders als die grosse Zahl der übrigen Ratsmitglieder, nicht verkneifen. In einem Konvolut von Verteidigungs- und Erklärungsformulierungen für die Verwaltung, in dem Begriffe wie Kompetenz, Werbung und Nachlässigkeit in unterschiedlicher Kombination zu verschiedenen Sätzen gruppiert waren, lobte er die Verwaltungsvorlage. Und stellte in Aussicht, dass “die Sicherheitsmaßnahmen irgendwann wegfallen”. Damit “kommt die schwarze Null automatisch”. Mit dieser Ansage provozierte Meurer den Widerspruch von Birgit Ensminger-Busse. Die CDU-Ratsfrau bestand darauf, dass die Nichtanpassung der Gebühren über fast 30 Jahre ein “Versäumnis” sei.

Merkelbach ließ sich nicht provozieren

Und bezweifelte das Absinken der Sicherheitskosten. Genau so sieht das auch Hans-Gerhard Merkelbach (Faire Liste), der der Versuchung widerstand, sich von Günter Meurer (“da müssen Sie zuhören”) in ein verbales Scharmützel hineinziehen zu lassen: “Die Sicherheitskosten werden nicht sinken”. Als letzte Rednerin wies Juliane Rohrbacher (Grüne) auf ein ganz anderes Detail hin. So muß der Anbieter des Ponyreitens nur 250 Euro Standgebühr zahlen, die Aufsteller von Kinderkarussells aber das Vierfache. Die Abstimmung ergab dann ein eindeutiges Bild. Gegen den um den CDU-Antrag erweiterten Verwaltungsvorschlag stimmten allein die acht Mitglieder der grünen Fraktion, alle anderen dafür.