“Die Ampel muss weg”

Beobachtet und kommentiert von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Die Geschichte vom “Riesenspielzeug” ist vor rund 200 Jahren zu Papier gebracht worden. Die mündliche Überlieferung ist sicher viele Jahrhunderte älter. Die elsässische Sage spielt auf Burg Niedeck im heute französischen Oberhaslach. Der Erzählung nach lebte dort einst ein Riesengeschlecht, dessen Töchterchen bei einem Ausflug einen pflügenden Bauern entdeckt und diesen samt Gespann und Pflug mitnahm in die Burg. Als sie ihrem Vater stolz den Fund präsentiert, reagiert der ganz anders, als von der Tochter erwartet. In der Textvariante von Adelbert von Chamisso aus dem Jahr 1831 ist seine Ermahnung wie folgt formuliert:

“Der Alte wird gar ernsthaft und wiegt sein Haupt und spricht:
Was hast du angerichtet? das ist kein Spielzeug nicht!
Wo du es hergenommen, da trag’ es wieder hin,
Der Bauer ist kein Spielzeug, was kommt dir in den Sinn!

Sollst gleich und ohne Murren erfüllen mein Gebot;
Denn, wäre nicht der Bauer, so hättest du kein Brod;
Es sprießt der Stamm der Riesen aus Bauernmark hervor,
Der Bauer ist kein Spielzeug, da sei uns Gott davor!”

Es ist erstaunlich, dass ausgerechnet die grünen Bildungsbürger die in diesen Zeilen zusammengefasste, über Jahrhunderte gesammelte Lebenserfahrung, nicht verstehen – oder sich darüber arrogant hinwegsetzen. Und das eineinhalb Jahre, nachdem ausser den gut alimentierten Politiker*Innen jeder normale Mensch gemerkt hat, wie schädlich Abhängigkeiten vom Ausland sich auswirken können. Nach der nur mit hohen Kosten abgewendeten Katastrophe bei der Gasversorgung hätte doch gerade im Wirtschaftsministerium mit dem grünen Minister klar sein müssen, das allein der Hinweis auf eine neue Abhängigkeit breite Bevölkerungsschichten mobilisiert.

Wenn schon der grüne Landwirtschaftsminister pennt. Auch in der deutschen Geschichte scheinen die die Bundesregierung tragenden Parteiführungen häufiger geschwänzt zu haben. Die Hintergründe des Bauernkrieges von 1524 bis 1526 sind offensichtlich ebensowenig bekannt, wie die Ziele der Bundschuh-Bewegung: “unbillige Steuern und Zölle” waren neben anderen deren Kritikpunkte. Die erste Landwirtin, die 1987 für die Grünen in den Bundestag einzog, Dora Flinner, hatte sich bei ihrem gesellschaftlichen Engagement wortwörtlich auf diese Tradition berufen. Immerhin:

Eine Peinlichkeit haben die Grünen sich und den Teilnehmer*Innen der Traktor-Demo am Donnerstag dieser Woche (21.12.2023) erspart: einen Schleim-Auftritt auf dem Podium. Mandatsträger von SPD und FDP waren da rigoroser. Wie der SPD-Landtagsabgeordnete Michael Simon (Pfaffen-Schwabenheim). Der als Partei-Delegierter die Politik Bundesregierung ebenso stützt, wie die FDP-Parteisoldaten. Aber der Landjugend zum Protest gegen diese Regierung gratuliert, um auf der Bühne stehen zu dürfen. Weil ja bald wieder eine Landtagwahl ansteht. Die Demonstranten haben ihn und andere, deren Parteien in der Bundesregierung nicht ausgebuht.

Aber viele waren verständlicher Weise unangenehm berührt. Der Widerstand der Bauern und Winzer wird weder über die Festtage noch beim Rutsch ins neue Jahr verrauchen. Denn für die Betroffenen geht es um ihre Existenz. Und für die Verbraucher um die Sicherheit, mittel- und langfristig Lebensmittel so selbstverständlich einkaufen zu können, wie bisher. Dabei müssen die Kunden ihre Geiz-ist-geil-Mentalität ablegen. Denn sicher und gesund bedeutet regional produzieren und verbrauchen. Das kostet mehr, als die Ausbeutungsproduktion in der Dritten Welt.  Für die Bundesregierung sind die nächsten Tage die letzte Chance ihre Fehler einzusehen. Und ins neue Jahr mit neuen Beschlüssen zu gehen. Sonst wird “Die Ampel muss weg” zur Überschrift des Jahres 2024.