Leserbrief der Hildegard Krauß zu den Zusatzbelastungen für Winzer, Land- und Forstwirte

Leserbrief von
Hildegard Krauß

“Was ist das Ziel des „Beitrags der Landwirtschaft“ zum Bundeshaushalt 2024? Prima Idee, die Subvention von klimaschädlichem Diesel für die Bauern zu streichen – Klima und Haushalt werden gerettet und somit zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, oder? Agrardiesel ist so alt wie die Mineralölsteuer. Diese wurde erfunden, um mit den staatlichen Einnahmen Straßen zu bauen und zu unterhalten. Da landwirtschaftlich genutzter Sprit für das Beackern von landwirtschaftlichen Flächen gebraucht wird und die dazu nötigen Wirtschaftswege von den Grundstückseigentümern finanziert werden, wurde diese Steuer von Beginn an als Gasölverbilligung zurückerstattet, was seit dem Agrardieselgesetz vor 23 Jahren nur noch zu gut 45 % geschieht.

In einer gemeinsamen öffentlichen Sitzung des Weinbauverband Nahe e.V. und des Bauern- und Winzerverbandes an Nahe und Glan e.V. am gestrigen Dienstagabend (19.12.2023) trug Hildegard Krauß ihren Leserbrief vor. Und erhielt dafür donnernden Applaus.

Im Bauernverständnis ist deshalb Agrardiesel keine Subvention, sondern viel mehr die teilweise Rückerstattung zu Unrecht erhobener Steuern. Im europäischen Ausland sieht man das ähnlich, weshalb z.B. französische Traktoren ungestraft mit Heizöl fahren dürfen. Ist das Ziel der geplanten Maßnahmen Einnahmen zu generieren? Für den Bundeshaushalt 2024 ist das sicher kurzfristig so: Die noch niemals erhobene Kfz-Steuer für landwirtschaftliche Zugmaschinen wird bis September fällig und die in der gleichen Zeit zu erstattenden Beträge für in 2023 verbrauchtes Agrardiesel spart man sich.

Beide Posten kommen ausschließlich dem Bund zugute – jedoch: Diese Kosten sind Betriebsausgaben! Sie schmälern den Gewinn eines jeden Betriebes, was mit dem Rückgang des Einkommensteueraufkommens einhergeht. 20.000€ höhere Kosten bedeuten 20.000€ weniger zu versteuernder Gewinn – und die Co2-Bepreisung kommt zukünftig noch on top! Für jeden Kommunalpolitiker interessant: Die Steuerkraft ländlicher Kommunen wird sinken! …auch weil aus Kostengründen mit der Freisetzung von landwirtschaftlichen Arbeitskräften zu rechnen ist. Deutlich ausgedrückt: Der Staatshaushalt soll auf Kosten des ländlichen Raumes saniert werden!

Aber das Klima profitiert doch sicher, oder? Wir alle wollen essen, jeden Tag. Jegliche Lebensmittelproduktion ist nur mit energieintensiven Maschinen zu bewerkstelligen (es sei denn, wir wollten 80% unserer Bevölkerung mit Hacken und Sicheln auf die Felder jagen). Wenn es nun betriebswirtschaftlich sinnvoller ist die Produktion zu extensivieren und stillzulegen (spart Energie- und Lohnkosten, sowie Ärger mit Dünge- und Pflanzenschutzverordnung, sonstigen Auflagen und gesellschaftlichen Ressentiments, Wolfs- und Wildschadensproblemen und klimatischen Risiken), werden unsere Lebensmittel aus dem Ausland importiert sicher nicht zur Klimaverbesserung beitragen.

Die garantiert dann begrüßte nationale Co2-Reduktion hätte verheerende Auswirkungen weltweit: Weder der Hunger in der Welt, noch ein Temperaturanstieg würde reduziert – das Gegenteil von politischen Sonntagsreden und Appellen würde eintreten. Um es klar zu sagen: Ein solcher volkswirtschaftlich schwachsinnige Verzicht auf Wertschöpfung auf jahrhundertealtem Kulturland widerspricht der DNA eines jeden verantwortungsbewussten Landwirts, doch letztlich hat man auch eine Verantwortung sich selbst und seiner Familie gegenüber! Diesel ist für landwirtschaftliche Produktion „noch“ alternativlos – fast!

Vor 20 Jahren wurde in unserer Region mit viel Enthusiasmus und unternehmerischem Risiko wissenschaftlich begleitet heimisches Rapsöl für moderne Traktoren nutzbar gemacht – vollkommen klimaneutral! …bis 2006 die Politik diese Energiequelle mit Steuern belegte: schlecht für das Klima und schlecht für die Bauern – das Geschäftsmodell war tot! Als dann das Beimischungsgebot von Pflanzenöl den Rapspreis stabilisierte, war das gut für Bauern und Klima, jedoch nur bis 2022. Aus dem Gebot wurde ein Verbot! Weil der Ukraine-Krieg die Speiseölpreise beim wöchentlichen Einkauf vervielfachte, handelte die Politik um die Inflation für Verbraucher einzudämmen – schlecht fürs Klima und die Bauern, denn der Rapspreis halbierte bis heute.

Wenn ich nun die einzig verfügbare klimaneutrale und sogar selbst erzeugte Energiequelle in meinem Traktor nutze, mache ich mich strafbar, denn ich begehe Steuerhinterziehung. Welche Lenkungswirkung ist mit unserer Steuergesetzgebung beabsichtigt? Und was ist jetzt nun Ziel politischen Handelns? Mein Eindruck: Eine riesige Bodenreform, von unten nach oben wird kommen, wenn das Verkündete Realität wird! 1918 erfand man das noch heute bestehende Grundstücksverkehrsgesetz, mit dessen Hilfe man die Versorgung der kriegsbedingt hungernden Bevölkerung sicherstellen wollte und konnte. Landwirtschaftlicher Grundbesitz sollte in Hand bäuerlicher Familien bleiben und so dem Zugriff von Spekulanten und dem „Großkapital“ entzogen werden.

Bis heute hat sich bewährt, dass mittelständische Familienbetriebe auf eigenem Grund und Boden Lebensmittel produzieren: Nirgendwo ist bei hoher Qualität Essen so günstig wie hierzulande, niemand ist flexibler, erfindungsreicher und leidensfähiger als Bauernfamilien. Jedoch: Nichts ist weltweit so wenig vermehrbar wie fruchtbares Agrarland – ein langfristig unschlagbar lukratives Investment für Investoren mit langem Atem! Nicht nur Bill Gates, auch die Aldis und Lidls dieser Welt wissen das – wenn nur das deutsche Grundstückverkehrsgesetz nicht wäre.

Wenn nun ein Landwirt nicht gerade eine Marktnische bedient, Einkünfte aus Wind oder PV hat oder über sonstiges Einkommen verfügt, wenn er investiert hat in das gesellschaftlich geforderte Tierwohl und in das, was wir alle tagtäglich zum Leben brauchen: in leicht verderbliche Lebensmittel, die ihn damit für den Lebensmitteleinzelhandel mit all seiner Marktmacht erpressbar machen, wenn er sich „selbstversklavt“ hat, ja dann wird er nach all den Drangsalierungen der vergangenen Jahrzehnte, nach diesem in der letzten Woche verkündeten das Fass zum Überlaufen bringenden Tropfen endlich froh sein, wenn jemand da ist um ihn von seiner Last zu befreien – sowohl von den Schulden, wie auch in Aushebelung des o.g. Schutzgesetzes von seinem Land.

Frage: Wer wird wohl bodenschonender und nachhaltiger wirtschaften: Ein Landwirt, der auch der dritten nachfolgenden Generation noch einen fruchtbaren Boden hinterlassen will oder ein nach Gewinnmaximierung strebender Konzern? Wird das Lebensnotwendige für den Verbraucher tendenziell günstiger oder teurer werden? Wer ist Gewinner und wer Verlierer dieses Spiels? Wissen die Verantwortlichen in Berlin was sie da tun, nehmen sie die Folgen billigend in Kauf oder forcieren sie sie gar? In welcher Welt wollen wir zukünftig leben? Verschwörungstheorie? Was in unserer Region strukturbedingt erst beginnt Einzug zu halten, ist im Osten Deutschlands schon Realität: Die Wahlergebnisse der AfD korrelieren mit dem Stand dieser „Agrarwende“. Inständig und flehentlich bitte ich alle und jeden, mir diese These glaubhaft zu widerlegen, kaum etwas würde mich mehr freuen!”