Stadtverwaltung übertrifft Parkinson: auf dem Weg zur Selbstbefriedigungsverwaltung

Beobachtet und kommentiert von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Cyril Northcote Parkinson hat das schon vor mehr als 50 Jahren erkannt: Arbeit wird genau in dem Maße ausgedehnt, wie Zeit zu ihrer Erledigung zur Verfügung steht (Bürokratiewachstum). Die Bad Kreuznacher Stadtverwaltung liefert dazu aktuell ein Paradebeispiel. Um volle 19 Stellen wird diese im kommenden Jahr vergrößert. Oberbürgermeister Emanuel Letz (FDP) schlug diese erhebliche Ausweitung vor. Um sich noch in der Beschlußvorlage als “Stellenbremse” darzustellen mit dem Hinweis darauf, dass von den Fachämtern der Verwaltung sogar 33 neue Stellen gefordert wurden.

Ganz so wie Parkinson es schonungslos analysiert hat: auch ohne dass staatliche Aufgaben größer und mehr würden, breitet sich die Bürokratie immer mehr aus. Für die Einwohner*Innen, die das alles bezahlen müssen (siehe Doppelerhöhung bei der Grund- und der Gewerbesteuer), wird zeitgleich der Service immer schlechter. Wie dramatisch die Lage ist, macht folgender Vergleich deutlich: im Produkt “Gemeindeorgane” sind die Ausgaben für die “ehrenamtlich Tätigen” (Sachkonto 50 10 00) für 2024 mit 214.000 Euro geplant.

Dabei handelt es sich um den Gesamtbetrag der Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder aller fünf Ortsvorsteher, der Ortsbeiräte, aller Ausschuß- und der 44 ehrenamtlichen Stadtratsmitglieder. Dieser Personenkreis bildet das demokratische Herz der kommunalen Selbstverwaltung Bad Kreuznachs. Aus dem Kreis dieser Personen soll der Bürgerwille artikuliert und in Verwaltungshandeln umgesetzt werden. Die restlichen Verwaltungskosten fallen auch in jeder Diktatur und bei jedem beliebigen Unrechtsregime an. Die Kosten für frei gewählte Mandatsträger*Innen sind ein Alleinstellungsmerkmal der Demokratie.

All das, was “Volksherrschaft” von einer Diktatur oder einem autokratischen System unterscheidet, wird in dieser Haushaltsstelle bezahlt: Menschen, die sich aufgrund ihrer Überzeugungen allgemeinen, freien, unabhängigen, geheimen und gleichen Wahlen gestellt haben und sich in ihrer Freizeit für das Gemeinwohl einsetzen. 214.000 Euro bekommen alle diese Mitmenschen zusammen. Die Aufwandentschädigung für Stadtratsmitglieder liegt bei rund 250 Euro im Monat. Das deckt nicht einmal die Kinderbetreuungskosten (was im Fall Juliane Rohrbacher, der einzigen jungen Mutter im Stadtrat, nicht der Grund dafür war, warum sie ihren Nachwuchs Sitzung für Sitzung mitgebracht hat).

Wie lächerlich wenig das ist, wird nicht nur deutlich in der Relation zum Gesamtvolumen der Aufwendungen im Ergebnishaushalt. Diese betragen satte 180 Millionen Euro. Sondern auch im Vergleich zu einem anderen Haushalts-Produkt. Der Personalvertretung (11 170). Deren Aufgabe ist allein die Interessenvertretung der rund 1.100 Beschäftigten der Stadtverwaltung. Damit deren Rechte gegenüber der Verwaltungsleitung und den Bürger*Innen angemessen vertreten werden, zahlen die Einwohner*Innen in 2024 354.000 Euro. Alle aufgrund demokratischer Entscheidungen Mitwirkenden erhalten also zusammen gerade mal 60% des Betrages, der allein für die Personalvertretung ausgegeben wird.

Und Sie fragen, warum sich die Bürokraten durchsetzen – und nicht die Demokraten? Mitschuld sind all jene, die ihre demokratischen Mitwirkungsrechte allesamt nicht nutzen: jene 65%, die nicht an der OB-Wahl im Jahre 2022 teilgenommen haben. Jene 52% die keine Stimme bei der letzten Kommunalwahl 2019 abgegeben haben. Und jene über 53.000 Einwohner*Innen, die noch nie eine der öffentlichen Ausschuß- und Stadtratssitzungen besuchten (um nur drei von unzähligen Parametern zu nennen). So ermöglichen Sie, dass die hiesige Stadtverwaltung sogar noch die schlimmsten Vorhersagen Parkinson’s übertrifft. Und zur Selbstbefriedigungsverwaltung mutiert. Bürgerengagement könnte das verhindern.