Linkspartei in Stadt + Kreis will “den anstehenden Wandel möglichst geregelt vollziehen”

Die Kreisvorsitzende Bianca Steimle wird die Partei DIE LINKE verlassen. Und sich dem “Bündnis Sahra Wagenknecht – Für Vernunft und Gerechtigkeit” anschliessen (siehe gesonderter Bericht in der heutigen Ausgabe dieser Seite). Für die übrigen 43 Genoss*Innen im Kreisverband schafft das eine besondere Situation. Zumal Steimle mit ihrer persönlichen politischen Konsequenz nicht allein steht. Der Linken-Kreisverband, von dem seit dem Austritt des früheren Stadtratsmitgliedes Wolfgang Kleudgen (danach CDU, dann FWG, heute Freie Wähler) in der vergangenen Kommunalwahlperiode personelle Spannungen zumindest öffentlich nicht bekannt geworden sind, steht damit vor einer Zerreissprobe.

So bildet Bianca Steimle derzeit zusammen mit Jürgen Locher die Linke Stadtratsfraktion. Rein formal könnte diese Fraktion auch nach dem Partiaustritt von Steimle fortbestehen. Allerdings hatte sich Jürgen Locher auf Anfrage der Redaktion dieser Seite bereits am vergangenen Wochenende klar positioniert (“Jürgen Locher bleibt der Linken treu”). Und gestern noch einmal nachgelegt (siehe gesonderter Bericht in der heutigen Ausgabe dieser Seite). Locher bezeichnete die Wagenknecht-Aktion “für unverantwortlich”, weil diese zu einer Schwächung der politischen Linken in Deutschland führen werde.

Daher erscheint es schwer vorstellbar, dass Locher die Fraktionsgemeinschaft mit Steimle fortsetzt, nur um ganz pragmatisch das damit verbundene Antragsrecht für die verbleibenden sieben Stadtratssitzungen bis zum Ablauf der Wahlperiode zu retten. Und damit einer Mitbewerberin bei der Kommunalwahl eine Bühne zu bieten. Bemerkenswert ist der sachliche Ton, in dem der Linken-Kreisvorstand die aktuelle Lage in einer Presseerklärung aufarbeitet. Wobei die – noch – in der Linken vereinten Funktionsträger*Innen den Grund dafür benennen: nämlich das “bis dato” gut funktionierende und konstruktive Agieren im Kreisvorstand.

Die Erklärung des Kreisvorstandes Bad Kreuznach der Partei DIE LINKE im Wortlaut:

“An die Genossinnen und Genossen unseres Kreisverbands Bad Kreuznach, den Landesvorstand Rheinland-Pfalz und den Bundesvorstand: Stellungnahme des Kreisvorstandes Bad Kreuznach DIE LINKE zur aktuellen Situation:

Als Mitglieder des Kreisvorstandes Bad Kreuznach bedauern wir die aktuellen Entwicklungen, die die Partei betreffen. Uns ist klar, dass der Prozess der parteiinternen Entfremdung schon länger begonnen hat. Zu lange hat man diesen parteiinternen Konflikt auf oberster Ebene voranschreiten lassen, ohne mehrheitlich und mit klaren Worten für ein einheitliches linkes Projekt zu streiten und verbindend einzugreifen. Die Zeit tut ihr übriges. Durch Austritte bzw. Sterbefälle und Neueintritte hat sich die Zusammensetzung der Mitgliedschaft bis heute signifikant verändert. Auch in der Linken in Rheinland-Pfalz hat sich das Phänomen verbreitet:

Eine Konzentration eines urbanen, vermehrt akademisch gebildeten, jüngeren Milieus. Damit verbunden auch eine andere Auffassung der politischen Ausrichtung in der Linkspartei. Diese Veränderung hat sich etwas mäßiger in unserem Kreisverband vollzogen, da wir eher im ländlichen Raum agieren. Neue Aspekte in eine Partei einzubringen ist grundsätzlich zu begrüßen und fördert in gewissem Rahmen eine Dynamisierung. Das gelingt im Falle einer linken Partei jedoch nur dann konstruktiv, wenn diese Themen und Inhalte sich an traditionellen linken Werten ausrichten und sich in das bestehende Parteiprogramm einfügen.

Dazu benötigt es eine an der Sache orientierte und respektvolle Streitkultur – dies ist der (Überlebens-)Atem einer Partei. Das ist der Linken im Kleinen wie im Großen in letzter Zeit leider zu wenig gelungen. Einsame Beschlüsse des Parteivorstands tun dann ihr Übriges. Diese Diskrepanz kann dann auch von einem bis dato gut funktionierenden und konstruktiv agierenden Kreisvorstand nicht mehr aufgefangen werden. Wir stimmen nicht mit ein in den Jubel und die Erleichterung zu vieler linker Genossinnen und Genossen in Rheinland-Pfalz und auf Bundesebene, ob der teils vollzogenen, teil bevorstehenden Trennungen.

Genau dies macht offenkundig, wie sich die Stimmung und das politische Verständnis in der Linken verändert hat. Uns ist klar, dass unser Kreisverband nun mit der neuen Situation konfrontiert ist. Auch die Zusammensetzung unseres Kreisvorstandes wird hiervon nicht unberührt bleiben. Zudem haben wir Fraktionen im Stadtrat und Kreistag Bad Kreuznach. Wie sich alles entwickelt, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Unabhängig davon, sieht sich unser Kreisvorstand in der Verantwortung, den anstehenden Wandel möglichst geregelt zu vollziehen. gez. Bianca Steimle (Kreisvorsitzende), Manfred Reichard (stellvertretender Kreisvorsitzender), Markus Strehl (Kreisschatzmeister) und Jochen Knödler (Beisitzer), Bad Kreuznach, 24.10.2023”

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23.10.23 – “Jürgen Locher bleibt der Linken treu”