Die Profis zeigen’s den Amateuren

Beobachtet und kommentiert von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Im DfB-Pokal sind es Spielergebnisse, die noch nach Jahrzehnten mit Genuss erinnert werden: wenn etwa in der Saison 1994/1995 der TSV Vestenbergsgreuth durch ein verdientes 1 : 0 den FC Bayern München rauswirft. Die Amateure aus einem 300-Seelen-Dorf schlagen die Millionärstruppe des amtierenden deutschen Meisters. Der Torschütze war Roland Stein. Hauptberuflich ein Bauer. Diesen Amateuren drückt jeder neutrale Beobachter die Daumen. In der Politik ist das anders. Da erwarten die Menschen von ihrem hauptamtlich bezahlten Personal, dass es schlicht seine Arbeit macht. Und die Probleme löst.

Am 10.10.2023 hatte keines der drei Bad Kreuznacher Stadtvorstandsmitglieder Zeit, um den Ersten Kreisbeigeordneten Oliver Kohl (unser Bild) in der Nachbarschaftsversammlung der Riegelgrube-Grundstückseigentümer zu unterstützen. Gestern hat der Kreis sein Containerdorf-Engagement auf Eis gelegt. Jetzt muss die Stadt das Problem allein lösen.

Doch auch in der hauptamtlichen Politik gibt es Profis und Amateure. Der Klassenunterschied in der örtlichen Kommunalpolitik wurde gestern einmal mehr deutlich. Durch die öffentliche Erklärung der Kreisspitze zum Verzicht auf das vom Kreistag beschlossene Containerdorf in der Bad Kreuznacher Riegelgrube. Damit haben Bettina Dickes und Oliver Kohl dem Bad Kreuznacher Trio Infernale im Stadtvorstand (Oberbürgermeister Emanuel Letz, Bürgermeister Thomas Blechschmidt und Beigeordnetem Markus Schlosser) die Quittung präsentiert für deren unverantwortliches Herumlavieren.

Das Dreier-Motto, “wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass”, wird dank der Konsequenz der Kreisspitze nun in seiner ganzen Feigheit und Verlogenheit öffentlich seziert. In den kommenden Monaten kann am Beispiel der Unterbringung von Flüchtlingen jeder sehen, wie konzeptionslos die Stadtspitze bisher (nicht nur bei diesem Thema) vorgegangen ist. Selbst mit dem Stadtvorstand wohlwollend verbundene kritische Stimmen wurden von den drei Besserwissern in den Wind geschlagen. Etwa die Mahnung des Winzenheimers Jürgen Eitel (Liberale Wähler).

Der ehemalige FDP-Stadtverbandsvorsitzende erinnerte seinen vorübergehenden Parteiamtsnachfolger, den OB, in der Stadtratssitzung am 12. Oktober an dessen Verpflichtung, Rat und Stadtbevölkerung regelmäßig zu informieren. Und diese Aufgabe nicht länger nur dem Kreis zu überlassen. Das Thema ist jetzt durch. Wenn es um Häppchen geht oder um Ehrungen oder um Pressefotos, dann ist immer einer aus dem Stadtvorstand dabei. Oder zwei. Als es am 10. Oktober 2023 im Raum 107 der Kreisverwaltung darum ging den unmittelbaren Grundstücksanliegern des geplanten Containerdorfes in der Riegelgrube, also Bürger*Innen der Stadt Bad Kreuznach, reinen Wein einzuschenken, da hatten Letz, Blechschmidt und Schlosser angeblich wichtigere Termine.

Und Oliver Kohl sass alleine da. Das war Feigheit vor der eigenen Bevölkerung. Der bequeme Versuch der Stadtspitze, die Kreisverwaltung das unangenehme Thema Flüchtlingsunterbringung exklusiv abarbeiten zu lassen, ist gestern grandios gescheitert. Jetzt müssen Letz, Blechschmidt und Schlosser liefern. Woche für Woche. Monat für Monat. Bisher gelang die “dezentrale Unterbringung” doch nur wegen des Fleisses der Mitarbeitenden im Sozialamt und dem betriebswirtschaftlich motivierten Engagement von Investoren. Aber die auf freiwilliger Basis mobilisierbaren Wohnungen und Projekte waren begrenzt.

Schon morgen können Letz, Blechschmidt und Schlosser auch mit viel Geld anderer Leute und einem höflichen Lächeln zusätzlichen Wohnraum nicht mehr einfach so generieren. Die Redaktion dieser Seite hat die Stadtverwaltung in den vergangenen Jahren mehrfach auf Leerstand aufmerksam gemacht. Zum Beispiel auf dem Grundstück Heidenmauer 41, das sich im Besitz der Stadt befindet (!). Es dauerte fast zwei Jahre, bis zwei dort zuvor schon jahrelang leerstehende Wohnungen endlich wieder genutzt wurden. Erst vor wenigen Wochen haben wir nachgefragt, warum eine vor rund zwei Jahren durch Brand zerstörte Wohnung noch immer leer steht.

Während die Kneipe untendrunter seit eineinhalb Jahren wieder in Betrieb ist. Reaktion der Stadt: eine dümmliche Unzuständigkeitserklärung. Mit dieser Einstellung wird der Stadtvorstand die vom Kreis zugewiesenen Flüchtlinge nicht “dezentral” unterbringen (können). Dann werden wieder Turnhallen belegt. Oder die Stadtkasse muss die Differenz zwischen den realen Hotelkosten und der auf Angemessenheit reduzierten Kreiserstattung tragen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt wird das Versagen der Stadtpolitik auch der letzten Schlafmütze in der Bürgerschaft (hoffentlich) deutlich: unsere Probleme sind hausgemacht.

Weil die Einwohner*Innen bisher mit den schlimmen Folgen ihres Desinteresses und ihrer Mitarbeitsverweigerung nicht konfrontiert wurden. Dem Kreis ist sehr zu danken, dass er jetzt einen ersten Schritt gemacht hat, um das zu ändern. Letz und Co hätten den Menschen längst die Wahrheit sagen müssen. Statt einer platten Presseerklärung mit Lobhudelei für die angebliche “Fair-Trade-Stadt” Bad Kreuznach hätte der OB den Leuten besser erklärt, dass sie mit jedem einzelnen Kauf nicht fair gehandelter Produkte (also mit 99,999% ihrer Einkäufe) die Migrantenzahl erhöhen. Aber für solche Wahrheiten bekommt man nicht auf die Schulter geklopft. Und schon gar keine Likes auf dem privaten Facebook- oder Instagram-Account.