“Es gibt auch noch Leute, die berufstätig sind”

Beobachtet und kommentiert von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Selten wurde in den letzten Monaten in einer städtischen Ausschusssitzung ein so berechtigter Einwand erhoben, wie am gestrigen Dienstagabend von Björn Wilde. Es tagte der Planungsausschuss (PLUV), dem das Planiger Stadtratsmitglied für die SPD angehört. Nach fast zwei Stunden Sitzungszeit teilte Oberbürgermeister Emanuel Letz dem Gremium mit, dass neben der bereits für den 21. September terminierten PLUV-Sondersitzung (wegen des Stadthaushaltes für 2024), eine weitere Sondersitzung erforderlich wird.

Im amtlichen Terminkalender sind für den 25. und 26. September 2023 keine Gremiensitzungen vorgesehen. Trotzdem will OB Letz an einem dieser Tage die PLUV-Sondersitzung zu den “Wiederkehrenden Beiträgen” nicht durchführen.

Thema “Wiederkehrende Beiträge”. Nonchalant wies der OB darauf hin, dass die Stadt bis zum Jahresende 2023 diesbezüglich noch eine Satzung zu erlassen hat. Letz unterschlug den Ausschussmitgliedern und der Öffentlichkeit, dass diese Verpflichtung schon seit über drei Jahren allgemein bekannt ist. Denn bereits im Mai 2020 setzte die Landesregierung aus SPD, FDP und Grünen eine entsprechende gesetzliche Veränderung durch.

Emanuel Letz ist seit einem Jahr und über zwei Monaten im Amt. Und bringt dieses wichtige Thema kurz vor Toresschluss zum ersten Mal ernsthaft auf die Tagesordnung. Dabei wird diese Veränderung eine der konfliktträchtigsten der kommenden Jahrzehnte werden. Wegen der teils dramatischen Auswirkungen für die Grundstückseigentümer haben viele andere Städte und Gemeinden entsprechende Satzungen längst beraten und den Bürger*Innen vorgestellt. In Bad Kreuznach geschah in diesem Punkt bisher nichts.

Dabei sind bis zur letzten Stadtratssitzung des Jahres 2023 am 14. Dezember gerade noch drei Monate Zeit. Eine Einwohnerversammlung ist nicht geplant. Lediglich eine öffentliche Sondersitzung des PLUV. Als Termine dafür schlug Letz dem Planungsausschuss gestern den 29.9 oder den 13.10. vor. Beide vorgeschlagenen Tage sind Freitage. An Freitagen werden – zum Schutz des Wochenendes und der ehrenamtlichen Kommunalpolitiker*Innen – aufgrund eines überparteilichen Konsenses schon seit Jahrzehnten regelmäßig keine Gremiensitzungen mehr durchgeführt.

Die Behauptung des OB, alle Montags-, Dienstags-, Mittwoch- und Donnerstagstermine seien vergeben, wird durch den amtlichen Terminkalender widerlegt. Denn in dem sind für den 25. und 26.9. und den 9.10. keine Ausschusssitzungen eingetragen. Weil der OB sich an diesen Tagen wohl etwas anderes vorgenommen hat, müssen die ehrenamtlichen Mandatsträger*Innen nun freitags zu einer Sondersitzung antreten. Aufgrund einer ebenfalls überparteilichen Vereinbarung beruht der Sitzungsbeginn auf 17:30 Uhr.

Schon der ist für viele der ehrenamtlichen Kommunalpolitiker*Innen eine Zumutung. Denn wer tagsüber arbeitet, muss ohne Pause und Imbiss direkt zur Sitzung antreten. Noch schlimmer ist es für jene, die im Schichtbetrieb berufstätig ist. Ach so. Dieser Teil der Gesellschaft (Arbeitnehmer und Schichtarbeiter), der immerhin gut 40% der Stadtgesellschaft ausmacht, ist im Bad Kreuznacher Stadtrat ja gar nicht mehr relevant vertreten.

Also muss man sich diesbezüglich nur wegen der – ohnehin unerwünschten – Zuhörer*Innen Gedanken machen. Denn wer den Sitzungen beiwohnen möchte, muss ebenfalls den Sitzungsbeginn beachten. Für Verwaltungsmitarbeitende, die ab 15 Uhr (freitags ab 12 Uhr) Feierabend machen dürfen, ist ein möglichst früher Sitzungsbeginn natürlich von Vorteil. Wen wunderts, dass Letz gestern neben den beiden Freitagsterminalternativen zusätzlich ein Vorziehen des Sitzungsbeginnes vorschlug.

Ohne eine konkrete Uhrzeit zu nennen. Das übernahm eines der Ausschussmitglieder, das provozierend “13 Uhr” in den Sitzungssaal rief. Wegen der allgemeinen Unruhe verstand Björn Wilde diese Uhrzeit als Verwaltungsvorschlag. Und kommentierte diesen trocken und sehr treffend mit der Feststellung: “es gibt auch noch Leute, die berufstätig sind…” Als Vorschlag benannte er OB daraufhin “16:30 Uhr”. Und kündigte den Ausschussmitgliedern eine Emailabfrage durch das Hauptamt an.