Rechtsanwalt Emrich deckt auf: Bosenheimer Bad wegen Selbstanzeige geschlossen

Von Claus Jotzo

Am 23. Juni 2023 wurde das Bosenheimer Schwimmbad von heute auf morgen ohne jede Vorankündigung geschlossen. Noch heute kann man die entsprechende Presserklärung der Verwaltung auf der Stadtseite bad-kreuznach.de nachlesen. Darin wird die Verantwortung für die Schliessung der Kreisverwaltung und der SGD Nord zugeordnet. Rechtsanwalt Herbert Emrich hat jetzt aufgedeckt, dass diese einschneidende und sich nach über einem Jahr als dauerhaft herausstellende Maßnahme von der städtischen BAD GmbH veranlasst wurde. Auf dem Weg über eine Selbstanzeige. Das hatten Stadt und BAD GmbH bisher verschwiegen.

Rechtsanwalt Herbert Emrich (links oben stehend) erläutert dem Bosenheimer Ortsbeirat Details zur Schliessung des Bades am 23.6.2023.

So wurde die BAD GmbH als Initiator der Schliessung in der unten im Wortlaut abgedruckten Presserklärung ausdrücklich nicht benannt. Den gegen das Bosenheimer Bad in Form dieser Selbstanzeige erfolgten verfahrensrechtlichen Dolchstoss von hinten aus der eigenen Verwaltung berichtete Herbert Emrich im Detail in der Sitzung des Bosenheimer Ortsbeirates am Dienstag dieser Woche (17.9.2024) in Anwesenheit von Oberbürgermeister Emanuel Letz und Beigeordneten Markus Schlosser, die beide dazu kein Wort sagten. Durch akribisches Aktenstudium hatte der Rechtsanwalt den tatsächlichen Handlungsablauf wie folgt ermittelt:

Am 7. Juni 2023 schrieb der Abteilungsleiter Gas / Wasser der von der BAD GmbH aufgrund der Konzernstruktur in Anspruch genommenen Stadtwerke auf dem Briefbogen der städtischen BAD GmbH an die Struktur- und Genehmigungsbehörde (SGD) Nord. Und meldete dort offiziell unter dem Betreff “Wasserverlust in den Untergrund aus dem Freibad Bosenheim; SDB Superflock AL Granulat, BA Superflock flüssig …” einen Wasserverlust: “Hallo Herr Heimann, im Freibad Bosenheim versickern täglich ca. 46 Kubikmeter Beckenwasser. Dem Wasser sind oben genannte Stoffe gemäss Herstellervorgaben und freies Chlor zwischen 0,3 und 0,6 mg/l enthalten”.

Nachdem eine fernnmündliche Kontaktaufnahme scheiterte, schrieb die SGD Nord am 15. Juni 2023 an die BAD GmbH und bat um Erläuterungen. Diese legte der Abteilungsleiter am 19. Juni 2023 eilfertig bei der Behörde vor. Worauf sich die SGD Nord mit Email vom 20. Juni 2023 für sachlich unzuständig erklärte und an die Kreisverwaltung Bad Kreuznach als Untere Wasserbehörde verwies. Ausdrücklich mit dem Hinweis, dort “gemeinsam mit den Kollegen eine Lösung zu finden”. Daraufhin wandte sich die BAD GmbH, die etwa bei Presseanfragen für Antworten mehrere Tage benötigt, zunächst sofort fernmündlich und dann am 21. Juni 2023 schriftlich an die Kreisverwaltung.

In diesem Schreiben wird der Chlorgehalt nur noch mit dem bis zum Höchstwert von 0,6 mg/l angegeben. Und es ist erstmals von “möglichen Gehalten der Aufbereitungsstoffe” die Rede. Die Email wurde um 10:51 Uhr verschickt. Bereits um 11:18 Uhr am selben Tag, dem 21.6.2023, also nur 27 Minuten später, schrieb die Kreisverwaltung das Landesamt für Umwelt Rheinland-Pfalz an und bat um eine fachliche Bewertung der Situation. Und um 14:05 Uhr, immer noch am 21.6.2023, schrieb die Kreisverwaltung an die SGD Nord. In dieser Email leitet der Kreis die Selbstanzeige der BAD GmbH amtlich an die SGD weiter.

Und bittet unter Bezugnahme auf § 96 LWG “um eine fachliche Entscheidung”. Dabei gibt die Kreisverwaltung der SGD die Alternativen vor: “Entweder das Bad muss wegen wasserrechtlichen Bedenken geschlossen werden oder die Versickerung des Schwimmbadwassers ist wasserwirtschaftlich unbedenklich”. Die Antwort aus Koblenz kam bereits tags drauf. Am 22.6.2023 um 11:59 Uhr schreibt die SGD: “fachlich ist hier die illegale Einleitung von Abwasser in den Untergrund umgehend zu stoppen, auch wenn dies mit einer vorübergehenden Schließung des Schwimmbades eingehen würde”.

Daraufhin fragt die Untere Wasserbehörde noch am 22.6.2023 um 14:13 Uhr kreisverwaltungsintern beim Leiter der Kreisbaubehörde, Christoph Liesenfeld, nach: “Wir werden gegenüber den Stadtwerken die Schließung anordnen. Bedenken?” Die Antwort kommt prompt um 16:05 Uhr: “wir müssen unserer Pflicht nachkommen. Ich habe keine Bedenken. Freundliche Grüsse Christoph Liesenfeld”. Daraufhin wird die Fachabteilung der Kreisverwaltung unverzüglich mächtig tätig. Und erlässt mit Schreiben vom 23.6.2023, das am 26.6.2023 abgeschickt wurde, eine “Wasserrechtliche Verfügung” (Aktenzeichen 63 / 660-4/1). Gerichtet an die Stadtwerke GmbH.

Bereits am frühen Morgen des 23.6.2023 um 7:10 Uhr schreibt die Untere Wasserbehörde in einer Vorab-Email: “in Abstimmung mit unserer Fachbehörde, der SGD Nord in Koblenz, ist die illegale Einleitung von Abwasser in den Untergrund umgehend zu stoppen, auch wenn dies mit einer vorübergehenden Schließung des Schwimmbades eingehen würde. … Eine formelle Anordnung werden wir nachreichen”. Auf diese ihr höchst willkommene Email, die formale Verfügung lag noch gar nicht vor, reagiert die Stadt sofort. Neben einer Vielzahl von tatsächlichen und rechtlichen Fragen, die diese Vorgehensweise aufwirft und auf die wir in den kommenden Tagen und Wochen noch ausführlich eingehen werden, ist die von Rechtsanwalt Emrich ermöglichte Dokumentation dieses Falles von größter Bedeutung.

Denn alle, die mit der Kreisverwaltung dienstlich zu tun haben, wissen jetzt: wenn die Kreisverwaltung will, kann sie auch komplexe Aufgabenstellungen in kürzester Zeit bewältigen. Die seit Jahren zu hörenden Ausreden für die Verschleppung und Verzögerung von Entscheidungen (Corona, personelle Unterbesetzung, hoher Arbeitsanfall usw) haben im Fall des Bosenheimer Bades keinerlei Rolle gespielt. Betroffene von Kreis-Verwaltungsakten können jetzt unter Bezugnahme auf diesen Fall eine viel schnellere Bearbeitungsweise anmahnen. Und in Fällen von fortgesetzter Arbeitsverweigerung Untätigkeitsklagen beim Verwaltungsgericht qualifiziert begründen.

Die Presseerklärung der Stadt vom 23.6.2023 im Wortlaut:

“Wegen hoher Wasserverluste Freibad Bosenheim ab heute geschlossen
Das Freibad Bosenheim wird ab dem heutigen Tag geschlossen. Die Anordnung erfolgt durch die untere Wasserbehörde des Kreises Bad Kreuznach in Abstimmung mit der SGD Nord. Die hohen Wasserverluste und die damit verbundene unkontrollierte Einleitung des Wassers in den Untergrund machen diesen Schritt zwingend notwendig. Das bedeutet, dass das Becken sofort entleert werden muss und das Wasser in den Abwasserkanal kontrolliert abgelassen wird.

Die Badgesellschaft wird nun umgehend einen Sanierungsplan zur Rückführung des Wasserverlusts auf die für ein Freibad dieser Größe übliche Menge erstellen. Dieser wird dem Stadtrat der Stadt Bad Kreuznach sowie dem Aufsichtsrat zur Genehmigung vorgelegt. Die Besitzer einer Saisonkarte für das Freibad Bosenheim können diese im Salinenbad weiter nutzen. Die Zehnerkarten des Freibades Bosenheim werden anteilig der Nutzung ausgezahlt”.