Der Streit um das Bosenheimer Bad beschäftigt wieder einmal das sachlich und örtlich zuständige Verwaltungsgericht. Zum dritten Mal in den letzten 22 Jahren. Die aktuelle Klage des Ortsbeirates (Aktenzeichen 2 K 327/24.K0) ist bereits seit Monaten anhängig. Ein Ende des Verfahrens ist nicht abzusehen. Bisher ist kein Termin für eine mündliche Verhandlung bekannt. Normalerweise sind lange Zeiträume vor der Ansetzung des Verhandlungstermines kein gutes Zeichen für die Kläger. Denn zu deren Gunsten klare Fälle erledigen die jeweils zuständigen Kammern in Koblenz gern zügig. Um die Sachen vom Tisch zu haben. Und Rechtssicherheit für die Beteiligten zu schaffen.
Der Fall des Bosenheimer Bades liegt allerdings anders. Denn dort trägt die Stadt erweislich unwahre Behauptungen vor, um ihr Verhalten zu rechtfertigen. In solchen Fällen ermöglicht es der Zeitverlauf häufig, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Schon vor rund 1.900 Jahren hat das der römische Richter Aulus Gellius mit den Worten “Wahrheit ist eine Tochter der Zeit” sinngemäss zusammengefasst. Wie ungehemmt die Stadt – entgegen der grundgesetzlich von staatlichen Stellen geforderten Wahrheitspflicht – vorsätzlich unwahr vorträgt, wird schon an einem einzigen Satz aus dem am 31. Juli 2024 an das Verwaltungsgericht gerichteten Schriftsatz des Stadtrechtsamtes deutlich.
Dieser lautet wörtlich: “Die Beklagte (Anmerkung der Redaktion: das ist die Stadt Bad Kreuznach) unternimmt alles Mögliche, um eine Wiederaufnahme des Badbetriebes zu ermöglichen”. Dreister kann man die Wirklichkeit nicht verzerren. Fakt ist: die im Juni 2023 erfolgte Schliessung des Bades wurde von der städtischen BAD GmbH veranlasst. In dem diese den seit über 20 Jahren bekannten Wasserverlust, der ein Jahr zuvor sogar Gegenstand der Einwohnerfragestunde des Stadtrates – also öffentlich und amtsbekannt – war, zum Anlass für die Anforderung einer Prüfung durch die zuständigen Behörden machte. Aufsichtsratsvorsitzender der BAD GmbH ist der Bürgermeister der Stadt.
Thomas Blechschmidt (CDU). Dessen christdemokratische Parteifreunde hatten sich im Stadtrat mehrfach für die Schliessung des Bades ausgesprochen. Und auch entsprechende Anträge gestellt. Mindestens einem davon hat Thomas Blechschmidt persönlich zugestimmt. Und zwar in der Stadtratssitzung am 19. Mai 2022, die er als Vertreter der zwei Monate zuvor abgewählten Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer leitete. Obwohl die vielfältigen Funktionen des Bürgermeisters, etwa auch die als zuständiger Dezernent für die städtischen Beteiligungen, auf der Stadtseite öffentlich nachzulesen sind, behauptet die Stadt in ihrem Schriftsatz ans Verwaltungsgericht:
“Weiterhin waren der Geschäftsführer der BAD GmbH in dieser Funktion sowie Herr Bürgermeister Thomas Blechschmidt als „Aufsichtsratsvorsitzender der alleinigen Gesellschafterin” der BGK GmbH (nicht der BAD GmbH) anwesend”. Diese Behauptung ist schlicht falsch. Denn für die städtischen Gesellschaften BGK GmbH und BAD GmbH gibt es nur einen vom Stadtrat gewählten Aufsichtsrat. Und nur einen von diesem gewählten Aufsichtsratsvorsitzenden: Thomas Blechschmidt. Aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen ist es der Person Blechschmidt nicht möglich, an einer Sitzung der BAD-Gesellschafterversammlung teilzunehmen, aber nicht als deren Aufsichtsratsvorsitzender.
Das wäre etwa so, als ob US-Ex-Präsident Trump im Amt entgegen der US-Verfassung und entgegen dem Wortlaut des von ihm geleisteten Amtseides zum Sturm auf das amerikanische Parlament öffentlich aufruft. Und später behauptet, er hätte das nie gemacht. Ach so. Trump hat genau das ja getan. Also bringt das Rechtsamt der Stadt den eigenen Bürgermeister in eine höchst unerfreuliche Situation. Thomas Blechschmidt muss entweder einen schlimmen Fall kommunalpolitischer Schizophrenie erklären. Und sich damit der Lächerlichkeit in der Bürgerschaft preisgeben. Oder aber – vom Kläger als Zeuge benannt – das eigene Rechtsamt eines Grundrechtsverstosses überführen helfen.
Der Schriftsatz der Stadt enthält mehrere solcher Unwahrheiten. Fakten werden bis zur Unkenntlichkeit verbogen. Ein klarer Täuschungsversuch des Gerichtes liegt – in Verbindung mit der eingangs zitierten Aussage, “die Beklagte unternimmt alles Mögliche, um eine Wiederaufnahme des Badbetriebes zu ermöglichen”, auch in folgender Behauptung vor: “eine Sanierung (oder ein Neubau) ist jedoch gerade hinsichtlich der voraussichtlichen Kosten vor der Einbringung einer Beschlussvorlage sorgfältig vorzubereiten und zu ermitteln. Der Stadtrat muss durch belastbare Informationen in die Lage versetzt werden, sich für eine Sanierung (oder Neubau) entscheiden zu können”.
Natürlich ist es vollkommen richtig, von der Gemeindeordnung gefordert und aus Bürger*Innensicht wünschenswert, dass der Stadtrat erst entscheidet, wenn ihm alle Fakten und Zahlen vorliegen. Leider geschieht das in viel zu vielen Fällen nicht. Im Fall des Bosenheimer Bades soll es aber gern so sein. Die Wahrheit ist, dass genau diese Zahlen und Fakten, also welche Baumassnahmen im Zusammenhang mit einem Neubau bzw einer Sanierung durchgeführt werden müssen und was diese voraussichtlich kosten, seit rund einem Jahr vorliegen. Und zwar mindestens der städtischen BAD GmbH als Auftraggeberin der entsprechenden Kostenschätzung, dem Bürgermeister und den Mitgliedern des BAD-Aufsichtsrates (darunter 12 Stadtratsmitglieder).
Diese Fakten und Zahlen aus 2023 sind nach Einschätzung der Verantwortlichen so belastbar, dass diese am 10.9.2024 im Sportausschuss der Stadt wortwörtlich und ausdrücklich ohne jedes Aktualisierungsbedürfnis als Entscheidungsgrundlage für den Stadtrat bezeichnet wurden. Einstimmig hat das Gremium daher mit Beschluss darauf verzichtet, die Stadtverwaltung zur Vorlage entsprechender Daten aufzufordern. Daraus ergibt sich natürlich eine prozessrelevante Schlussfolgerung: wenn seit rund einem Jahr die entscheidungserheblichen Fakten und Zahlen vorliegen, hätten die städtischen Gremien bereits im Jahr 2023 die Entscheidung über Sanierung oder Neubau treffen können.
Das haben sie aber nicht. Womit die Behauptung des Stadtrechtsamtes, “die Beklagte unternimmt alles Mögliche, um eine Wiederaufnahme des Badbetriebes zu ermöglichen”, widerlegt ist. Ein Jahr lang untätig zu sein, ist zwar typisch für Teile der Bad Kreuznacher Stadtverwaltung (gern immer wieder der Hinweis: es gibt natürlich auch die städtischen Dienststellen und Mitarbeitenden, die bürgerfreundlich oder sogar überdurchschnittlich engagiert für die Einwohner*Innen tätig sind). Wird aber von normalen Menschen, zu denen auch Verwaltungsrichter zählen, nicht als Versuch “alles Mögliche” zu unternehmen bewertet.
Es ist Sportdezernent Markus Schlosser zu verdanken, dass dieser in der Sitzung des Sportausschusses am Dienstag der heute zu Ende gehenden Woche ermöglicht hat, dass die BAD GmbH die von ihr beauftragten Kostenschätzungen und Vorgehenskonzepte dort ausführlich öffentlich vorstellen konnte. Auch unter einem anderen Tagesordnungspunkt, nämlich dem der Beratung des Stadthaushaltes für 2025, wurde weitgehende Transparenz geschaffen. Und zwar hinsichtlich der tatsächlichen Untätigkeit der Stadt in Sachen Reparatur und Unterhaltung des Bosenheimer Schwimmbades. Dieser Einschätzung liegen folgende Tatsachen zugrunde:
Obwohl der Aufsichtsrat der BAD GmbH bereits im Herbst 2023 beschlossen hatte, den Betrieb des Bosenheimer Bades endgültig einzustellen und dies in einer Presseerklärung auch genau so kommuniziert hat und obwohl im Stadtrat die Forderung erhoben wurde, das Badgrundstück aus dem Eigentum der BAD GmbH in das der Stadt zurückzuführen, wurde im Stadthaushalt für 2024 kein Cent für Unterhaltungsmaßnahmen eingestellt. Als dann im Frühsommer 2024 die Rückübertragung des Grundstückes in die Wege geleitet wurde, verzichtete die Stadt bewusst darauf, im Wege eines Nachtragshaushaltes oder eines Stadtratsbeschlusses entsprechende Mittel bereit zu stellen.
So dass Sportdezernent Markus Schlosser in der Sitzung des Sportausschusses am 10.9.2024 feststellen musste, dass er für diese Aufgaben kein Geld im Haushalt hat und zusehen muss, woher er die benötigten Mittel nimmt. Unwidersprochen berichtete Sportausschussmitglied Patrick Herz (Bosenheim), was jeder Passant vor Ort sehen kann: seit dem 1.1.2024 wurden von der BAD GmbH keinerlei Unterhaltungsmaßnahmen im Schwimmbad durchgeführt. Im Gegenteil. Wie die Redaktion dieser Seite im Bild dokumentiert hat, wurden relevante Anlagenteile vor der Rückgabe des Grundstücke ausgebaut oder umgelagert. Etwa die Chloranlage.
All diese Tatsachen stehen im Gegensatz zu der Behauptung des Stadtrechtsamtes, das dem Verwaltungsgericht mit Schriftsatz vom 31.7.2024 Glauben machen will, dass “die Beklagte in der Vergangenheit stets die nötigen Mittel zur Unterhaltung und Reparatur des Bades der BAD GmbH zur Verfügung gestellt” habe. Wieso gab es dann über 20 Jahre lang einen erheblichen Wasserverlust (zuletzt wohl 60 Kubikmeter am Tag)? Mit einer weiteren Behauptung wird erneut Bürgermeister Blechschmidt konfrontiert. Dieser hatte in mehreren öffentlichen Gremiensitzungen das Untersuchungsergebnis des bei einem Schwimmbad-Unterlieger im Keller einlaufenden Wassers wie folgt erklärt:
Dieses Wasser habe NICHT als gechlortes Schwimmbadwasser identifiziert werden können. Trotzdem schreibt das Stadtrechtsamt: “ebenfalls bestritten wird, dass die Untersuchungen zum Wassereintritt in den Keller eines Nachbarn des Schwimmbads ergeben hätten, dass dies kein Schwimmbadwasser sei”. Aber besonders schlimm für Stadtrechtsdirektorin Marion Kruger könnte sich in dem anhängigen Prozess auswirken, dass ihr der Sportausschuss in der angegebenen Sitzung in einem ganz entscheidenden Punkt in den Rücken gefallen ist. Nämlich bei der Beratung und Verabschiedung des Entwurfes für den Teilhaushalt Sport.
Die Verwaltung hatte intelligenter Weise – um ihre tatsächlichen Absichten einigermaßen glaubwürdig zu tarnen – im Investitionshaushalt einen Ansatz von 150.000 Euro für Planungskosten vorgeschlagen. In ihrer unerschöpflichen Weisheit strich die breite Ausschussmehrheit diesen Posten ersatzlos. Die Begründung der Kommunalpolitiker: solange wir den Prozess in Koblenz nicht verloren haben, brauchen wir keine Planungen. Also auch kein Geld dafür. Da Begründungen von Gremienbeschlüssen immanente Beschlussbestandteile sind, stützt dieser Ausschussbeschluss die Klage des Ortsbeirates hinsichtlich der Badbetriebsbereitschaft der Stadt.
Dem Rechtsanwalt des Bosenheimer Ortsbeirates, dem erfahrenen Verwaltungsjuristen Herbert Emrich, wird es ein Leichtes sein, die Behauptungen der Stadt zu widerlegen. Fakt ist nämlich, dass in den Stadthaushalten der vergangenen Jahre zusammen dutzende von Projekten mit zweistelligem Millionenaufwand eingestellt wurden. Obwohl einem geistig nicht eingeschränktem Stadtratsmitglied klar sein musste, dass die Realisierungschance im jeweiligen Haushaltsjahr gegen null tendiert. Und diese Projekte natürlich auch nicht umgesetzt wurden. Allgemein bekannt dafür ist als Beispiel das Casinogebäude.
Das für dessen Ausbau im Stadthaushalt seinerzeit eingestellte Geld wurde teilweise für die Fertigstellung des Hauses der Stadtgeschichte verwendet. Ganz legal. Weil der Stadtrat eine wechselseitige Deckungsfähigkeit beschlossen hat. Ohne jeden Sperrvermerk oder andere Auflagen. Das Casinogebäude ist daher sieben Jahre nach dem Beginn der Sanierungsarbeiten innen immer noch ein Rohbau. Und kann nicht genutzt werden. Was beweist: selbst wenn ein Projekt im Stadthaushalt steht, bedeutet das noch lange nicht, dass es gewollt ist oder gar realisiert wird. Um so negativer ist daher die Streichung eines Ansatzes zu bewerten.
So vorzugehen macht unmissverständlich deutlich: das will man nicht. Das wird auch durch die rechtlichen Vorgaben und die aktuelle Haushaltslage bestätigt. Jede Form von Nachtrag muss aufsichtsbehördlich genehmigt werden. Ohne gesicherte Finanzierung erfolgt das nicht. Die Stadt hat aber schon heute Investionsverpflichtungen im zweistelligen Millionenbereich, kann aber selbst mit weiteren Steuererhöhungen nur jährlich einstellige Millioneninvestition absichern. Die Streichung der Planungskosten ist daher ein unmissverständliches Signal: wir wollen das Bosenheimer Bad nicht. Genau diese Entscheidung steht dem Rat der Stadt nach Auffassung des Ortsbeirates aber gar nicht zu.
Wenn der Eingemeindungsvertrag nicht nur noch einseitig hinsichtlich der siebenstelligen Einkommens- und Gewerbesteuereinnahmen aus der Bosenheimer Gemarkung für die Stadtkasse gilt. Sondern auch die einzige (sechsstellige) Gegenleistung in Form des Badbetriebes noch zu erfüllen ist. So wie die Stadt zum Bau von Grundschulen, Strassen und Gehwegen verpflichtet ist. Diesbezüglich gibt es keinen Entscheidungsspielraum für die städtischen Gremien. Die Frage, ob der 2.500 Jahre alte Rechtsgrundsatz, demnach Verträge einzuhalten sind, noch gilt, muss vom Koblenzer Verwaltungsgericht jetzt entschieden werden. Es wird ein Urteil mit Signalwirkung sein.