Stadtverwaltung ignoriert Warnhinweis: Hangrutsch im Salinental

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Am Montagabend dieser Woche (9.1.2023) gegen 17:45 Uhr meldete ein aufmerksamer Busfahrer einen umgestürzten Baum im Bereich Salinenbrücke / Nachtigallenweg. Die Kräfte der Bad Kreuznacher Polizei konnten vor Ort einen Erdrutsch feststellen. Nach Einschätzung der Beamten hatte sich die Erde auf dem felsigen Untergrund “wohl durch den nächtlichen Starkregen gelöst”. Durch die Erdmassen war der Baum auf den Rad- / Fußweg gedrückt worden. Einige Steine waren bis auf die Fahrbahn gerollt. Der städtische Bauhof säuberte die Straße und sperrte den Rad- / Fußweg bis auf weiteres ab.

Noch am gestrigen Dienstagnachmittag (10.1.2023) ragte der umgeworfene Baum über den Gehweg.

Nur aufgrund des glücklichen Umstandes, dass zum Zeitpunkt des Erdrutsches niemand den Gehweg und die Strasse passierte, waren keine Personen und Sachschäden zu beklagen. Unverantwortlich ist die Untätigkeit der Stadtverwaltung in diesem Fall. Mit Schreiben vom 3. September 2022 hatte die Redaktion dieser Seite nach Befragung eines hoch qualifizierten Geologen sowohl auf die in Form der instabilen Wand bestehende Gefahr als auch auf den schlechten Zustand der hölzernen Schutzeinrichtung hingewiesen. Neben fachlich abgesicherten Hinweisen zur Schadenursache waren dem Schreiben auch Bilder beigefügt (Textauszüge sind untenstehend zitiert).

Hunderte Kubikmeter ungesichertes Material liegen oberhalb der Rhyolith-Felsen.

Das Schreiben erhielten der als Baudezernent zuständige Oberbürgermeister Emanuel Letz, Bürgermeister Thomas Blechschmidt, Beigeordneter Markus Schlosser und u.a. Tiefbauamtsleiter Philipp Geib. Die Reaktion der mit Steuergeld bezahlten Beamten: keine. Am 6. Dezember 2022, mehr als drei Monate nach der kombinierten Gefahrenmeldung samt Presseanfrage, und angesichts der vom Wetterdienst angekündigten vorweihnachtlichen Frostperiode (die im Schreiben vom 3.9.2022 als eine der Ursachen benannt war), wurde der bereits am 3.9.2022 angeschriebene Personenkreis unter Fristsetzung an die Beantwortung der Anfrage erinnert. Bis heute gab es erneut keinerlei Reaktion.

Die am 9.1.2023 durch den Hangrutsch aus der Halterung gebrochenen Bretter befinden sich genau in dem unzulässigen Zustand, den die Redaktion dieser Seite bereits am 3.9.2022 der Stadtverwaltung mitteilte – die trotzdem nichts tat.

Und wie von der Redaktion dieser Seite noch am Jahresende 2022 dokumentiert, geschah vor Ort nichts. Keine der fachlich als Sofortmaßnahmen angeratenen Arbeiten (Erneuerung des Auffangschutzes, Abräumen der dort gesammelten Abbrüche der Vorjahre) wurden umgesetzt. Die Verantwortlichen haben damit vorsätzlich Personen- und Sachschäden billigend in Kauf genommen (weitere Berichte und Kommentare folgen). Dabei hätte nur ein bißchen Interesse am Schutz der Passanten und ein wenig Allgemeinwissen ausgereicht, um die Problematik der Hanginstabilität an dieser Stelle zu erkennen. Denn die Zusammenhänge sind offensichtlich.

Beim Hangrutsch wurden Steine in einer Größe auf Gehweg und Strasse geschleudert, die bei einem Kopftreffer tödliche Verletzungen hätten bewirken können.

Denn die seit 20 Jahren auch im Stadtgebiet zu verzeichnenden (und von der Verwaltung selbst mehrfach benannten) sinkenden Niederschlagsmengen, führten nicht nur zu einem ständig fallenden Grundwasserspiegel. Sondern zusätzlich zu Schrumpfungsrissen bis zu metertief im Boden. Wenn diese sich an winterlichen Regentagen mit Wasser füllen und darauf eine mehrtägige Frostphase folgt, gefriert dieses Wasser. Wobei es sich – es gibt Grundschüler die das wissen – sein Volumen vervielfacht. Und damit Risse vergrößert und vertieft. Je nach Schichtung und Zusammensetzung der Gesteine führt dieser Prozess nach Monaten, Jahren oder Jahrzehnten für Abbrüche und Hangrutsche. Letztere haben aus diesem Grund in den vergangenen Jahren bundesweit signifikant zugenommen.

Auszüge aus dem Schreiben vom 3.9.2022 im Wortlaut:

“Anfrage Gefahrenstelle durch Felsturz im Einmündungsbereich des Nachtigallenweges auf die B 48 (Salinental)

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, die Stadt verfügt im Salinental über den sogenannten “Bruch”. Das ist ein vom Bauhof für diverse Arbeiten genutzter ehemaliger kleiner Steinbruch. Ich habe dort schon persönlich Steinabstürze miterlebt. Weil diese so häufig und heftig sind, ist das Gelände entsprechend gestaltet und geschützt. Daher sind aus dem Bereich des Bruches in den vergangenen Jahren auch keine Steineinträge auf die Bundesstrasse erfolgt. Im gesicherten Bereich verläuft der Bruch von der Einfahrt gesehen einige Dutzend Meter in östlicher Richtung.

Dort schließt sich dann eine Felsformation an, die in den Hang oberhalb des Nachtigallenweges übergeht. Dieser Hang ist terrassiert, weil er im vorvorherigen Jahrhundert als Weinanbaufläche genutzt wurde. Meine nachstehenden Ausführungen beziehen sich auf jenen Felsbereich, der zwischen dem Bruch und der früher bewirtschafteten Hanglage sich befindet (Einmündungsbereich des Nachtigallenweges auf die B 48). Weil auch aus diesem Bereich immer wieder Steinmaterial abbricht und nach unten stürzt, sind dort hölzerne Schutzwände errichtet, die auch Auffangbecken bilden.

Wie die von mir beigefügten Bilder (6873, 6874, 6875 und 6876) zeigen und wie ich aus eigener Beobachtung weiß, sind diese Schutzvorrichtungen schon viele Jahre nicht mehr gepflegt worden. Das Holz ist teils verfault teils so vertrocknet, dass es seine Elastizität und Energieaufnahmefähigkeit vollkommen verloren hat. Würde jetzt ein Brocken (6876), wie er dort schon seit Jahren liegt, aus der Wand ausbrechen und nach unten stürzen, würde dieser von der Schutzeinrichtung nicht gestoppt, sondern auf der B 48 landen oder diese sogar überqueren.

Ich habe wegen dieser Lage einen Geologen mit 40jähriger Berufserfahrung befragt. Dieser hält die betagten Sicherungsanlagen “für nicht mehr ausreichend” und meint: “die angesammelten Schuttmengen sind schnellstmöglich abzufahren und die Anlage an die neue Gefahrenlage angepaßt unverzüglich neu zu errichten”. Und dann hat der Fachmann mich auf Umstände hingewiesen, die ihm und mir noch größere Sorge bereiten. Der noch immer anhaltende Sommer 2022 hat so viele Sonnenscheinstunden auf die Felswand (Südseite) knallen lassen, wie dies schon lange nicht mehr der Fall war. Der Geologe hat bisher keine Messungen durchgeführt, geht aber davon aus, dass diese Sonneneinstrahlung das Gestein stärker als in den Vorjahren und tiefer in den Fels hinnein aufgeheizt hat.

Auch dieses harte Magmagestein dehnt sich bei Erwärmung aus. Natürlich nur in mikroskopisch kleinen Dimensionen. Aber auch dadurch erstehen Risse und Hohlräume, wenn das Material in Herbst und Winter wieder auskühlt. In diese Bereiche dringt dann Oberflächenwasser ein. Kommt es dann zu einem Winter mit mehrtägigen Frostphasen unter 10 Grad minus oder mehr, gefriert ein Teil dieses Wassers auch metertief im Gestein (je nach Frosthärte und -dauer) und sprengt den Fels weiter auf. Der Geologe befürchtet schon daher verstärkte Aktivitäten des Felsgesteines, sollte es in den kommenden Wintern zu einer solchen Frostperiode kommen.

Ich habe Ihnen den Sachverhalt so umfänglich dargelegt, weil ich davon ausgehe, dass die Verkehrssicherungspflicht für diesen Felsen bei der Stadt Bad Kreuznach liegt. Sollte ich mich da irren, bitte ich um eine kurzfristige Rückantwort und um Weiterleitung dieses meines Schreibens an den tatsächlichen Träger der Verkehrssicherungspflicht. Weiterhin bitte ich um Beantwortung nachstehender Fragen:

1. Wann wurden die hölzernen Schutzeinrichtungen a.a.O. errichtet?
2. Wann wurden diese hölzernen Schutzeinrichtungen das letzte Mal wie gepflegt, gewartet o.ä.?
3. Wieso ist das Bruchstein- und Schuttmaterial, das sich in großen Mengen bergseits der Schutzeinrichtungen angesammelt hat, bisher nicht entfernt worden?
4. Schätzt die Stadtverwaltung die hölzernen Schutzeinrichtungen in ihrem aktuellen Zustand als 100% funktionsfähig und sicher ein? Wenn nein, warum wurde dann a. dort seit Jahren nichts unternommen und b. das Thema in keinem der zuständigen Fachausschüsse in mindestens den vergangenen viereinhalb Jahren nicht einmal angesprochen?
5. Welche Pläne gibt es bei der Stadtverwaltung bezüglich dieser hölzernen Schutzeinrichtungen?”