Von unserem Redakteur
Claus Jotzo
Aus Supermärkten und Kneipen ist es bekannt. Das Problem “Barkasse”. Der Landesrechnungshof hat ermittelt, dass das auch bei der Gewobau ein Thema war. 644.508 Euro hat die in den Jahren 2011 bis 2015 in “Cash” eingenommen. An Mieten und Kautionen. Durchschnittlich 128.900 € pro Jahr. Nüchtern stellen die Prüfer fest, “dass mit der Entgegennahme von Barmitteln Risiken verbunden sind”.
Keine Unterschlagung bei der Gewobau
Damit spricht der LRH nicht in erster Linie das durch Überfälle an, die auf Tankstellen und Märkte leider immer wieder vorkommen. Sondern er verweist auf eine andere rheinland-pfälzische Wohnungsbaugesellschaft. Bei der wurden “bar eingezahlte Mieten in beträchtlichem Umfang von einer Beschäftigten unterschlagen”. Das ist bei der Gewobau nicht zu beklagen. Es soll aber auch erst gar nicht dazu kommen können.
Auch Bauauszahlungen
Wie ernst die vom LRH angesprochenen “Sicherheitsrisiken” sind, macht die Praxis bei den Stadtwerken deutlich. Dort wird schon lange nicht mehr bar kassiert. Sondern per Automat. Der ist so wichtig, dass er beim Umzug ins “Stadtwerke-Forum” noch vor den PCs aufgebaut war. Der hohe Bargeldbestand wurde nur teilweise auf Bankkonten eingezahlt. Wie die Prüfer feststellten wurde auch in bar ausgezahlt:
Erhöhter Verwaltungsaufwand
“Beispielsweise Reisekosten, Kautionsrückzahlungen, Praktikantenvergütungen, Bewirtungskosten sowie Betriebsveranstaltungen”. Aber die umfangreiche Barkasse wird nicht nur wegen ihrer Sicherheitsrisiken kritisiert. Sondern auch wegen dem damit “erhöhten Verwaltungsaufwand”. Der LRH weist darauf hin, dass “der Einsatz entsprechender Software bei Überweisung oder Lastschrift eine automatisierte Zuordnung der Zahlungen zum Mieterkonto ermöglicht, so dass – im Unterschied zur Bareinzahlung – manuelle Buchungen entfallen”.
Barkassenumfang nicht erforderlich
Schlußfolgerung des Landesrechnungshofes: die mit den aufgezeigten Risiken “verbundene Führung von Barkassen ist – zumindest in dem vorgefundenen Umfang – nicht erforderlich”. Dementgegen weist die Gewobau darauf hin, dass ein Teil der Mieter in prekären Verhältnissen lebe. Nicht alle verfügten über ein Konto. Eine Bareinzahlung auf ein Gewobau-Konto stelle für einen Teil der Mieter ein nicht nur wirtschaftliches Hemmnis dar.
Hinweis aufs Basiskonto
Die GEWOBAU werde daher, auch aus Verantwortung gegenüber dieser Mietergruppe, dauerhaft auf Bareinzahlungen nicht verzichten können. Dem hält der Landesrechungshof entgegen, dass “aufgrund gesetzlicher Regelungen (Vgl. § 31 ZKG, § 2 Abs. 4 Sparkassengesetz) natürlichen Personen flächendeckend die Eröffnung eines Basiskontos möglich ist, über das Mietzahlungen unbar abgewickelt werden können”.
Intensiverer Kreditkarteneinsatz gefordert
Und die Prüfer verweisen auf eine “große Gesellschaft”, der es gelang, “Mietbarzahlungen von bis zu 55.000 Euro pro Monat dauerhaft auf rund 2.000 Euro zu reduzieren. Auch zu den baren Erstattungen von Reisekosten und Praktikumsvergütungen hält der LRH einen Tipp parat: diese sei “unüblich und sollte über die Gehalts- und Girokonten der Zahlungsempfänger abgewickelt werden”. Und für die Bezahlung “bei gerechtfertigten Kosten für Betriebsveranstaltungen” biete sich vor allem ein intensiverer Kreditkarteneinsatz an. Positiv halten die Prüfer hierzu fest: “die Kreditkarte wurde bereits teilweise eingesetzt”.
Bareinzahlungen nur noch im Einzelfall
Als abschließende Zusammenfassung zu diesem Themenkomplex heisst es im Bericht: “selbst wenn aufgrund der Zusammensetzung der Mieterschaft die Bareinzahlungen nicht auf Null reduziert werden können, steht die Argumentation der GEWOBAU den bestehenden Möglichkeiten für eine weitere Reduzierung nicht entgegen”. Die Prüfungsfeststellung “31” lautet daher im Wortlaut: “Zur Risikominimierung sollten Bareinzahlungen von Mietern auf unvermeidbare – in jedem Einzelfall begründbare – Ausnahmen beschränkt werden. Die Hinweise bezüglich der beispielhaft dargestellten unüblichen Barauszahlungen sind zu beachten”.
Barmittel teilweise nicht versichert
Auch der zweite Punkt zur Barkasse ist nicht ohne: “Der Versicherungsrahmen wurde nicht ausreichend beachtet. Die verwalteten Barmittel der GEWOBAU waren dadurch teilweise nicht versichert und vermeidbaren Haftungsrisiken ausgesetzt”. Hintergrund dieser Feststellung ist, dass zwar eine Kassenversicherung bestand. Aber nur für Bargeldbestände in Höhe von bis zu 10.000 Euro.
An 168 Tagen um jeweils bis zu 7.312 Euro
Die Auswertungen der Kassenbücher für die Jahre 2011 bis 2015 durch den LRH ergaben, dass durch die tatsächlich vorgehaltenen Bargeldbestände “der versicherte Höchstbetrag an 168 Tagen um jeweils bis zu 7.312 Euro überschritten wurde”. Die klassische Unterversicherung als abstrakte – oder doch schon konkrete? – Vermögensgefährdung. Die Geschäftsführung sagt zu diesem Punkt ganz brav zu, “zukünftig wird darauf geachtet, dass der versicherte Betrag in Höhe von 10.000 Euro nicht überschritten wird”.
Bericht steht aus
Wie das praktisch möglich sein soll, wenn da morgen einige Mieter mit Kautionen und Mietrückständen in der Hand vor der Kasse stehen, erklärt die Gewobau nicht. Und auch nicht, warum die heute nach ihrer Selbsteinschätzung praktikable Lösung vor der Prüfung nicht schon umgesetzt wurde. Ein zweiter Punkt ist noch offen, weshalb die Prüfungsfeststellung “32” lautet: “Ein Bericht über die Prüfung einer niedrigeren Versicherungssumme und Aufwandsminderungen steht noch aus”.
Quittungsblöcke nicht nummeriert
Einen lockeren Umgang hat der Landesrechnungshof auch mit den Quittungsblöcken festgestellt. Eine Übersicht habe es weder zu der Anzahl ausgegebener Blöcke (z.B. mittels Entnahmeliste, Nummerierungen) noch im Hinblick auf ausgestellte Quittungen gegeben. Hinweis des LRH dazu: “Manipulationshandlungen können insbesondere aufgrund fehlender Blöcke oder Einzelquittungen nicht ausgeschlossen werden. Dieses Risiko gilt es zu minimieren”.
Verschlossener Schrank oder Tresor
Auch hierzu halten die Prüfer eine Empfehlung für die Geschäftsführung bereit: “Quittungsblöcke sind in einem verschlossenen Schrank oder Tresor aufzubewahren. Die Verwahrung und Ausgabe von Quittungsblöcken sollte organisatorisch eindeutig einer Sachbearbeitung zugeordnet werden, welche selbst keine Quittungsblöcke verwenden darf. Gegenstand einer Kassenprüfung sollte auch die Vollständigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Verwaltung von Quittungsblöcken sein”. Die Stellungnahme der Gewobau dürfte den Prüfern gefallen haben.
Prüfungsfeststellung zum Kassenbuch
Es sei bereits veranlasst worden, dass sich jeweils nur noch ein Quittungsblock im Umlauf befindet. Die Vereinnahmung von Mieten obliege nur einer Mitarbeiterin (vormittags) und einem Mitarbeiter (nachmittags). Und zukünftig würden alle Quittungsblöcke durchnummeriert und im Tresor aufbewahrt. Demzufolge gibt es zu diesem Aspekt auch keine Prüfungsfeststellung. Eine solche wurde dann aber zum Kassenbuch erforderlich. Das wurde bei Finanzbuchhaltung geführt. Aber dem Rechnungshof nicht transparent genug.
Keine Tagesabschlüsse
Stichproben hätten gezeigt, dass selbst für einen “sachverständigen Dritten Plausibilitätsprüfungen sowie ein unmittelbarer Abgleich zwischen den Kassenbucheintragungen und dem Buchungskonto nicht möglich waren”. Und der LRH benennt auch die Gründe dafür. So wurden auf dem Buchungskonto nicht immer Zahlungsempfänger oder Zahlungspflichtige ausgewiesen, seien “nicht erkennbare Saldierungen” erfolgt, hätten keine Tagesabschlüsse stattgefunden, war nicht erkennbar, welcher Mitarbeiter Eintragungen im Kassenbuch (einschließlich Monatsabrechnungen) vorgenommen hatte und hätten sich nicht immer Sichtvermerke von Kassenprüfungen gefunden.
“Kassenführung nicht ordnungsgemäß”
Das Urteil der Prüfer: “Die Vorgehensweise steht nicht im Einklang mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung”. Danach müssten Kassenaufzeichnungen so beschaffen sein, dass ein Buchsachverständiger jederzeit in der Lage ist, den Sollstand mit dem Istbestand der Geschäftskasse zu vergleichen (sog. Kassensturzfähigkeit). Hierzu sei es auch erforderlich im Kassenbuch die Tagesabschlüsse vorzunehmen. “Ist dies nicht gewährleistet, ist die Kassenführung insoweit nicht ordnungsgemäß”. Auch müsse eine kassentechnische Identifikation von Zahlungsempfängern und Zahlungspflichtigen gewährleistet sein.
Nicht genug Platz im Kassenbuch?
Die Ausrede der Geschäftsführung wird von Fachpersonen als “peinlich” eingestuft. Die Gewobau führt allen Ernstes aus, “das Kassenbuch werde handschriftlich geführt und lasse nicht genug Platz, um dort alle Eintragungen vorzunehmen”. Der Buchungsbeleg könne jederzeit eingesehen werden. Durch die zukünftig maschinell geführte Excel-Liste werde sich dies erledigen. Per Monatsende erfolge die Saldierung und Abstimmung des Kassenkontos. Bei ein bis zwei Bewegungen am Tag bedürfe es nicht eines täglichen Abschlusses.
“Alternativen Vordruck verwenden”
Wenn gewünscht, werde dies übernommen. Kassenprüfung und Saldierungsabstimmung würden am Monatsende erfolgen. “Bei zwei bis drei Bewegungen am Tag könne sich der Buchsachverständige gerne die Zeit nehmen und wöchentlich einen Kassensturz vornehmen”. Aktenstaubtrocken dazu die Belehrung des Landesrechnungshofes: “Im Buchungstext der Buchungskonten waren die Zahlungsempfänger oder Zahlungspflichtigen nicht immer ausgewiesen. Soweit zudem das Kassenbuch entsprechende erforderliche Eintragungen aus Platzgründen nicht ermöglicht, sollte ein alternativer Vordruck verwendet werden.”
Förderung der Kassensicherheit
Und weiter: “inwieweit eine Excel-Liste dies zukünftig gewährleistet, hängt unverändert von der Qualität und Vollständigkeit der Eintragungen ab. Die nicht erkennbaren Saldierungen bezögen sich auf gesammelte Belege, welche gebündelt unter dem Text “Diverses” im Kassenbuch einer Summe aufgeführt wurden. “Hierfür besteht keine Notwendigkeit”. Ein Tagesabschluss für ein bis zwei Buchungen nehme nicht viel Zeit in Anspruch, fördere aber die Kassensicherheit. Schließlich seien die Abwesenheitsvertretungen aus dem Kassenbuch nicht erkennbar gewesen.
“Geschäftsführung unterschätzt Risiko”
“Auch fanden sich keine Sichtvermerke der Kassenprüfer”. Und der Landesrechnungshof bleibt unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung dabei: “Ein Buchsachverständiger muss jederzeit in der Lage sein, einen Bestandsabgleich durchführen zu können. Da die GEWOBAU derzeit erst am Monatsende die Kassenbewegungen verbucht, ist dies momentan nicht gewährleistet”. Deutlich werden die Prüfer hinsichtlich der Ursache dieser Verstösse: “Die Geschäftsführung unterschätzt möglicherweise das bestehende inhärente Risiko, welches mit den aufgezeichneten Fehlerquellen in der Organisation verbunden ist”.
Erst aus Schaden klug?
Für den LRH unverständlich. Denn “dieses existiert losgelöst von quantitativen Dimensionen und lässt sich durch die bereits eingeforderte Reduktion der Bareinzahlungen mindern”. Erfahrungsgemäß ändere sich eine derartige Risikoeinschätzung bei Unternehmen und Verwaltungen im tatsächlichen Schadensfall rapide. Damit einhergehend sind vermeidbare Verursacher- und Verursachungsanalysen von Systemfehlern. “Vor diesem Hintergrund sollten die Hinweise zur Kassensicherheit beachtet werden”. Prüfungsfeststellung “33” lautet daher: “Über den Stand der Umsetzungen ist zu berichten”.
Kassenprüfungen erfolgten nicht
Brisant ist weiterhin der Punkt “Kassenprüfungen”. Diese “erfolgten nicht”, wie die Prüfer ermittelt haben. “Stattdessen führten unterschiedliche Mitarbeiter ausschließlich Kassenbestandsaufnahmen durch”. Eine Dienstanweisung oder sonstige Regelungen bezüglich Kassenführungen haben nicht bestanden. Wegen der bei der Gewobau vorgefundenen Praktiken sieht sich der Rechnungshof zu grundsätzlichen Erklärungen veranlaßt:
Beachtliche Präventivwirkung
“Kassenbestandsaufnahmen und buchhalterische Bestandsabgleiche alleine genügen nicht den Anforderungen an eine Kassenprüfung. Vielmehr ist erforderlich, insbesondere die Organisation und den Geschäftsgang der Kasse, den Zahlungsverkehr, die Kontenführung, die Vollstreckung sowie die Buchführung in die Prüfungen einzubeziehen. Solche Kassenprüfungen haben eine beachtliche Präventivwirkung. Werden sie nicht in dem gebotenen Umfang wahrgenommen, kann die Kassensicherheit beeinträchtigt sein”.
Dienstanweisung erwünscht
Auch der Hinweis. “dabei ist das gleichzeitige Übertragen von Kassengeschäften und Prüfung unvereinbar” erscheint dem LRH erforderlich. Unmißverständlich führen die Prüfer aus: “eine Personenidentität ist mit Risiken behaftet und mindert die Möglichkeit für das Unternehmen etwaige dolose Handlungen zu erkennen”. Freundlicher Tipp aus Speyer: “Die Gesellschaft sollte durch Dienstanweisung eine regelmäßige Prüfung der Kassenführung sicherstellen. Mit Aufgaben der Kassenführung betraute Mitarbeiter dürfen keine Prüfungen vornehmen. Es sollten zudem Kassenprüfungen durch die örtliche Rechnungsprüfung in Erwägung gezogen werden”.
Kassenprüfungen der örtlichen Rechnungsprüfung
Die Antwort der Geschäftsleitung hierzu ist schmallippig: “Es werde zukünftig darauf geachtet, dass mit der Kassenführung betraute Mitarbeiter diese Prüfung nicht mehr vornehmen. Aufgrund der Querschnittsprüfung “Kommunale Wohnungsbaugesellschaften” vom städtischen Beteiligungsmanagement beschlossene Kassenprüfungen seien bislang nicht erfolgt”. Konsequenterweise verlangt Prüfungsfeststellung “34”: “Wir bitten um Vorlage der erforderlichen Dienstanweisung. Zudem sollte die kommunale Mehrheitsgesellschafterin die angekündigten Kassenprüfungen der örtlichen Rechnungsprüfung sicherstellen”.
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