Instandsetzen statt wegwerfen

Einstecken. On-Off-Knopf drücken. Nichts tut sich. “Wenn Du die Steckdosenleiste einschaltest gehts besser”. Dieser freundlich-kritische Hinweis wird flugs in die Tat umgesetzt. Sofort geht die kleine blaue Diode  an. Das Drehen des Ventilators ist zu hören. Und ein schnell wärmer werdender Luftstrom pustet ins Gesicht. Der Föhn läuft wieder. Seine Besitzerin jauchzt glücklich. Sie hatte das Kabel aus dem Handgriff gerissen und seit dem hatte das Gerät einen Wackelkontakt. Jetzt wackelt nichts mehr und die Frisur wird wieder durchgängig mit heisser Luft geformt.

Um dieses schöne Ergebnis zu erreichen wurde über eine Stunde alles versucht. Das fing an mit dem Lösen von Triwing-Schrauben am Griff. Und stockte dann sehr schnell, weil die Plastikteile nicht verschraubt, sondern verpresst sind. Alle Versuche die Kunststoffschalen schadenfrei voneinander zu lösen scheiterten. Aber Jürgen Bergauer, der als Dipl.Ing. Elektrotechnik Layouts für Platinen entwirft, gibt nicht auf. Dann die Idee, die beiden Griffhälften so weit auseinanderzuspreizen, dass die kleine Platine, an der sich die Problemstelle befand, herausgelöst und der Schaden behoben werden konnte.

 

Die kleine Kaffeemaschine ist dagegen nicht zu retten. Auch wenn sie noch wie neu aussieht: zu alt für die Garantie. Und wegen eines Defekts der Heizspirale nicht instandzusetzen. Ein Fall für die Elektrogerätesammlung beim Kompostwerk. Ein älterer Gast ist dagegen schon nach etwa 30 Minten ganz entzückt. Sie spricht wieder zu ihm. Nicht die daheimgebliebene Ehefrau ist gemeint. Sondern die Waage. Die sagte wie ein ebenfalls defektes Zwillingsstück das Gewicht der darauf stehenden Person jahrelang elektronisch an.

 

Und verstummte urplötzlich. Nach dem Öffnen des Bodens und des Batteriefaches wird schnell klar warum: ein Kabelbruch am Batteriekontakt verhindert den Stromfluß. Der wird fix verlötet. Die Idee “aus zwei macht eine” muß nicht mehr ins Auge gefaßt werden. Christoph Endemann, der beruflich Qualitätsmanagement betreibt und Lebensmittelkaufmann Klaus Dieter Radke freuen sich fast noch mehr als der Inhaber der Waagen über den schönen Erfolg ihrer Bemühungen.

Die zwei freundlichen Helfer gehören zu einem vielköpfigen Team von Ehrenamtlichen, die an jedem zweiten Freitag im Monat ab 18 Uhr das Kulturzentrum der Alternativen Jugendkuktur AJK e.V. in der Planiger Strasse 29 (früheres Hambo vis-a-vis der ehemaligen Capri-Bar) zum “Repair Cafe” umnutzen. Der Zuspruch ist groß. Rund ein Dutzend jüngere und älterer Besitzer nicht mehr funktionstüchtiger Sachen fanden sich am 11.1.19 ein. Darunter auch der Eigentümer eines betagten Schallplattenspielers.

Und ein 89jähriger Bad Kreuznacher, der “nicht ständig am Herd steht”, aber noch immer selbst kocht. Und das nur mit Schürze. Deren Bänder zum Zubinden waren abgerissen. Was Daniela Egert mit der vereinseigenen Nähmaschine schnell ändern konnte. Bei einem alten Kassettendeck hat ein Riehmen den Geist aufgegen. “Mal sehen was Dr. Google sagt” meint Christoph Endemann und greift zum Smartphone. Schnell ist der Hersteller gefunden. Und auch die Quelle im Internet, bei der das Ersatzteil beschafft werden kann. Allein die Frachtkosten liegen bei 13 Euro.

Der Eigentümer denkt bereits nach, ob sich das lohnen kann. Diese Frage stellen sich die Helfer im Repair-Cafe nicht. Ihnen macht es “einen Riesenspaß” fremden Zeitgenossen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Die meisten sind “entschiedene Gegner der Wegwerfgesellschaft”. Weiterer für sie wertvoller Aspekt: “die gemeinsame Reparatur bringt Menschen ins Gespräch”. Wenn auch im Alter und von der Ausbildung her sehr unterschiedlich aufgestellt, eint sie das Ziel, auch in schwierigen Situationen nicht einfach aufzugeben, sich gegenseitig zu helfen und darin einen Teil ihres Lebensinhaltes auszudrücken.

Neues Leben für defekte Geräte

Wie Dirk Schworm. Der ist beruflich als Meßgeräte-Betreuer tätig. Am Freitag nahm er die Instandsetzung eines Kaffeevollautomaten in Angriff, der der AJK gespendet wurde. Schworm wurde durch einen ehemaligen Arbeitskollegen auf das Repair-Cafe aufmerksam. Das ist jetzt fast vier Jahre her. “Und seit dem treibe ich hier mein Unwesen” scherzt er, während ein Mithelfer ein paar Paradefälle aufzählt, in denen Dirk Schworm helfen konnte defekten Geräten neues Leben einzuhauchen.

Hilfe zur Selbsthilfe

Für derartige Erfolge stellen die meisten auch ihr eigenes Werkzeug samt Arbeitsanweisungen zur Verfügung unter dem Motto “Hilfe zur Selbsthilfe”. Zum Reparaturversuch mitgebracht werden darf von den Gästen alles, was getragen werden kann: Fahrräder, kleine Möbelstücke, Elektrogeräte usw. Damit Energie und Zeit, die von den HelferInnen eingesetzt wird, nicht nutzlos verpufft, sollen sich die Gäste vor dem Besuch im Repair-Cafe fragen, “benutze ich das Teil so oft und so gerne, dass sich eine Reparatur lohnt?”.

Geöffnet wieder am 8.2. und 8.3.

Um das seit rund vier Jahren aktive Angebot finanzieren zu können, nimmt die AJK “angemessene Geldspenden”, aber auch “Kuchen, Snacks oder auch ein Päckchen Kaffee” an. Die nächsten Termine des Repair-Cafe sind am 8. Februar und 8. März 2019. Infos über die AJK gibt es auch auf ajk-kulturzentrum.de.