2.000 Euro, metallene Kugeln und roter Filz

Karl-Josef Flühr ist Beamter im rheinland-pfälzischen Innenministerium. Und er sitzt für die SPD im Stadtrat (Spitzname “die Pfeife” wegen der von ihm bevorzugten Tabakanwendung). Als Fraktionsgeschäftsführer (unser Screenshot zeigt sein Foto auf spd-stadtverband-kh.de/spd-im-stadtrat). Ein arbeitsintensiver Nebenjob: die interne Kommunikation mit den anderen 14 Fraktionskollegen, der Kontakt zur Stadtspitze, interfraktionelle Absprachen.

Am 12. Dezember 2018 managte er als Sprecher der Mandatsprüfungs- und Stimmzählkommission die Listenaufstellung der städtischen Sozialdemokraten für die Kommunalwahl am 26. Mai. Über die aus den Ministerien wird gern gewitzelt, deren Lieblingssportart sei Beamtenmikado (“wer sich zuerst bewegt, hat verloren”). Fest steht: asiatische Kampfsportarten sind nicht Flührs Sache. Er schiebt – natürlich ausserdienstlich – lieber mal eine ruhige Kugel.

Das Spiel heisst Boule. Dieser in Frankreich höchst populäre Wettstreit mit metallenen Kugeln. Die wirft und “legt” man mit dem Ziel, möglichst dichter ranzukommen an das hölzerne “Schweinchen”, als der Mitspieler. Dabei ist es ausdrücklich erlaubt, die Kugeln des Anderen mit den eigenen wegzuschiessen. Flühr spielt es im Boule-Club Rheingrafenstein e.V. Dort ist er “Presse- und Öffentlichkeitswart” und Vorstandsmitglied.

Flühr hat also alle Hände voll zu tun. Sportlich und für die Partei. Die Genossen sind ihm dankbar. Das wollten sie ihm auch zeigen. Weil Worte allein wohl nicht auszudrücken vermochten, wie wichtig Flühr der SPD ist, fiel der Dank auf Umwegen aus. Die Lösung fand sich in der jährlichen Ausschüttung der Hans-und-Harry-Staab-Stiftung.

Anfang August 2018 stellte der Boule-Club einen Förderantrag. 3.000 Euro wollte der nach eigenen Angaben “über 60 Mitglieder” grosse Verein erhalten. Um die Überdachung der Terrasse und des hinteren Anbaus am Vereingelände in Bad Münster zu erneuern. Der Antrag landete zuständigkeitshalber im Sportausschuß. Dort ist auch Karl-Josef Flühr Mitglied. Und der legte sich, wie zuvor schon an anderer Stelle, für seinen Verein ins Zeug.

Im Ausschuß befangen

Im amtlichen Protokoll ist vermerkt: “Herr Flühr macht den Hinweis, dass eventuell eine Bezuschussung durch den Landessportbund möglich ist, dadurch wäre auch ein städtischer Zuschuß nach den Sportförderrichtlinien möglich. Er lässt dies prüfen”. Dem Gesetz nach hätte Flühr im Sportausschuss zu diesem Punkt nicht mal “Piep” sagen dürfen. Denn die rheinland-pfälzische Gemeindeordnung (§22) und auch die Geschäftsordnung des Rates der Stadt (§9) schreiben vor, dass Vorstandsmitglieder von Unternehmen und Vereinen von Beratung und Beschlussfassung ausgeschlossen sind, wenn die Entscheidung Vor- oder Nachteile für ihre Strukturen bringen kann. Stichwort Befangenheit.

Flühr im Vorstand

Karl-Josef Flühr ist Vorstandsmitglied. Das gibt der Verein selbst auf seiner Homepage an (siehe Screenshot oben). Bei der Stadtratslistenaufstellung der SPD stellte er sich als “stellvertretender Vorsitzender des Boule-Clubs” vor, obwohl der auf seiner Seite diese Position als vakant ausweist. Im Finanzausschuß, dem Flühr nicht angehört, wurde über den Zuschußantrag am 16.10.18 abschließend entschieden.

Zweifel an Zuschuß-Höhe

Dort kamen in Abwesenheit Flührs bei fast allen nicht der SPD angehörenden Mitgliedern Zweifel daran auf, ob ein Zuschuß an den Boule-Club in der vom Sportausschuß einstimmig befürworteten Höhe von 2.000 Euro angemessen sein kann. Mehrere Ausschußmitglieder wiesen darauf hin, dass einer der kleinsten Vereine den grössten Zuschuß erhalten sollte.

Meurer gegen Kürzung

Oliver John (FDP) macht deutlich, dass bei knappen Mitteln die Priorität auf dem Breitensport liegen müsse (diese Seite berichtete am 19.10.18 unter der Überschrift “Vermögen erhalten”). SPD-Chef Günter Meurer sprach sich dementgegen wortreich für die ungekürzte Ausschüttung an den Boule-Club aus. Er war bereit dafür auch die Zuführung zum Erhalt des Stiftungsvermögens zu reduzieren. Und er wies mehrfach darauf hin, dass der Sportausschuß “als Fachausschuß” die Zahlung einstimmig befürwortet hatte.

Mehrheit gegen SPD

Meurers Einsatz für den Zuschuß fiel so engagiert aus, dass der als besonnener Diskussionredner bekannte langjährige Grünen-Stadtrat Lothar Bastian schliesslich an den SPD-Vorsitzenden gerichtet feststellte: “lassen Sie es, es wird mit jedem Wort von Ihrer Seite peinlicher”. Schliesslich setzte sich im Finanzausschuß die Mehrheit gegen die SPD durch und senkte den Zuschuss auf 1.000 Euro.

Fassen wir die Fakten zusammen:

Ein SPD-Stadtratsmitglied engagiert sich privat in einem Verein. Und im Sportausschuss setzt er sich unterstützt von Parteifreunden (die ihm später auch im Finanzausschuss die Stange halten) persönlich dafür ein, dass dieser Verein einen Zuschuss einer städtisch geführten Stiftung erhält. Diese Vorgehensweise widerspricht im Wortlaut den Kommunalgesetzen. Für deren Durchsetzung ist das Innenministerum zuständig. Und genau in diesem Ministerium ist der Sozialdemokrat Beamter…

Quellen:
bad-kreuznach.de
spd-stadtverband-kh.de
Vereinsregister
Geschäftsordnung des Rates der Stadt Bad Kreuznach
Gemeindeordnung